Bloß in keine Stadt mit Schwarzen

Erstveröffentlicht: 
28.07.2014

Ermittlungen gegen Kita-Erzieherin


Entsetzen in Treuenbrietzen und Brück: Eine Rechtsextreme war in der CDU aktiv und Kita-Erzieherin

 

Von Alexander Fröhlich

 

Treuenbrietzen - Sie lebte drei Jahre unerkannt in Treuenbrietzen, machte Karriere in der örtlichen CDU und wurde Erzieherin in einer christlichen Kindertagesstätte im Nachbarort Brück. Damit ist es jetzt für Nicola Brandstetter vorbei, ihre neonazistische Vergangenheit hat sie eingeholt. Ihre Aktivitäten im 2007 gegründeten und 2012 abgeschalteten braunen Netzwerk Thiazi, laut Bundeskriminalamt (BKA) das bis dahin bedeutendste deutschsprachige Neonazi-Internetforum, und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Rostock wurden ihr zum Verhängnis.

Brandstetter ist gebürtige Österreicherin, Jahrgang 1979. Vor elf Jahren kam sie nach Deutschland, 2011 zog sie aus Rheinland-Pfalz nach Potsdam-Mittelmark. Vor zwei Jahren bekam die Erzieherin einen Job in dem christlichen Kindergarten „Hasenbande“. Beim CDU-Stadtverband stieg sie zur Beisitzerin auf, bei der Kommunalwahl fiel sie aber in der Stadt und für den Kreistag durch. Der CDU in Potsdam-Mittelmark blieb damit ein größerer Skandal erspart. Denn nach der Wahl wurde Brandstetters braune Vergangenheit bekannt. Die „Antifa Freiburg“ hatte Daten der Thiazi-Internetseite ausgewertet und enttarnte die 34-Jährige als Foren-Moderatorin mit dem Pseudonym „Prometheusfunke“.

In dem Netzwerk soll Brandstetter eine führende Rolle gespielt haben – laut Staatsanwaltschaft Rostock zumindest in den Jahren 2009 und 2010. Brandstetter soll den Angaben zufolge rund 1500 Beiträge in dem Netzwerk verfasst haben und sich dabei etwa über den – wörtlich – „Holoklaus“ lustig gemacht haben, der bedauerlicherweise als „schlimmstes Verbrechen aller Zeiten anerkannt“ sei. Oder sie hetzte gegen Sinti und Roma und schrieb von „Inzest unter Zigeunern“. Eine ihre Aufgaben bei Thiazi soll es ab 2009 gewesen sein, die Übersetzung des Romans „Hunter“ des US-Neonazis William Pierce zu koordinieren, laut Experten „eine literarisch inszenierte, von derben Gewaltfantasien durchsetzte antisemitische Hetzschrift“.

Brandstetter gehörte zu einer Gruppe von 26 Neonazis, die 2012 ins Visier der Ermittlungsbehörden rückte. Es gab bundesweit Razzien, auf Druck der deutschen Behörden wurde die auf Servern im Ausland gespeicherte Internetseite von Thiazi abgeschaltet. Bereits im Mai 2013 wurde gegen vier Betreiber des Thiazi-Forums Anklage vor dem Landgericht Rostock erhoben, heute sind es bereits zehn Angeklagte. Vier weitere sollen hinzukommen. Als Hauptbeschuldigte gelten ein 32-jähriger Erzieher aus Mecklenburg-Vorpommern sowie eine 32-jährige Hausfrau aus Baden-Württemberg. Die Anklagen lauten auf Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung sowie Volksverhetzung.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten und Beschuldigten vor, mehr als 2400 Liedtexte und mehr als 1400 Tonträger zum Download im Internet angeboten zu haben. Laut BKA wurde in zahlreichen Texten zum Hass gegen Ausländer, Juden und Menschen mit anderer Hautfarbe aufgestachelt und zu Übergriffen aufgerufen. Der Holocaust werde zudem verharmlost und der Nationalsozialismus verherrlicht. Mit 30 000 registrierten Nutzern galt Thiazi laut BKA als das bedeutendste deutschsprachige Neonazi-Internetforum, szeneintern auch „germanische Weltnetzgemeinschaft“ genannt, eine Art Tauschbörse für rechtsextremistische Texte und Musik.

Auch Brandstetter stand im Verdacht, mit Thiazi eine kriminelle Vereinigung unterstützt zu haben. Und auch bei der Erzieherin in Treuenbrietzen wurde die Wohnung von Ermittlern durchsucht. Allerdings ist das Verfahren wegen der im Vergleich geringen Beteiligung und der geringen Schuld gegen Zahlung einer Geldbuße vorläufig eingestellt worden.

In Treuenbrietzen war das Entsetzen über die Vergangenheit von Brandstetter groß. Die örtliche CDU reagierte sehr schnell und drängte sie zum Rücktritt von ihrem Parteiamt. Dies sei ein unvermeidbarer Schritt „zum Wohl des Stadtverbandes und dessen Mitglieder“, hieß es. Bei dem von einem christlichen Elternverein geführten Kindergarten, in dem Brandstetter arbeitet, zögerte man zunächst, personelle Konsequenzen zu ziehen. „Das ist nicht unsere Nicola, von der wir da erfahren mussten, sagten auch viele Kollegen und Eltern“, so die Vereinschefin Almut Kautz gegenüber der MAZ. Solange sich alle Mitarbeiter dienstlich wie privat an den Vereinsgrundsatz zur Nächstenliebe hielten, gebe es keinen Anlass, etwas zu unternehmen. Drei Wochen später machte der Verein eine Kehrtwende und schmiss Brandstetter raus. „Aufgrund der aktuellen Informationen und nach Prüfung aller rechtlichen Belange hat der Verein entschieden, Frau Brandstetter per sofort und bis zum Ausscheiden aus der Kita von allen Diensten freizustellen“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Wir waren und sind immer noch schockiert und sehr betroffen, dass unsere Kita einer Situation ausgesetzt wurde, in der man uns mit menschenfeindlichem Gedankengut in Verbindung gebracht hat“, sagte Vereinschefin Almut Kautz nun. „Dieses Gedankengut hat nichts mit unseren Leit- und Grundsätzen zu tun.“

Noch vor ihrem Rausschmiss distanzierte sich Brandstetter in der Lokalpresse von „rechtsradikalem und nationalsozialistischem Gedankengut“. Dies passe nicht „zu meinen streng katholischen Grundwerten“, sagte sie. Zum Verfahren sagte sie: „Das gehört einer Vergangenheit an, die ich hinter mir gelassen habe.“ Doch dem wollten die CDU und auch der Kita-Verein nicht glauben. Denn auch über ihre Tätigkeit als Erzieherin hatte sich Brandstetter offen rassistisch geäußert. Als sie noch Erzieherin im rheinland-pfälzischen Münstermaifeld war, schreib sie bei Thiazi: In dem Ort „gibt es bemerkenswerter Weise keinen einzigen Schwarzen. Wenn ich in die nächste größere Stadt fahre, ist das Bild aber schon wieder ein völlig anderes, und dort würde ich mein Kind auch um keinen Preis in die Kita schicken wollen“.