NSU – Masche im globalen Geflecht alter und neuer Nazis
Von René Heilig
Als Kleinstgruppe habe der Nationalsozialistische Untergrund von Zwickau aus operiert, ganz im Verborgenen. Drei Terroristen und eine Handvoll Unterstützer – das war der mordende NSU? Warum drücken sich Ermittler wie Untersuchungsausschüsse vor der Frage, welche Berührungen Rechtsterroristen zur Organisierten Kriminalität haben und wie international verflochten große und kleine, alte und neue Neonazigruppen sind? Anhaltspunkte, die man in Verfassungsschutzberichten vergeblich sucht.
Jüngst hat die Polizei das »Objekt 21« in Desselbrunn gestürmt. Der Name bezieht sich auf die Hausnummer des alten Bauernhofs in der oberösterreichischen Gemeinde. Der eingetragene »Kulturverein« zählte zu Hochzeiten rund 200 Mitglieder. Die Nazis handelten mit Devotionalien und posierten offen mit T-Shirts, auf denen ein Schlagring als Abzeichen der Kameradschaft zu sehen war. Andere hatten auf ihre Klamotten »University Auschwitz, est. 1941« drucken lassen.
Beim Sturm auf das Bandenquartier, der anders als vorangegangene Aktionen nicht zuvor verraten wurde, fand man Sturmgewehre, abgesägte Schrotflinten, wie Mafiakiller sie benutzen, Wurfmesser und zehn Kilo Sprengstoff. 24 Rechtsextremisten nahm man fest, zehn sind noch in Haft, darunter zwei Deutsche.
Der Fall ist bedeutsam, weil er abermals klar macht, wie eng Neonazis mit der Organisierten Kriminalität verwoben sind. Körperverletzung, Drogen- und Menschenhandel, Raub, Diebstahl, Nötigung – in Desselbrunn organisierten sich Kriminelle aller Art. Die Neonazis stehen gemeinsam mit Rockern in Verdacht, gut bezahlt Drecksarbeit erledigt zu haben. Man fackelte Puffs ab, folterte Firmenbesitzer, übernahm deren Betriebe – Abbruchunternehmen bevorzugt.
Sicherheitsexperten wissen, dass die Neonazis so nicht nur eigene Leute legal in Lohn bringen. Man festigt zugleich Strukturen, Geldwäsche wird erleichtert, und nicht zuletzt kommt man legal an Sprengstoff. Angeblich soll sich ein Insider gestellt haben. Dem österreichischen Verfassungsschutz vertraute der Kronzeuge aus guten Gründen nicht, die bayerischen Kollegen sollen ihn per Zeugenschutzprogramm verstecken.
Es gibt – wie Kriminalisten sagen – viele »Anpacker«, um die in jeder Weise grenzüberschreitenden Aktivitäten der Neonazis aufzudecken. Handfeste Hinweise zuhauf, wenn man will. Doch da verhaften beispielsweise Thüringer Beamte auf Wunsch der österreichischen Staatsanwaltschaft – sie führt die Ermittlungen gegen »Objekt 21« – bereits Anfang November einen gewissen Andreas Potyra. Der war wie die NSU-Terroristen Mitglied im Thüringer Heimatschutz, lebt aber vorwiegend in Österreich. Der Verdacht gegen ihn ist mit Waffenhandel und Brandanschlägen beschrieben. Was folgt in Thüringen? Nichts.
Jürgen Windhofer war eine Art Hausmeister von »Objekt 21«. Bekannt ist er als Rädelsführer des mittlerweile aufgelösten »Kampfverbands Oberdonau«. Er lud zur Veranstaltung mit Thüringer Liedermachern ins »Objekt 21« ein. Nach dem Konzert schrieb Erwin Spindler, der Bruder von »Klub- Obmann« Manuel Spindler, im Internet (Fehler inclusive): »facebook schaut dir ins gesicht und der staatsschutz auch währt euch gegen diesen scheiss juden staat« Auch Leute der »Aktionsgruppe Passau« und des »Freien Netzes Süd« haben die Grenze zur »Ostmark « überschritten. Als Windhofer bei einer Verkehrskontrolle mit einer Ladung Waffen aufgefallen war, gab er an, die Waffen gehörten einer deutschen Sammlerin. Umgehend lag auch eine entsprechende eidesstattliche Erklärung aus Deutschland vor.
Kontakte zum »Objekt 21« hatte Norman Bordin. Der Gründer diverser Kameradschaften in Nordrhein-Westfalen und Bayern kann auch bestens mit Neonazis in Norditalien, weiß der dortige Geheimdienst AISI und teilte den hiesigen Kollegen mehrfach mit, dass deutsche und italienische Kameraden Anschläge auf Migranten in Südtirol vorbereiteten. Ende 2011 ortete AISI auch den »NPD-Vertreter« Ralf Wohlleben samt seiner Kontakte zum »Südtiroler Kameradschaftsring«, zur Gruppe »Skinhead Tirol, Sektion Meran« und zur »Veneto Fronte Skinheads«. Wohlleben ist einer der Angeklagten im NSU-Prozess. Obwohl die NSU-Terroristen Böhnhardt und Mundlos enge Kontakte in die Schweiz hatten, woher auch die Ceska-Mordwaffe stammt, wurde dort – folgt man der Anklage gegen Zschäpe & Co – kaum ermittelt. So wie man Spuren nach Südafrika nicht folgt.
Das Land wurde von V-Leuten mehrfach als Fluchtmöglichkeit für das NSU-Trio benannt. Man weiß, dass Ex-Nazioffiziere, die im Apartheidregime Unterschlupf gefunden und die »Büchergilde Kapstadt « gegründet hatten, in Deutschland als Werber auftraten. Gerade in Thüringen. Auch Kontakte des in Südafrika lebenden deutschen »Publizisten« Claus Nordbruch sind bekannt. Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes trainierten auf dessen Farm. Nicht nur dort war Drill angesagt. So wurde der damalige Neonazi Nick Greger, der in Sachsen, Berlin und Brandenburg agierte, nach seiner Haftentlassung von der rechtsextremen Gefangenenhilfsorganisation HNG nach Südafrika vermittelt. Dort sollte er aufklären, ob sich die Farm des österreichischen Altnazis Manfred Sixt für militärisches Training eignet. Seine Berichte gingen an Torsten Heise. Der war angeblich beauftragt, den Transfer von »Kameraden « nach Südafrika abzuwickeln. Heises Neonazi-Strafregister ist lang, sein Interesse für den NSU groß. Mehrfach geriet er ins Visier der Justiz, weil er Kontakte zu »Blood&Honour«-Aktivisten bis nach Skandinavien pflegte.
Fachleute für die Nahkampfausbildung gab es in Südafrika genug. Wilhelm Ratte, der im einstigen Rhodesien als Special-Forces- Killer unterwegs war und danach den »kommunistischen« ANC bekämpfte – wofür Kamerad Nordbruch ihm auf die Schulter klopfte – hat eine ganze Söldnertruppe im Schlepp.
Auch ein gewisser Reinhard Rade hat seinen Wohnsitz in Südafrika und vermutlich noch immer Immobilien in Leipzig. Dort war er Geschäftsführer der Baubetreuung in Mitteldeutschland GmbH (BBM).
Rade, geboren 1964 in Innsbruck, gehörte als junger Mann der Wehrsportgruppe »Vorposten« an. Gemeinsam mit Stefan Ulbrich, Betreiber des mythologisch angehauchten Arun-Verlages, wurde Rade bereits 1981 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt. Später sattelte er drauf, handelte mit Waffen, belieferte Saddam Husseins Irak.
Kaum ein Zufall ist, dass als Geschäftsführer der einstigen BBM auch ein Nicolas Charles Peucelle, geboren am 28.4.1963, auftaucht. Als Wohnsitz des Franzosen ist die lettische Hauptstadt Riga angegeben. Freundlich umschrieben könnte man Peucelle als Militärdienstleister bezeichnen. Er war 1989 dabei, als das rumänische Volk – nach einem vom französischen Geheimdienst geschriebenen Drehbuch – den Diktator Ceauşescu stürzte. 1991 ging er als Söldner nach Irak. Auch in Kroatien kämpfte Peucelle.
Über Peucelle kommt man zu Michel Faci. Auch der ehemalige Weggefährte von Front-National- Gründe Le Pen war Söldner in Kroatien – so wie in Venezuela und El Salvador und Irak. 1992 traf man ihn beim Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Heß im thüringischen Saalfeld-Rudolstadt.
»Aufbauhelfer« in Thüringen war auch Karl-Heinz Hoffmann. Der einstige Chef der nach ihm benannten Wehrsportgruppe, deren Übungen vom Vor-Ort-Beobachter Faci als »Kinderspiel« abgetan wurden, erklärte nie, woher das Geld kam, mit dem er (für wen?) Immobilien kaufte. Verräterisch war Hoffmanns Porsche, zugelassen auf eine Condor-Projektentwicklungsgesellschaft in Leipzig.
Bei der hatte – neben anderen einschlägig Verdächtigen – ein Franz Aigner etwas zu sagen. In seiner Heimat Österreich war er wegen illegalem Waffenbesitz und rechtsextremen Umtrieben aufgefallen. Ab 1999 stand ihm in der Condor Landsmann Hans Jörg Schimanek zur Seite. Er gehörte einer Wehrsportgruppe in Langenlois an und wurde zu mehrjähriger Haft verurteilt.
Von Schimanek hat man es nicht weit zum Erznazi Gottfried Küssel. Beide kennen sich aus den 1990ern von der »Volkstreuen außerparlamentarische Opposition« und von Wehrübungen. 2009 traten Küssel und Schimanek bei den »Freien Kräften« in Leipzig auf.
Im Januar hat das Wiener Straflandesgericht Küssel zu neun Jahren Haft verdonnert. Unter anderem wegen des Betriebs der Website »alpen-donau.info«. Ein »modernes Inquisitionsverfahren« sei das gewesen, tönt es derzeit auf der Website »Stolz und Frei« aus Liechtenstein. »Wir sind wieder da«, liest man und fragt sich: Waren die Nazis jemals weg?
Apropos Liechtenstein. Das ist das Fürstentum zwischen Österreich und der Schweiz, in dem die Familie Krupp nach dem Krieg ihren Ausweichwohnsitz genommen hat. Im »Ländle« gilt das Bankgeheimnis noch etwas. Und so kann man nur vermuten, wie viele Millionen vom einstigen Banditenschatz hier fleißig Zinsen hecken.
Man sieht, »Anfasser« gibt es wahrlich genug.