Am 28. Juni planen rechte Kräfte aus Baden-Württemberg und darüber hinaus die Fortsetzung ihrer Demonstrationen gegen sexuelle Vielfalt und für ein mittelalterliches Verständnis von Familie, Sexualität und Geschlechterrollen. Aufhänger der Demonstrationen in Stuttgart ist der Bildungsplan 2015 der Landesregierung, in dem, zur Empörung der Rechten, auch gleichgeschlechtliche Beziehungen Erwähnung finden.
Während die Rechten unter dem Label „Demo für Alle“ mit Infoständen und Fanartikeln für die Veranstaltung werben, nimmt auch die Gegenmobilisierung nun langsam an Fahrt auf.
Das erst jüngst gegründete „Netzwerk gegen Rechts Stuttgart“, an dem wir uns aktiv beteiligen, veröffentlichte einen gemeinsamen Bündnisaufruf, um zu Blockaden gegen die selbsternannte „Demo für Alle“ zu mobilisieren. Der Aufruf des Netzwerkes hat die wichtige Aufgabe, eine breite Masse an Menschen zur aktiven Teilnahme an direkten antifaschistischen Protestaktionen in Form von Menschenblockaden zu bewegen. Mit der Vielfalt der dahinterstehenden Strukturen, ist diese gemeinsame Zielsetzung ein nicht zu unterschätzender Schritt nach vorne, lässt sie die zumeist heuchlerischen Konzepte rein symbolischer „Gegenveranstaltungen“ doch weit Rechts liegen.
Mehr als nur ein Wort...
Auch wenn wir die Stoßrichtung und Zielsetzung des Aufrufs und der anvisierten Bündnisaktivitäten insgesamt richtig finden, müssen wir zu einer Formulierung doch nachträglich noch kritisch Stellung beziehen.
Im Aufruf wird angekündigt, sich den Rechten „gewaltfrei“ in den Weg stellen zu wollen. Die Intention dahinter ist zweifellos sinnvoll:
Menschenblockaden, an denen sich ein breites Spektrum Protestierender beteiligen kann, funktionieren nur, wenn die Konfrontation mit Polizeikräften an dieser Stelle von unserer Seite aus nicht eskaliert wird. Das Handeln einzelner Beteiligter muss als Bestandteil der gemeinsamen Aktion betrachtet werden, die in diesem Fall nur funktioniert, wenn alle das Gleiche tun: stehen oder sitzen bleiben, gegenseitig einhaken und keinen Schritt zur Seite weichen. Zur Sicherheit aller heißt das eben auch, mit den (Sicherheits-)Bedürfnissen, Ängsten und Unsicherheiten von anderen Beteiligten einen kollektiven Umgang zu finden, der die Aktion nicht schwächt oder gefährdet.
Wir halten die Formulierung „gewaltfrei“, wenn es um antifaschistischen Widerstand gegen rechte Kräfte geht, allerdings für unangebracht.
Fakt ist: Die gesellschaftlichen Perspektiven der Rechten bieten uns eine Welt, in der wir in eine unerträgliche Fülle von gewaltförmigen Abhängigkeits- und Unterdrückungsverhältnisse gezwängt werden und Menschenleben schlichtweg keinen grundsätzlichen Wert mehr haben. Mit ihren heutigen Aktivitäten bereiten sie sich schon ganz praktisch darauf vor. Erstes Angriffsziel sind dabei MigrantInnen, Linke und andere NazigegnerInnen.
Fakt ist auch: Die staatlichen Apparate sorgen schon heute mit aller Gewalt dafür, dass der rechten Propaganda der Weg in Öffentlichkeit zugänglich bleibt und spürbarer Widerstand dagegen möglichst früh im Keim erstickt wird.
Das heißt: Der Widerstand gegen Rechts ist ständiger Gewalt ausgesetzt. Ganz gleich ob sie nun physisch von Polizeistiefeln und Nazifäusten ausgeführt wird, ob sie in Form von systematischer Stigmatisierung und extremismustheoretischer Hetze daherkommt, oder uns als juristisches Zwangsmittel in die Enge zu treiben versucht.
Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet der solidarisch und kollektiv organisierte Widerstand gegen Rechts nur mit dem schwammigen Vorzeichen „gewaltfrei“ als legitim angesehen und in die Öffentlichkeit getragen werden soll. Wir wollen und können nicht anfangen zu bestimmen, wo Gewalt anfängt und wo sie aufhört. Weder wollen wir uns das Recht auf Selbstverteidigung nehmen lassen, noch können wir uns der naiven Vorstellung hingeben, reaktionäre Weltbilder allein durch bessere Argumente zu kippen. Bei der Wahl der Mittel der politischen Arbeit sind wir in der Verantwortung, moralische Fragestellungen ebenso wie die Effektivität und die Vermittelbarkeit miteinzubeziehen und sie in jeder Situation immer wieder neu zu diskutieren. Begriffe wie „gewaltfrei“ bringen uns dabei wenig voran, vielmehr eröffnen sie schnell politische Kampffelder, die alleine dazu dienen, breite antifaschistische Bewegungen
zu spalten.
Ein „Vertrauen“ auf das staatliche Gewaltmonopol ist für uns als linke AntifaschistInnen auch in der Frage des Kampfes gegen Rechts keine Option. Nicht zuletzt die behördlichen Verstrickungen in den „NSU“ sollten Anstoß zur grundsätzlichen Hinterfragung des „antifaschistischer Potenzials“ des BRD-Staates geben, auf dem sich noch so einige AntifaschistInnen ausruhen.
Und das heißt?
Wie wir bereits bei der Veröffentlichung „Blockaden im Wandel der Zeit“ festgestellt haben, werden weder ausschließlich isolierte direkte Aktionsformen, noch rein symbolische Proteste rechte Aufmärsche effektiv verhindern.
Durch Aktionen wie Menschenblockaden, die inzwischen auch weit über das aktionsorientierte Antifaspektrum hinaus akzeptiert sind, ermöglichen wir die Partizipation vieler Menschen unterschiedlicher politischer Herkunft und können dadurch starken politischen Druck aufbauen.
Die Polizeikräfte haben im Laufe der vergangenen Jahre aber fleißig geübt und können sich auf diese Situation inzwischen sehr gut vorbereiten. Das Konzept der stationären Massenblockaden kann daher, wenn politisch nicht explizit geduldet, schnell unterbunden oder unter polizeiliche Kontrolle gebracht werden.
Weitergehende und direkte Aktionen gegen rechte Aufmärsche sind aktuell nicht, oder nur sehr bedingt, mit breiteren politischen Kreisen durchführbar. Immer wieder finden auch Materialblockaden, oder direkte Konfrontationen mit Faschisten in passenden Situationen und bei guter Vermittlungsarbeit zwar offene oder klammheimliche Zustimmung in anderen Spektren, im Großen und Ganzen sind diese Aktionsformen aber noch nicht massenkompatibel. Sie sind noch praktischer Ausdruck bestimmter Teile der antifaschistischen Bewegung, können aber in produktive Wechselwirkung mit anderen Aktionsformen treten und für wichtige Debatten innerhalb der antifaschistischen Bewegung sorgen.
Im Zusammenspiel von Blockaden und weitergehenden Aktionen ergeben sich für Proteste gegen rechte bzw. reaktionäre Veranstaltungen immer wieder neue Möglichkeiten. So entstehen durch organisierte oder spontane direkte Aktionen immer wieder sprunghafte Dynamiken, welche die Polizei zum Handeln zwingen und damit Raum für größer angelegte Menschenblockaden ermöglichen. Vor allem in urbanen Gebieten, in der die Polizei in den letzten Jahren ganz nach dem Motto „viel hilft viel“ ganze Stadtviertel flächendeckend besetzt hielt, kann die schnelle und dynamische Verbindung verschiedener Aktionsformen neue Handlungsoptionen eröffnen.
Deshalb ist es auch besonders wichtig, dass VertreterInnen und VerfechterInnen der unterschiedlichen Taktiken den gemeinsamen antifaschistischen Nenner nicht vergessen, sich gegenseitig respektieren und – bei aller möglichen internen Kritik, die in Diskussionen natürlich nicht unter den Tisch fallen sollte – auf der Straße zusammenhalten. Was zählt, ist ein solidarischer Umgang. Sei es im Vorfeld der Aktionen, bei der Durchführung der Aktionen oder nach Aktionen, wenn die Staatsmacht durch Repressionswellen versucht den Widerstand zu schwächen.
Gegen rechte Allianzen!
Die antifaschistische Aktion aufbauen!