Rücksicht, Draufsicht, Aussicht – Für eine Politisierung in Connewitz!

Steffan Klatt (47), Karin Wöbbeking (45) und Rüdiger Kunath (52) vor dem Polizeiposten in der Wiedebach-Passage Foto: Silvio Bürger

Mit der Veranstaltung „Gefährliches Connewitz?“ am 27. März 2014 im Saal des UT Connewitz haben wir unter der Devise „Für das Politische!“ einen weiteren Schritt zur Versachlichung der Diskussion um den seit Anfang Februar bestehenden Polizeiposten in der Wiedebach-Passage getan. Dazu luden wir den Sozialforscher Dr. Dr. Peter Ullrich ein, der seine Schlussfolgerungen zum Phänomen der polizeirechtlichen „Konstruktion gefährlicher Orte“ darlegte.

 

Zusammenfassend wird an Orten wie dem Connewitzer Kreuz oder dem neuen Polizeiposten der Tatverdacht durch einen räumlich umgrenzten Generalverdacht ersetzt. Die sichtbare Auswirkung sind permanente Eingriffe in die Grundrechte der sich hier aufhaltenden Menschen. Auf der Metaebene ist dies Ausdruck einer neoliberalen Politik, die soziale Probleme nicht nur als unveränderlich hinnimmt, sondern den Betroffenen ein Selbstverschulden für ihre Lebenslage vorwirft. Einhergehend mit anhaltender Stigmatisierung hier lebender Bevölkerungsgruppen wird sozialpolitisches Handeln durch rein repressive polizeiliche „Prävention“ ersetzt.

 

Anhand der Darstellungen von Ullrich versuchte unserer Referent anschließend, die wechselhafte Geschichte des Stadtteils im zurückliegenden Vierteljahrhundert zu erläutern. Dabei wurde genauer betrachtet, wie Kommune und lokale Polizeibehörde sowie deren Dienstherrin, das sächsische Innenministerium, gegenüber den Bewohner_innen und Akteur_innen in Connewitz agierten. Abschließend wurde der Bogen zu aktuellen Geschehnissen mit Komplexkontrollen, Observationen und dem Polizeiposten gezogen.

 

Leider ging die beabsichtige Zusammenführung anhand der Datenfülle etwas unter, was in der Publikumsdiskussion deutlich wurde. Die zum Teil kontrovers geführt Debatte verharrte zwischen oft fatalistischen Situationseinschätzungen und deutlicher Kritik am Polizeiposten – ebenfalls ohne Aussicht auf Veränderung. Einen bühnenreifen Höhepunkt lieferten einzelne Besucher_innen, die sich über die die Zerstörung des Bürger_innenamtes echauffierten und Antworten aus dem Publikum und von der Bühne lautstark mit unsachlichen Zwischenrufen quittierten.

 

Nachdem das Eis dadurch gebrochen war, kamen die Wortmeldungen über die Ebene individueller Eindrücke und Meinungen dennoch nicht hinaus. Eine politische Wirkung bzw. die Motivation dafür, 900 Meter entfernt vom nächsten Revier eine Polizeidienststelle zusätzlich einzurichten, wurde kaum thematisiert. Eine gewisse Hilflosigkeit im Umgang mit der gemeinsamen Entscheidung von Stadtverwaltung und Polizei lässt sich nicht verleugnen.

 

Dabei sind die polizeilichen Überwachungs-, Kontroll- und Normierungsmaßnahmen im Stadtteil Connewitz unübersehbar. Trotz der fortgesetzten polizeilichen Videoüberwachung am Connewitzer Kreuz, unzähliger Komplexkontrollen, der erhöhten Präsenz im Stadtteil, des alljährlich überbordenden Polizeiaufgebots und Verkaufsbeschränkungen zu Silvester, Observationen Einzelner durch Peilsender, die versteckte Kamera in der Simildenstraße usw. usf. regt sich kaum öffentlich wirksame Kritik daran. Alle diese „präventiven“ Eingriffe seitens der Polizei werden weiter hingenommen. Der Polizeiposten stellt sich damit als ein weiteres Mittel dar, um staatliche Macht (erfolgreich) zu demonstrieren, um politische Zusammenhänge weiter zu marginalisieren, um „abweichendes Verhalten“ zu verdrängen.

 

Die individuelle Stagnation so vieler Betroffener – möglicherweise ein Gefühl der Ohnmacht, aufgrund erfahrener Repression bzw. der permanent bestehenden Gefahr davor – verstehen wir daher als voranschreitende Entpolitisierung im Stadtteil. In Connewitz zu wohnen, gehört scheinbar mehr und mehr zum “subversiven Chique”.

 

Wir wollen mit Interessierten am Donnerstag, den 10. April 2014 ab 20:00 Uhr in der Gaststätte „Frau Krause“ ins Gespräch kommen und Perspektiven ausmachen, wie wir zukünftig weiter agieren können. Es reicht nicht aus, die Prozesse zu analysieren und die Motivation dahinter herauszuarbeiten. Unser Ziel ist, die Prozesse selbst zu beeinflussen. Damit wollen wir am 10. April beginnen.

Für eine Politisierung in Connewitz! Für das Politische!

 

Mehr Infos unter: http://fuerdaspolitische.noblogs.org/