Ergebnis der Task Force: 21 Prozent der Speicherungen beim Niedersächsischen Verfassungsschutz müssen umgehend gelöscht werden

Erstveröffentlicht: 
13.05.2014

Rund 21 Prozent der personenbezogenen Speicherungen beim Niedersächsischen Verfassungsschutz sind fehlerhaft und müssen umgehend gelöscht werden. Weitere knapp 18 Prozent sind zeitnah aus der Amtsdatei zu entfernen. Zu diesem Ergebnis kommt die im vergangenen Herbst vom Niedersächsischen Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, eingesetzte Task Force zur Überprüfung des personenbezogenen Datenbestandes beim Verfassungsschutz.

 

Heute (13. Mai 2014) hat die Task Force nach der Unterrichtung der zuständigen Ausschüsse des Landtags ihren Abschlussbericht vorgestellt. Pistorius: „Ich hatte ein solches Ergebnis nicht erwartet. Von den Daten, die die Task Force im letzten Herbst vorgefunden hat, werden danach in naher Zukunft nur gut 60 Prozent übrig bleiben. Das ist erschreckend, weil es nicht um Versehen oder individuelle Fehler einiger weniger Mitarbeiter geht, sondern weil das System offenbar versagt hat und es keine Absicherung gab. Nach diesen Ergebnissen liegt ein Fall von Organisationsverschulden vor."

 

Anlass für die Einsetzung der Task Force waren die im September letzten Jahres bei einer stichprobenartigen Prüfung der Verfassungsschutzpräsidentin entdeckten fehlerhaften Speicherungen von unter anderem journalistisch und publizistisch tätigen Personen. Die Task Force hat insgesamt 9.004 personenbezogene Dateispeicherungen überprüft und kommt zu folgenden Ergebnissen:

 

  • 1.937 Speicherungen (21,51 Prozent) werden von der Task Force beanstandet und müssen umgehend gelöscht werden.
  • 1.564 Speicherungen (17,37 Prozent) müssen auf Empfehlung der Task Force zeitnah gelöscht werden, da sie nicht länger für die Aufgabenerfüllung erforderlich sind.
  • 5.503 Speicherungen (61,12 Prozent) werden nicht zur Löschung empfohlen.

Ein Teil der Fälle ist laut der Task Force deshalb zu löschen, weil minderjährige Personen gespeichert wurden, obwohl sie keinen konkreten, individuell zurechenbaren Gewaltbezug aufweisen. Minderjährige dürfen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes (NVerfSchG) nur gespeichert werden, wenn eine "Bestrebung oder Tätigkeit durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt wird", heißt es im Gesetzestext. Die meisten beanstandeten Speicherungen waren für die Aufgabenwahrnehmung des Verfassungsschutzes laut Bewertung der Task Force nicht mehr erforderlich.

 

Die Task Force kritisiert in ihrem Bericht, dass viele Daten häufig länger als notwendig gespeichert wurden, weil die Maximalfrist in einem Großteil der Fälle nicht die gesetzlich vorgesehene Ausnahme war, sondern automatisch zur Regel gemacht worden war. Grundsätzlich gilt bei personenbezogenen Speicherungen die gesetzliche Höchstfrist von fünf Jahren für die Wiedervorlage zur Prüfung der sogenannten Erforderlichkeit.

 

Bei den sogenannten Phänomenbereichen hat die Task Force folgende Schwerpunkte hervorgehoben:

  • Phänomenbereich Linksextremismus: Es gab mehrere Fälle von bürgerlichem Protest, die als linksextremistisch eingestuft wurden.
  • Im Phänomenbereich Islamismus hat die Task Force die langjährige Speicherung von überschlägig knapp 100 Personen allein wegen regelmäßiger Besuche von Freitagsgebeten, und damit wegen verfassungsrechtlich geschützter Religionsausübung, in extremistisch beeinflussten Moscheen beanstandet.
  • Und im Phänomenbereich Rechtsextremismus schließlich hat das im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex 2011 verfügte Löschmoratorium zu unangemessenen Verlängerungen von Wiedervorlagefristen geführt. Die Bereinigung dieses Datenbestandes wäre ohne das Löschmoratorium bereits erfolgt.

Innenminister Boris Pistorius: „Der Datenbestand muss jetzt schnellstmöglich bereinigt werden. Zusammen mit den im April vorgestellten Empfehlungen der Expertengruppe zur Reform des Niedersächsischen Verfassungsschutzes haben wir jetzt eine Grundlage für eine Neuausrichtung. Der reformierte Niedersächsische Verfassungsschutz muss seine Aufgabe zukünftig wesentlich klarer an den Grundrechten ausrichten und sensibel auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes achten."