Verbotsverfahren: NPD-Spitze wirft Neonazi Wulff aus dem Amt

Erstveröffentlicht: 
10.04.2014

Die NPD-Führung versucht vor dem Verbotsverfahren aufzuräumen: Die rechtsextreme Partei hat Thomas Wulff, bisher Hamburger Landeschef, mit sofortiger Wirkung des Amtes enthoben. Er hatte sich auf einem Parteitag als Nationalsozialist bezeichnet.

 

Von Christina Hebel

 

Berlin/Hamburg - Thomas Wulff, einer der bekanntesten Akteure der rechtsextremen Szene in Deutschland, ist nicht mehr NPD-Landeschef in Hamburg. Er wurde vom NPD-Bundesvorstand mehrheitlich "mit sofortiger Wirkung" seines Amtes enthoben. Wulff darf zudem seine Mitgliedsrechte nicht mehr ausüben.

 

Die offizielle Begründung: Wulff habe "wiederholt und schwerwiegend gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen". Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE geht es um einen Vorfall auf dem Hamburger Landesparteitag vor etwa vier bis fünf Wochen, bei der der bisherige Vizelandeschef zum Vorsitzenden gewählt wurde. Auf der Parteiveranstaltung nannte er sich Nationalsozialist.

 

Wulff bestätigt dies auf Anfrage: "Ja, ich habe mich in meiner Vorstellungsrede als Nationalsozialisten bezeichnet. Die Leute müssen wissen, wo ich zu verorten bin." Der Rechtsextremist gilt als Bindeglied der NPD in die radikale Kameradschaftsszene. Er ist wegen Volksverhetzung vorbestraft. 2008 wurde Wulff bei der Beerdigung des Alt-Nazis Friedhelm Busse festgenommen, weil er eine Hakenkreuz-Flagge auf dessen Sarg legte.

 

Wesensverwandtschaft mit NSDAP

 

Wulffs Äußerung kommt für die NPD-Spitze mehr als ungelegen. Das zeigt auch die Formulierung in einer Pressemitteilung, wonach die Führung der rechtsextremen Partei "sofortigen Handlungsbedarf" gesehen hat.

 

In den kommenden Wochen wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob es den neuen Verbotsantrag des Bundesrats zulassen wird. Und der ist - anders als der erste Antrag von 2003 - "weitaus fundierter", wie führende Funktionäre zugeben. In dem Schriftsatz attestieren die Bundesländer der NPD unter anderem eine Wesensverwandtschaft mit der NSDAP: Die NPD-Ideologie sei weitgehend identisch mit den Lehren des Nationalsozialismus. Es ist eines der Hauptargumente für ein Verbot der rechtsextremen Partei, das Wulff durch seine Aussage nun befeuert.

 

Wulff spricht von einer "Panik" im Vorstand. Er habe nie ein Geheimnis aus seiner Einstellung gemacht, sagt Wulff, der sich - in Anlehnung an den Namen eines berüchtigten Waffen-SS-Generals - "Steiner" nennt.

 

Wulff ist seit 2004 Mitglied in der NPD. Damals schloss er eine strategische Allianz mit dem damaligen Parteichef Udo Voigt. Unter dem Motto "Volksfront von rechts" zog er Hunderte Mitglieder der Kameradschaftsszene mit in die NPD. "Wir hatten damals eine Vereinbarung für die Zusammenarbeit, die meiner Meinung nach bis heute gilt: Dass diejenigen, die sich als Nationalsozialisten bezeichnen, einen Platz in der NPD haben, wenn sie sich an Satzung und Programm der Partei halten." Was Wulff allerdings nicht sagt: Er hatte den Volksfront-Pakt wenige Jahre später nach Streitigkeiten aufgekündigt.

 

Im Vorstand betont man, dass Wulff sich nicht privat, sondern auf einer Parteiveranstaltung geäußert habe. Dieses sei nicht zu dulden. Wulff sieht sich dagegen als Opfer, er hatte an der Sitzung am Wochenende in Berlin teilgenommen. Es werde versucht alte Rechnungen von dem einen oder anderen im Vorstand zu begleichen, sagt er. "Ich habe den Finger immer wieder in die Wunde gelegt - das gefällt auch dem aktuellen Übergangsvorsitzenden Pastörs nicht."

 

"Trümmertruppe von Unfähigen und asozialen Selbstbedienern"

 

In der Tat gilt Wulff in der Spitze als Querulant. Auch wenn er nicht mehr über den Einfluss von früher verfügt, legte er sich doch wiederholt öffentlich mit der NPD-Führung an. Im Oktober leitete der Vorstand bereits ein Ausschlussverfahren gegen Wulff ein - vor allem Ex-Parteichef Holger Apfel wollte einen seiner hartnäckigsten Kritiker loswerden. Wulff hatte Apfel und führende Kader "eine Trümmertruppe von Unfähigen und asozialen Selbstbedienern" genannt.

 

Passiert ist dann aber erst mal nichts, auch weil Apfel nach Vorwürfen, er solle junge Männer belästigt haben, im Dezember sein Amt niederlegte und aus der NPD austrat. Im Januar tauchte Wulff dann für viele überraschend sogar am Bundesparteitag im thüringischen Kirchheim auf, um, wie er sagt, Pastörs als Europaspitzenkandidaten zu verhindern. In der Tat verlor dieser dann die Kampfkandidatur gegen Voigt, der nun den Europawahlkampf führt.

 

Angesichts von Wulffs ständigen Störfeuern und des Verbotsverfahrens hätte es manch einer in der NPD-Spitze gern gesehen, wenn er in die Nazi-Partei Die Rechte gewechselt wäre. Diese wird von seinem langjährigen Weggefährten Christian Worch geleitet. Wulff war in den vergangenen Monaten bei Veranstaltungen von Die Rechte aufgetreten - sehr zum Unmut führender Funktionäre.

 

Doch von allein gehen will Wulff nicht: "Ich wechsle doch nicht gleich - zumindest erst einmal." Er will nun entscheiden, ob er Einspruch gegen die Entscheidung der NPD-Führung einlegen und sich in dem ebenfalls eingeleiteten Schiedsgerichtverfahren gegen ihn äußern will. Er hat 14 Tage Zeit.