Le: Wo die Gewalt wohnt: NPD-Kandidaten werden attackiert

Laut NPD eine Farbbombe gegen die WohnzimmerscheibeFoto: NPD
Erstveröffentlicht: 
21.04.2014

Angesichts der Gewaltbereitschaft, die bei Neonazis in Leipzig und Sachsen seit Jahrzehnten nicht nur existiert, sondern sich über die Jahre in Übergriffen auf andere Menschen manifestiert hat, steht man wirklich kurz vor der Frage: Berichten oder bleiben lassen? Aber Gewalt bleibt Gewalt. Auch Neonazis mit einem gehörigen Gewaltpotenzial müssen sich auf den Rechtsstaat verlassen können. Ganz gleich, wie sie ihn selbst sonst sehen.

 

Parteisprecher Jürgen Gansel ist erregt. Wiederholt ereigneten sich in den vergangenen Wochen im Raum Leipzig Anschläge gegen NPD-Mitglieder. Unter anderem ging der Pkw von Landesvize Maik Scheffler in Flammen auf. Gansel spricht mittlerweile von „Anschlagsserie“ und fühlt sich von der Polizei allein gelassen. Deshalb organisieren die Partei nun „Selbstschutz“ für die Kameraden. Der Staat wolle die Rechten - so Gansels Lesart - nicht schützen. Der Presse wirft der NPD-Mann Verharmlosung vor. Aus dem vorbestraften früheren Lok-Hooligan Enrico Böhm wird in der Mitteilung zu einem Angriff auf seine Wohnung ein unbescholtener Vater eines fünfjährigen Sohnes.

Mal ausdrücklich an dieser Stelle: Der am heutigen 21. April 2014 um 1.48 Uhr stattgefundene „Farbbombenanschlag“ auf die Wohnung Böhms (laut Darstellung der NPD) ist zu verurteilen. Gewalt war und ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Warum sich diejenigen, die Böhm attackierten, hier auf eine Stufe mit Rechtsradikalen stellen, bleibt deren Geheimnis. Möge die Polizei sie finden. Gansel hingegen wittert bereits eine staatliche Verschwörung, denn die Polizei benötigt seiner Meinung nach zu viel Zeit für die Ermittlungen. Eine Erfahrung, die so manchem Opfer rechter Gewalt in Sachsen bekannt sein dürfte, wenn es um Ermittlungen im radikalen Milieu geht.

 

Für Jürgen Gansel offenbar eine neue Erfahrung. Vielleicht stellt er nun selbst fest: An dem Gerücht, der Polizei fehlen Personalstellen, könnte ein Fünkchen Wahrheit dran sein. Gekümmert hat die brisante Thematik den NPD-Mann in seiner Landtagsarbeit bislang nicht wirklich, die Themen Asylbewerber und Islam waren wichtiger. Für Gansel sind die fehlenden Ermittlungsergebnisse der Polizei Zeichen einer Verschwörung. „Trotz der Tatsache, dass es sich um den zehnten Anschlag in Serie seit Beginn des Leipziger Kommunalwahlkampfes handelt (insgesamt vier Brandanschläge auf Fahrzeuge der NPD-Stadtratskandidaten sowie sechs Farbanschläge auf deren Wohnungen), verharmlost die Leipziger Polizei und die regionale Presse diese Taten lediglich als Sachbeschädigungen“, beschwert sich der Rechtspropagandist.

Bislang waren es Sachbeschädigungen, bevor es vergangene Nacht den Stadtratskandidaten Böhm traf, der die Bettruhe nach NPD-Darstellung nicht im Schlaf- sondern im Wohnzimmer gefunden haben soll. Jetzt wird auch berichtet, denn egal von wem gegen wen – Gewalt ist keine Lösung. Dass sich die Täter dabei auf eine Auseinandersetzungsstufe mit rechten Schlägern begeben, lässt nur verständnisloses Kopfschütteln zu. Jürgen Gansel scheint wenige Stunden nach dieser Tat die Angreifer bereits zu kennen. Es müssen Leute aus dem Umfeld von Linken-Stadträtin Juliane Nagel sein. Die sind es doch immer?

Gansel spricht von „linksterroristischen Banden“, ganz im Idiom der Weimarer Republik, und fordert – zu Recht – Aufklärung durch die Polizei. Diese wird sicher stattfinden, soweit dies möglich ist. Denn sogenannte „geschlossene, radikalisierte Szenen“ haben eines gemeinsam – ihre Mitglieder packen nicht aus.