Rundumüberwachung der Polizei: Demonstranten im falschen Film

Erstveröffentlicht: 
12.04.2014

Auf Demonstrationen darf die Polizei weiter mit der Kamera aufnehmen. Schließlich nütze das auch den Teilnehmern, urteilt das Landesverfassungsgericht.

 

Die Polizei darf weiter Großdemonstrationen filmen: Das Landesverfassungsgericht wies am Freitag eine Klage von Grünen, Linken und Piraten ab. Nach Ansicht der meisten Richter wird das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit durch die Kameraüberwachung nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt.

Die Koalition aus SPD und CDU hatte im vergangenen Jahr das Versammlungsgesetz geändert und die Aufnahmen dort erlaubt. Vorher hatte die Polizei jahrelang ohne Erlaubnis gefilmt, was das Verfassungsgericht im Sommer 2010 für unzulässig erklärt hatte. Jetzt heißt es in dem Gesetz, die Polizei dürfe Übersichtsaufnahmen machen, wenn es „wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit“ einer Demonstration „zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes erforderlich ist“. Zwischen Mai 2013 und Februar 2014 war das dreimal der Fall. Laut Gesetz darf die Polizei nur im Weitwinkel die ganze Straße filmen, ohne zu zoomen; die Aufnahmen dürfen nicht zur Erkennung einzelner Demonstranten genutzt werden, und sie dürfen nicht gespeichert werden, sondern werden per Funk zur Einsatzzentrale übertragen und dort auf einem Bildschirm angezeigt.

Laut dem Gericht greift die Polizei damit in das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit ein, weil die Aufnahmen abschreckend wirken. In dem Urteil heißt es: „Wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten.“ Und die Aufnahmen schränken nicht nur den Einzelnen ein, sondern auch die Gesellschaft insgesamt – weil das Demonstrieren in der Öffentlichkeit „eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens ist“.

Andererseits verfolge die Polizei mit den Aufnahmen einen legitimen Zweck, so das Gericht: nämlich die „effiziente Lenkung und Leitung von Polizeieinsätzen bei großen oder unübersichtlichen Versammlungen“. Davon würden auch die Demonstranten profitieren, weil es ja schließlich die „Aufgabe der Polizei ist, die Ausübung des Grundrechts, sich frei und friedlich zu versammeln, zu gewährleisten und zu schützen“. Sprich: Es mag sein, dass die Demonstranten keine Überwachung wollen und davon eingeschüchtert werden – aber es passiert ja nur zu ihrem Besten.

Einer der neun Richter hat ein abweichendes Votum abgegeben: Meinhard Starostik, den die Piratenfraktion nominiert hatte. Als Anwalt hatte er 35.000 Kläger gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten – und gewonnen. Starostik weist auf die „Gefahr des Missbrauchs“ der Bilder etwa „durch politische Gegner oder ausländische Nachrichtendienste“, die die Aufnahmen abfangen können – denn eine Verschlüsselung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Im Ergebnis kommt er zu einer anderen Abwägung als seine Richterkollegen: dass durch die Aufnahmen so stark in die Grundrechte der Demonstranten eingegriffen wird, dass dies nicht mehr zu rechtfertigen ist.