AACHEN – Es war eigentlich nur ein eher unbedeutendes Testspiel, als „Alemannia Aachen“ am 20. Juli im Wuppertaler Stadion auf den heimischen „Wuppertaler SV“ traf. Etwas mehr als 1.000 Fans sahen das Spiel, als in der 30. Minute plötzlich eine große Gruppe Aachener auf den Zaun stieg und sich in Richtung des Wuppertaler Anhangs bewegte. Schmährufe, drohende Gesten; eine gewaltbereite Inszenierung, die von der Polizei und den Ordnerdiensten beendet wurde, bevor es zu Schlägereien kam. Die Aachener Hooligan-Szene in Aktion. Unter ihnen zahlreiche Neonazis.
In Aachen hat sich im Umfeld des Fußballvereins „Alemannia Aachen“ eine gewalttätige „Mischszene“ aus Hooligans, den rechtsoffenen „Karlsbande Ultras“ und organisierten Neonazis etabliert. In der aktiven Fanszene gibt diese Allianz den Ton an, nachdem sie in den vergangenen Jahren die antirassistisch eingestellten „Aachen Ultras“ aus dem Stadion geprügelt hatte. Doch auch nach deren Rückzug hat sich die Situation nicht entspannt, die Szene agiert weiterhin gewalttätig und selbstsicher – auch außerhalb des Stadions. Ein Teil der ehemaligen Mitglieder der verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) betätigt sich verstärkt in der Fanszene, auch in der 2012 neugegründeten „Westfront“, einer Mischung aus Rockerclub und Hooligan-Gang. Aber auch diejenigen, die weiter an einer politischen Organisierung festhalten und sich deshalb in der Partei „Die Rechte“ zusammengeschlossen haben, mischen in der Fanszene mit.
Hitlergrüße und Schlägereien
Es sind Personen genau dieser „Mischszene“, die immer wieder Gewalttaten gegen vermeintliche Linke begehen. So wie am Abend des 4. Juli, als sich zum WM-Spiel Deutschland gegen Frankreich eine 50- bis 60-köpfige Gruppe in der Kneipe „Fiasko“ versammelte. Das „Fiasko“ am Synagogenplatz ist als Treffpunkt rechter Hools bekannt, bereits im November 2013 kam es vor der Gaststätte zu einer Schlägerei von Hooligans und den Teilnehmenden einer antirassistischen Demonstration. (nrwrex berichtete) Nach Abpfiff des WM-Spiels posierte die Gruppe neben der Kneipe für ein Mitglied aus den Reihen der „Karlsbande Ultras“, das einen Schlaganfall erlitten hatte. Neben einem Banner wurden auch Hitlergrüße gezeigt, eine Reichskriegsflagge geschwenkt und Bengalos gezündet. (siehe Screenshot). Als ein die Straße entlang laufender Antifaschist dieses Verhalten kritisch kommentierte, wurde der 58-jährige aus der Gruppe heraus angegriffen. Er flüchtete in eine nahegelegene Kneipe, deren Gäste daraufhin ebenfalls attackiert wurden. Mehrere Personen wurden verletzt. Die Polizei ermittelt nun u.a. gegen André Plum, Vorsitzender des „Die Rechte“-KV Aachen, und das Ex-KAL-Mitglied Timm M. als tatverdächtige Mittäter. Als Haupttäter gilt ein 17-Jähriger aus dem niederländischen Kerkrade, der laut Polizei „als Gewalttäter im Zusammenhang mit Fußballspielen aufgefallen“ sei.
Neonazis in der Aachener Fanszene
Neonazis sind schon seit vielen Jahren in der Aachener Fanszene aktiv. Ihre Gesinnung wird von vielen zumindest stillschweigend toleriert. Außerhalb des Stadions sind Konzerte und Partys Treffpunkte dieser „Mischszene“. Insbesondere bei den von dem NPDler Sascha Wagner oder der Hoolgruppe „Westwall Aachen“ organisierten Auftritten der Rechtsrock-Band „Kategorie C“ feierten Neonazis, Hooligans und rechtsoffene Fußballfans einträchtig miteinander. Man kennt sich, man hat gemeinsame Interessen. Oft fanden diese Konzerte in den benachbarten Niederlanden statt, zur Fanszene in Kerkrade besteht ohnehin eine ausgewiesene Freundschaft. Für den 30. August kündigt „Kategorie C“ erneut ein Konzert in Aachen an, laut Band-Website veranstaltet von der „Aachener Hooliganszene“. Zuständig für den Kartenverkauf ist Jens Bähr, das ehemalige Mitglied der verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) gehört heute der Gruppe „Westfront“ an.
„Westfront“ – zwischen Hool-Gang und Rockerclub
Die „Westfront“ entstand im September 2012 als Zusammenschluss der Hoolgruppen „Westwall Aachen“ und „Frontline Mönchengladbach“. Die Gruppe wuchs rasant an und umfasst schätzungsweise weit über 50 Personen, darunter einschlägig bekannte Neonazis aus den Reihen der KAL und der „Kameradschaft Alsdorf-Eupen“. Bei einigen anderen „Westfront“-Mitgliedern liegt eine Neonazi-Vergangenheit länger zurück, manche haben keinen offensichtlichen Bezug zur Szene, sondern entstammen dem Aachener Hooligan-Milieu oder der „Karlsbande“. Das Tragen einschlägiger Szenemarken wie „Thor Steinar“ oder „Ansgar Aryan“ ist aber bei vielen üblich.
Im Gegensatz dazu behauptet man in einer Selbstdarstellung, dass Politik ebenso wenig eine Rolle spiele „wie die Art des Fortbewegungsmittels, die Hautfarbe oder das Alter“. Man sei nur eine „Gruppe von Männern verschiedenster Nationalitäten, die (…) gemeinsam verschiedenen sportlichen Aktivitäten nachgehen.“ Die „Westfront“ inszeniert sich als unpolitischer, gleichwohl militanter Männerbund. Neben martialisch anmutenden Fotos eines großen Mobs mit Sturmhauben vermummter und in einheitlichen T-Shirts gekleideter Personen wurden im Internet Bilder von Ausflügen und Feiern veröffentlicht. Diese Aktivitäten sollen nicht nur den Gruppenzusammenhalt stärken, sondern sind auch eine nach außen gerichtete Machtdemonstration. Die „Westfront“ ist weniger eine Hooligantruppe im üblichen Sinne, die ausschließlich an Schlägereien mit anderen Hools interessiert ist. Im Stadion tritt die Gruppe unter ihrem Namen nicht auf, zumal ohnehin viele Mitglieder Stadionverbot haben. Klar erkennbar ist eine Orientierung auf das „Business“ der Schattenwelt, in der man ein Machtfaktor werden will, um mitzuverdienen. Ins Rockermilieu bestehen Verbindungen, dennoch handelt es sich bei der Gruppe nicht um einen Supporterclub eines der großen Rockerclubs, sondern um eine eigenständige Truppe. „Westfront“ ist nicht einfach eine weitere Neonazi-Kameradschaft, dafür ist ihre Mitgliedschaft zu heterogen und sind politische Inhalte nachrangig. Gleichwohl sammeln sich in der Gruppe Neonazis aus Aachen und Umland in erheblichem Umfang.
„Westfront“-Feier in Herzogenrath-Kohlscheid angekündigt
Am 10. August möchte die „Westfront“ eine „Sommerparty“ in „Lämmi`s Sportsbar“ in Herzogenrath-Kohlscheid feiern, die nach dem ehemaligen „Alemannia Aachen”-Spieler Stephan Lämmermann benannt ist. Das sexistische Motiv des Flyers offenbart einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt der Gruppenmitglieder: Während im oberen Bildteil ein Grillrost mit zwei Fleischstücken, auf denen die Worte „Respekt“ und „Loyalität“ geschrieben stehen, abgebildet ist, findet sich darunter das Bild einer nackten Frau. „Lämmi`s Sportsbar“ war mehrfach Versammlungsort der „Westfront“. So feierte die Gruppe dort im September 2013 ihr einjähriges Bestehen und lud am 25. Januar 2014 zu einem Soli-Konzert mit der eng mit „Kategorie C“ verbandelten Band „Hausverbot“ ein. Der Besitzer der Kneipe scheint keinerlei Problem mit seinen Gästen zu haben; weder mit deren nach außen getragener Frauenverachtung noch mit deren Verstrickungen in Gewalttaten und Hooliganismus, und wohl auch nicht mit der Anwesenheit zahlreicher Neonazis. Ansonsten würde er diesem Treiben sicherlich Einhalt gebieten.
Quelle: https://nrwrex.wordpress.com/2014/08/01/ac-hooligans-und-neonazis-in-akt...
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Siehe zu diesem Thema auch den Artikel „Explosive Mischung. Die
Fanszene von Alemannia Aachen dominieren Neonazis und rechte Hools“,
erschienen in LOTTA #55, Frühjahr 2014.