Am vergangenen Freitag (28. März) wurde die Kameradschaft „Nationale Sozialisten Chemnitz“ (NSC) nach dem Vereinsgesetz verboten. Damit verschwindet bis auf Weiteres eine der aktivsten sächsischen Nazigruppen außerhalb der NPD von der Bildfläche. Zur Umsetzung der Verfügung, die bereits mehr als eine Woche vorher ausgefertigt worden war, durchsuchte die Polizei mit 120 Beamten insgesamt 15 Wohnungen sowie einen Szenetreff in der Markersdorfer Straße.
Den NSC werden mehr als 30 Personen zugerechnet. Unter ihren 14 „Kernmitgliedern“, die den 56-seitigen Verbotsbescheid zugestellt bekamen, befinden sich ihre Anführer Eric Fröhlich, Maik Arnold und Sandra Bendel. Die Verfügung richtet sich auch namentlich gegen Nico Tetzner. Er ist in dieser Hinsicht Wiederholungstäter, denn er war bereits 2007 vom Verbot der Kameradschaft „Sturm 34“ betroffen. Mit dabei ist auch Benedikt Bandura, der bis dato den „Nationalen Sozialisten Rhein-Main“ und dem „Freien Netz Hessen“ zugerechnet wurde.
Klar ist nun, dass die Ausdehnung der NSC weit über das Chemnitzer Stadtgebiet hinausging: In führender Rolle beteiligt waren mit Marcus Melzer und Falk Baumgartl zwei Erzgebirgler aus Lugau beziehungsweise Oelsnitz.
Verbot mit heißer Nadel gestrickt
Es handelt sich um das vierte Verbot eine Nazigruppierung in Sachsen im Sinne des Vereinsgesetzes. Zuvor waren die „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS, 2001), die Kameradschaft „Sturm 34“ (2007) sowie die „Nationalen Sozialisten Döbeln“ (NSD, 2013) abgeräumt worden. Über die Effektivität der Maßnahmen kann gestritten werden: Die SSS-Nachfolgestrukturen blieben noch jahrelang aktiv. Bei „Sturm 34“ wurde erst nach einer langen Serie von Gewalttaten durchgegriffen, die auch den Raum Chemnitz betrafen. Das Verbot der NSD schließlich gilt als eher symbolischer Akt, denn zu dem Zeitpunkt war die Gruppierung kaum mehr aktiv.
Auch das Verbot der NSC kann auf einen Handlungsdruck zurückgeführt werden, der seitens der Behörden nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) entstanden war. Obwohl die NSC bereits seit Mitte der 2000er die Öffentlichkeit suchten, beginnt die Aufzählung ihrer Aktivitäten im Verbotsbescheid erst mit dem Jahr 2011. Offenbar hatte das Landesamt für Verfassungsschutz damals begonnen, im großen Stil Telefongespräche der Kameradschafts-Mitglieder abzuhören. Auf diesen so genannten G-10-Maßnahmen basieren wesentliche Erkenntnisse, die der Gruppierung nun zur Last gelegt werden.
Wohlgemerkt befinden sich unter den Erkenntnissen, die das LfV sammeln, unter dem Briefkopf des Innenministeriums notieren und vom Landespolizeipräsident Rainer Kann unterschreiben ließ, auch ausgemachte Banalitäten: Zur „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ wird etwa gezählt, dass die NSC-Mitglieder an „Sonnenwendfeiern“ teilnahmen. Als Beleg für ein „aggressiv-kämpferisches“ Auftreten werden Floskeln wie „Freiheit wird erkämpft“ oder „Gewalt erzeugt Gegengewalt“ gewertet. Zudem würden mehrere NSC-Mitglieder an Boxtrainings teilnehmen.
Ist die Liaison von NSU und NSC keiner Rede wert?
Verwunderlich ist, dass dem NSU und der Verbindung einiger NSC-Mitglieder in das Unterstützerumfeld der Rechtsterroristen kein einziges Wort gewidmet ist. Dabei gibt es hierfür stichhaltige Anhaltspunkte. So war der NSC-Kader Eric Fröhlich im Jahr 2000 an einem „Konditionsmarsch“ der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ (WBE) beteiligt. Mit dabei waren die „Blood & Honour“-Größen und mutmaßlichen NSU-Unterstützer Thomas Starke (jetzt: Müller) und Andreas Graupner, bei einer unmittelbar anschließenden Feier auch Jan Werner.
Die Veranstaltung wurde freilich observiert: Bei einem damals nicht identifizierten Teilnehmer ist das LfV später davon ausgegangen, dass es sich um den untergetauchten Uwe Mundlos gehandelt haben könnte.
Zur WBE gehörte der derzeit in München angeklagte André Eminger. Sein Zwillingsbruder Maik Eminger bewegte sich zumindest in den Jahren 2006 und 2007 im direkten Umfeld der NSC, auch mit ihm war Fröhlich bekannt. Darüber hinaus hatte Fröhlich spätestens im Jahr 2011 zu dem ebenfalls angeklagten Ralf Wohlleben häufigen Kontakt.
Der jetzt vom NSC-Verbot betroffene Jörg Endesfelder war im Jahr 2001 Mitgründer des Vereins „Heimatschutz Chemnitz“. An seiner Seite engagierte sich Ralph Hofmann, der von Insidern zum NSC-Umfeld gerechnet wird. Hofmann steht im Verdacht, dem NSU einen Personalausweis überlassen zu haben, den er „verloren“ haben will. Doch auf seine Personalien wurde 1999 eine konspirative Wohnung in der Chemnitzer Cranachstraße angemietet, in der sich der NSU unter anderem ein Nachtsichtgerät liefern ließ.
Namhafte Unterstützer bleiben unbehelligt
Schließlich wäre da noch Yves Rahmel, der Betreiber des bekannten Chemnitzer Rechtsrock-Labels „PC Records“: Anfang 2011 fand bei ihm eine Durchsuchung wegen des Albums „Adolf Hitler lebt“ der Naziband „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ statt. Darauf enthalten ist das Musikstück „Dönerkiller“, in dem die Ceska-Mordserie besungen wird – lange, bevor die Öffentlichkeit etwas über den NSU wusste. Rahmel hat dem NSC den Szene-Treffpunkt Markersdorfer Straße 40 zur Nutzung überlassen. Mit Sven Willhardt und Thorsten Schröter wohnen dort sogar zwei NSC-Mitglieder.
Darüber hinaus fungierte Rahmel als Anmelder der – nun gesperrten – NSC-Website „5maerz.de“, die zur Bewerbung des jährlichen „Trauermarsches“ genutzt wurde. Dennoch ist der Förderer Rahmel nicht selbst vom Verbot betroffen. Auch nicht der früher in Leipzig aktive Patrick Fischer, obwohl dessen Website „Mauerblümchen“ explizit den NSC zugerechnet wird.
Der Bescheid unterschlägt auch weitere aufschlussreiche Querverbindungen des NSC in der extremen Rechten: Sei es Fröhlichs Kooperation mit dem Salonfaschisten Felix Menzel („Identitäres Zentrum“ Dresden), sei es Fröhlichs und Endesfelders Engagement im völkischen „Volkstanzkreis Cossen“. Das ist gewiss einschlägiger als irgendeine „Sonnenwendfeier“.
Wenig glaubhafte Distanzierung der NPD
Die Reaktionen der Naziszene auf das Verbot sind bislang verhalten. Der NPD-Kreisverband Chemnitz hat sich prompt distanziert, denn man habe „nichts mit diesen ‚nationalen’ Gruppierungen zu tun“. Maik Scheffler dagegen mag zwar nicht von einer Distanzierung sprechen, behauptet aber gleichfalls, dass diese „Kameraden nichts mit der NPD zu tun“ hätten.
Beide Erklärungen sind falsch: Der Verbotsbescheid wurde mit Sven Willhardt – auch er ist ein früherer Bekannter von Thomas Starke und André Eminger – auch dem einstigen NPD-Kreisvorsitzende zugestellt. Und die „Kameraden“, die der jetzige NPD-Landesvize Scheffler meint, waren jahrelang unter seiner Führung im „Freien Netz“ organisiert und haben schon da eng etwa mit den „Jungen Nationaldemokraten“ zusammengearbeitet. Beispielsweise kam es Anfang 2009 zu einer gemeinsamen Saalveranstaltung von NSC und JN. Den Einführungsvortrag hielt „Kamerad Eric“ – und zwar im Namen der JN und in Anwesenheit des jetzigen NPD-Parteichefs Udo Pastörs.
Es bleibt zudem abzuwarten, ob die bisherigen NSC-Kader in der JN aufgefangen werden. Genau so lief es jedenfalls mit früheren Mitgliedern der „Nationalen Sozialisten Döbeln“, die vor gut einem Jahr verboten wurden. Außerdem macht sich zunehmend das bayrische „Freie Netz Süd“ (FNS) im sächsischen Vogtland breit, für den 1. Mai ist ein Aufmarsch in Plauen geplant. Das seinerseits verbotsbedrohte FNS setzt daher auf eine eigene Kleinstpartei, den „III. Weg“. Vorderhand können die NSC-Mitglieder auch Rechtsmittel gegen das Verbot einlegen.