Sie schimpfen auf die USA, warnen vor "tödlichen Kondensstreifen" und wettern gegen eine „gleichgeschaltete Journaille“: Am Montag gab es in Berlin wieder eine Demo der umstrittenen neuen „Friedensbewegung“. Mit dabei war auch der Landeschef der NPD.
Bei den Stichworten „Frieden“ und „Liebe“ jubelt die Masse. Zwischendurch fragen sich viele Demonstranten, wer da eigentlich auf dem Podium spricht. Bei den ganzen Forderungen sind einige durcheinander gekommen. Ein Plakat bewirbt die virtuelle Währung „Bitcoin“ als sichere Geldanlage, ein Flyer erklärt alle Bundestagswahlen seit 1956 für null und nichtig. Ein Demonstrant verteilt Artikel über „tödliche Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel“. Die USA wollen uns alle vergiften, erklärt er. Am Montagabend gab es am Potsdamer Platz wieder eine Demonstration der neuen „Friedensbewegung“. Bei der Polizei waren 2000 Teilnehmer angekündigt worden, am Ende kamen etwa 1000 Menschen.
Mit Aufrufen zu solchen „Montagsdemos“ bedienen sich die Koordinatoren bei einer bekannten Marke. Die regelmäßigen Kundgebungen am Wochenanfang markierten den Fall des DDR-Regimes und wurden später als Widerstand gegen die Agenda 2010 von Bundeskanzler Schröder organisiert. Auch in Friedrichshagen hatte sich diese Tradition etabliert, als Protest gegen die BER-Flugroutenplanung.
"Krude rechte Verschwörungstheorien"
Dass es diese Demonstrationen seit Ende März in neuem Gewand gibt, ärgert Hans Nowak von der „Koordinierungsgruppe Bundesweite Montagsdemo“. Diese Organisatoren „wollen mitschwimmen“, vermutet der in Bottrop lebende Nowak. Er lehnt die Demagogie ab, die auf diesen Demonstrationen gegen angebliche „Nato-Kriegstreiber“ zum Ausdruck komme. Die herkömmlichen Montagsdemos befassten sich mit sozial- und umweltpolitischen Themen, sagt er. Die Initiatoren der neuen Montagsdemos verbreiteten „krude rechte Verschwörungstheorien“ und zögen „keinen klaren Trennungsstrich zu ultrarechten, faschistoiden und faschistischen Personen und Gruppierungen“.
Auf dem Potsdamer Platz erschien am Montag auch der Berliner NPD-Vorsitzende Sebastian Schmidtke mit einer Handvoll Anhänger. Nicht alle Demonstranten störte das: „Die haben ein Recht, hier zu sein“, sagte eine etwa 50-jährige Frau. Andere auf dem Platz waren schockiert, als sie von der Anwesenheit der NPD-Leute erfuhren.
Es war an diesem Montag eine bunte Mischung aus linken und rechten Demonstranten auf dem Potsdamer Platz. Verschwörungstheoretiker, Familien mit Kindern, Professoren und Studenten haben sich eingefunden. Einige Demonstranten gehen offenbar handwerklichen Berufen nach, sie waren im Blaumann zur Kundgebung gekommen. Es soll ja auch Spaß machen, es wurde viel gelacht, beim Wort „Frieden“ kam Stimmung auf. Ein paar junge Männer trugen selbstgebastelte Pickelhauben aus Alu-Folie und verteilten blaue Sticker mit einer weißen Friedenstaube. Auf dem Podium wurde russisch gesprochen, Russland sei ein befreundetes Volk und stehe auch für den Frieden ein: Erneuter Jubel.
Ex-RBB-Journalist Ken Jebsen gilt als Gesicht der Bewegung
Zu den Aktivisten der neuen Montagsdemos zählt der Leipziger Publizist Jürgen Elsässer, Leiter des „Compact Magazins für Souveränität“, das sich als „neues Debattenmedium“ versteht, aber auch mal homophobe Konferenzen zur „Wahrung der traditionellen Familie“ organisiert. Gegenüber dem Tagesspiegel bittet Elsässer darum, ihn als „Putin-Versteher“ zu bezeichnen, und distanziert sich von rechtem Gedankengut: „Nicht links, nicht rechts, sondern vorwärts“, sei seine Parole.
Der ehemalige RBB-Journalist Ken Jebsen gilt als Gesicht der Berliner Bewegung. Von Jebsen wurden 2011 antisemitische Äußerungen bekannt, danach trennte sich der RBB von ihm. Er selbst sieht sich als „unbequemen Journalisten“, der „harte Themen nicht im Giftschrank“ lagere. Nun möchte er jeden Montag für den Frieden demonstrieren.
Der gemeinsame Feind USA und der Hass auf „gleichgeschaltete Journaille“ tauchen immer bei diesen Montagsdemos auf. Vor Ostern wurden deutsche Redaktionen mit immergleichen Kommentaren und Leserbriefen überflutet. Sie werfen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und führenden Zeitungen in Deutschland eine voreingenommene Berichterstattung über die Ukraine-Krise vor. Die Journalisten hätten „Blut an den Händen“, hieß es in einem Aufruf im Internet. Vor den Osterfeiertagen fluteten sie die Facebook-Präsenz des Tagesspiegel mit hunderten von Kommentaren: „Warum wird zum Zwecke eines neuen Weltkriegs systematisch gegen Russland gehetzt?“, lautete eine vielfach wiederholte Formel. Wer die Textbausteine lieferte, ist nicht klar. Mittlerweile ist dieser digitale Shitstorm abgeebbt. Die Macher der Demos kündigen dagegen Regelmäßigkeit bei ihren Aktionen an.