Berlin / Brandenburg
Demo zieht zum 80. Todestag des Nazigegners durch Oranienburg. Ein Fest erinnerte in Berlin an den Schriftsteller
Zum 80. Todestag des Antifaschisten Erich Mühsam zogen rund 260 Teilnehmer einer Gedenkdemonstration durch Oranienburg.
Von Peter Nowak
Der bekannte Nazigegner Erich Mühsam war nach monatelangen schweren Misshandlungen durch die SS am 10. Juli 1934 im Konzentrationslager Oranienburg ermordet worden. Zum 80. Todestag veranstalteten Antifaschisten am vergangenen Samstag in Oranienburg eine Demonstration und in Berlin ein gut besuchtes Erich-Mühsam-Fest. Beide Aktionen standen unter dem Motto »Sich fügen heißt lügen«. Die Demonstration begann mit ca. 260 Teilnehmern am Bahnhof Oranienburg. Organisiert wurde sie von verschiedenen antifaschistischen Gruppen aus Brandenburg und dem Nordosten Berlins. »Wir gedenken nicht nur Mühsam, sondern allen Menschen, die bis heute von Nazis ermordet worden sind«, erklärte ein Demosprecher. Auszüge aus der Biografie eines jüdischen NS-Verfolgten wurden verlesen, der berichtete, wie er mit anderen Leidensgenossen vom Bahnhof Oranienburg nach Sachsenhausen deportiert und bei der Ankunft von einer Menschenmenge beschimpft, bespuckt und geschlagen worden war.
Der Aufzug führte zum Konzentrationslager Oranienburg, wo Mühsam ermordet wurde. Im Gegensatz zum Konzentrationslager Sachsenhausen ist das KZ Oranienburg, wo viele Antifaschisten in den ersten Monaten der NS-Herrschaft gequält wurden, in der Öffentlichkeit weniger bekannt. Auf dem Platz mitten in Oranienburg wurden Gedichte und Lieder von Mühsam vorgetragen. Die Demoroute wurde wegen wolkenbruchartiger Regenfälle vorzeitig abgebrochen.
Viele Teilnehmer machten sich im Anschluss auf dem Weg zum Erich Mühsam Fest auf dem Gelände des Kinos Zukunft hinter dem Ostkreuz. Schon am Nachmittag war das Areal gut gefüllt. Es gab zunächst politische Diskussionsrunden. So informierten Frieder Böhne und Kamil Majchrzak über das NS-Konzentrationslager Sonnenburg. Ähnlich wie das KZ Oranienburg war es in den ersten Monaten des NS-Regimes ein Folterlager und danach weitgehend vergessen. Imke Müller-Hellmann stellte unter dem Titel »Verschwunden in Deutschland« Lebensgeschichten von KZ-Opfern vor.
Auch die literarische Auseinandersetzung mit Mühsam kam auf dem Festival nicht zu kurz. So lasen die Autoren Chris Hirte und Conrad Piens Auszüge aus den kürzlich erschienenen Tagebüchern von Erich Mühsam. Einer der künstlerischen und politischen Höhepunkte des Festes war die Präsentation von Texten aus dem im Verbrecher Verlag veröffentlichten Buch von Erich Mühsam »Das seid ihr Hunde wert«, die mit der Record-Release-Party der im gleichen Verlag erschienenen CD »Mühsamblues« verbunden wurde. Die Texte und Lieder gaben einen guten Einblick in das Denken und Handeln von Erich Mühsam. Der Dokumentarfilm »Die Münchner Räterepublik und ihre Dichter« beschäftigte sich mit einem Teil revolutionärer Geschichte, an der Mühsam aktiv beteiligt war. Es wird in dem Film auch deutlich, wie mit der brutalen Niederschlagung der Münchner Räterepublik jenen völkischen und antisemitischen Kräften der Weg geebnet wurde, die sich schon bald in Bayern in der NSDAP organisierten und 1923 den ersten noch gescheiterten Versuch einer Machtübernahme probten.
Die Organisatoren des Festes zeigten sich über den großen Zuspruch sehr erfreut. »Es ging uns nicht darum, Mühsam zum Märtyrer zu machen«, hieß es aus dem Vorbereitungsteam. »Wir wollten viel mehr Mühsams eigenes Motto Ernst nehmen, dass er in einem Gedicht so ausgedrückt hat: Menschen, lasst die Toten ruhn und erfüllt ihr Hoffen!«