Krieger ganz menschlich

Erstveröffentlicht: 
01.04.2014

Königsbronner Gespräche von Reservistenverband & Co: Ministerin von der Leyen entwirft Zukunftsbild der Truppe mit vielen Frauen. Weiter intensive Armeewerbung an SchulenVon Jana Frielinghaus

 

Etwa 120 Menschen hatten sich am Wochenende im baden-württembergischen Königsbronn versammelt, um unter dem Motto »Ihre ›Sicherheit‹ bedeutet Krieg« gegen ein Treffen von Militärs und Militärlobbyisten zu protestieren. Bis in den Tagungsraum seien »Soldaten-sind-Mörder«-Rufe zu hören gewesen, berichtete die Korrespondentin der Schwäbischen Zeitung.

Dort, in der alten »Hammerschmiede«, waren auf Einladung des Bundeswehrverbandes und des Reservistenverbandes hochrangige Vertreter der Truppe und der deutschen Armee verbundener Bildungseinrichtungen zusammengekommen. Sie diskutierten unter anderem darüber, wie diese für Frauen attraktiver gemacht und wie die Bevölkerung vor »Cyberattacken« geschützt werden könne. Zu den von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter initiierten dritten »Königsbronner Gesprächen« (siehe dazu auch jW vom 26.3.) war neben Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und dem Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), auch die Generalstabsärztin Erika Franke angereist.


Um die »menschliche Seite der Sicherheitspolitik« sei es gegangen, ließen Bundeswehr- und Reservistenverband in einer gemeinsamen Pressemitteilung wissen. Die Ministerin ging demnach auf die Attraktivität des »Dienstes« für junge Leute ein. »Wir haben eine ›Generation Y‹. Junge Leute, die sich eine gute Balance aus Arbeiten und Leben wünschen«, erklärte sie – und sprach darüber, daß auch bei der Bundeswehr gesichert sein müsse, daß deren Angehörige sich um Kinder, aber auch um ihre »alternden Eltern« kümmern können. »Wenn Soldaten nicht trotz, sondern wegen der Bundeswehr für ihre Familien da sind, dann sind wir sicherheitspolitisch auf einem guten Weg«, sagte die Ministerin. Sie sprach auch vom »Handlungsdruck für die Nachwuchsgewinnung« nach dem Wegfall der Wehrpflicht – die offenbar der Hauptgrund dafür ist, daß die Truppe so sehr um junge Frauen buhlt. Die seien die »große Chance der Bundeswehr«, so von der Leyen. Dieser Einschätzung schloß sich der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant André Wüstner, an: Die Armee müsse »weiblicher« werden, forderte er. Sie habe »gar keine andere Wahl«. Weiter verlangte er mehr öffentliche Informationen über die Vielfalt der Berufe, die man beim Militär wählen könne.

»Cybersicherheit für Bürger und Institutionen« war das große Thema des Abgeordneten und Oberst a.D. Kiesewetter. Wobei es ihm offenbar vor allem um die Sicherheit der Truppe vor der Veröffentlichung von Informationen über deren Wirken etwa im Afghanistan-Krieg ging. Durch die Enthüllungen der Plattform Wikileaks etwa seien »Informanten in Afghanistan in Lebensgefahr« geraten, da »ihre Daten publik wurden«. Die Politik, kritisierte der CDU-Mann, konzentriere sich noch immer vor allem auf den Schutz individueller Daten und nicht auf den der »kritischen Infrastruktur«.

Unterdessen zeigt die Antwort auf eine kleine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, daß die Truppe weiter intensiv um Jugendliche wirbt. Wie Jelpke am Montag mitteilte, hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr mehr als 400000 Kinder und Jugendliche »auf dem Schulgelände agitiert«. Die Bildungseinrichtungen würden damit »nach wie vor für Propaganda- und Rekrutierungszwecke mißbraucht«, erklärte die Politikerin. Die Karriereberater der Armee hätten trotz eines Rückgangs der Jahrgangsstärken »ihre Einsatzzahlen aus dem Jahr 2012 beibehalten«. 26000 Kinder und Jugendliche hätten 2013 Kasernenbesuche mitgemacht. Außerdem sei die Bundeswehr auf 600 Ausstellungen, Jobmessen, Projekttagen und ähnlichen Veranstaltungen an Schulen beteiligt. Etwas weniger erfolgreich seien lediglich die Jugendoffiziere gewesen, die mit 117000 Schülern rund 23000 weniger erreicht hätten als im Jahr zuvor. Jelpkes Resümee: Die Bundeswehr setze weiter darauf, »in der Regel minderjährige Schüler anzusprechen«. Dies sei eine »grobe Mißachtung des Neutralitätsgebotes, dem Schulbildung unterliegt«. Schulen dürften nicht zu »Propagandaanstalten des Militärs umgewidmet werden«, forderte die Abgeordnete.