Die Nato macht Ernst: Wegen der Eskalation in der Ukraine verstärkt das Bündnis seine Truppen in Osteuropa - zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Deutschland beteiligt sich mit einem Schiff und sechs Kampfflugzeugen.
Brüssel - Die Nato verstärkt angesichts der Ukraine-Krise ihre militärische Präsenz in den östlichen Staaten des Bündnisses. Innerhalb der kommenden Tage werde es eine Verlegung von Luft-, See- und Landstreitkräften geben, sagt Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel. "Falls nötig, werden in den kommenden Wochen und Monaten weitere Maßnahmen folgen."
Kampfjets der Militärallianz würden verstärkt Einsätze über den baltischen Staaten fliegen sowie Schiffe in die Ostsee und das östliche Mittelmeer verlegt werden. Außerdem solle die Verteidigungsbereitschaft durch Manöver und Training gestärkt werden, sagte Rasmussen nach Beratungen mit den Nato-Botschaftern. Es sei aber keine Entscheidung über die Errichtung von dauerhaften Stützpunkten in osteuropäischen Nato-Ländern gefallen.
Allerdings machte der Nato-Generalsekretär keine Angaben zur Zahl der Soldaten, die in die östlichen Nato-Länder geschickt werden.
Deutschland wird sich zunächst mit einem Schiff und sechs Kampffliegern an der Verstärkung der Nato-Präsenz in den östlichen Bündnisstaaten beteiligen. Das bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Der Tender "Elbe" mit rund 45 Soldaten Besatzung soll ab Ende Mai ein Minenräum-Manöver in der Ostsee leiten. Bis zu sechs Kampfflieger vom Typ "Eurofighter" sollen sich ab September für vier Monate an der Luftraumüberwachung über dem Baltikum beteiligen. Ob Deutschland darüber hinaus zur stärkeren Nato-Präsenz im Osten beitragen wird, blieb zunächst unklar.
Die Luftraumüberwachung über dem Baltikum wurde damit von bisher vier auf zehn Flieger aufgestockt. Im September soll die deutsche Luftwaffe die Aufgabe zusammen mit Portugal übernehmen. Das Manöver in der Ostsee war bereits seit längerem geplant, bekommt aber durch die Ukraine-Krise eine besondere Bedeutung. An der Übung unter deutscher Führung sollen insgesamt fünf bis sechs Schiffe teilnehmen.
Das Militärbündnis reagiert mit der Stärkung der Streitkräfte auf Bitten der baltischen Mitglieder Litauen, Lettland und Estland - einstige Sowjetrepubliken - sowie Polens und Rumäniens. Russland hat an der Grenze zur Ukraine nach Angaben der Nato Zehntausende Soldaten zusammengezogen.
"Anti-Terror-Einsatz" stockt
Das Militärbündnis macht Russland für die Übergriffe prorussischer bewaffneter Einheiten im Osten der Ukraine verantwortlich. Diese besetzen in mehreren Städten seit Tagen öffentliche Gebäude, darunter auch Polizeiwachen. In der Gebietshauptstadt Donezk übernahmen am Mittwoch Maskierte gewaltlos den Stadtrat. Sie fordern Autonomie für ihre Region.
In anderen Städten der Region bildeten sich Bürgerwehren. Sie wollten die Sicherheitskräfte der Führung in Kiew unterstützen und sich gegen die Separatisten verteidigen. Die Ausrufung eines Ausnahmezustands im Osten lehnte Verteidigungsminister Michailo Kowal ab.
Der "Anti-Terror-Einsatz" der ukrainischen Regierung gegen die prorussischen Separatisten, der am Dienstag begann, geriet am Mittwoch massiv ins Stocken. In den Städten Kramatorsk und Slawjansk liefen Regierungseinheiten mit bis zu zehn gepanzerten Fahrzeugen zu den Moskau-treuen Kämpfern über. Die Soldaten fuhren durch die beiden Städte rund 80 Kilometer nördlich der Gebietshauptstadt Donezk.
Merkel lobt ukrainische Führung
Die Bundesregierung lobte ausdrücklich das Vorgehen der Führung in Kiew gegen prorussische Kräfte in der Ostukraine. "Aus unserer Sicht hat sich die ukrainische Regierung in dieser Krise bisher sehr besonnen und zurückhaltend verhalten", sagte Vizeregierungssprecher Georg Streiter. "Klar ist, dass die ukrainische Führung natürlich die gewaltsame Übernahme von Polizeistationen oder andere Infrastruktur durch Gewalttäter nicht hinnehmen kann."
Kanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstagabend mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert. Sie hoffe durch den Ukraine-Vierergipfel an diesem Donnerstag auf Impulse für eine Lösung, sagte Streiter. Das Gespräch könne ein "erster Schritt dazu (sein), wieder eine geordnete Situation in der Ukraine herzustellen". An dem Treffen in Genf nehmen die Außenminister aus Russland, der Ukraine und den USA sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton teil.