Zu weit rechts

Erstveröffentlicht: 
27.03.2014

Wahlkampf der AfD-Jugend

 

Von Sebastian Krass

 

Die Veranstalter der Jungen Alternative (JA) betreiben einigen Aufwand für einen Abend mit Nigel Farage. Die Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD) hat für diesen Donnerstag einen Saal in einem großen, nicht ganz billigen Hotel in der Kölner Innenstadt, direkt am Rhein, gemietet. Sie hat ein Online-Anmeldeverfahren eingerichtet, bei dem Interessenten unter anderem die Nummer ihres Ausweises oder Reisepasses angeben müssen. Auch einen Livestream soll es geben. Und das alles für eine Veranstaltung, die die AfD offiziell gar nicht haben will.

 

Farage ist Vorsitzender der United Kingdom Independence Party (Ukip), einer europafeindlichen und rechtspopulistischen Partei aus Großbritannien, zu der die AfD-Spitze auf Distanz geht. (Mehr zur Ukip lesen Sie hier und hier.) Schließlich versucht AfD-Chef Lucke vor der Europawahl am 25. Mai seine Bewegung von solchen Gruppierungen abzugrenzen, zuletzt auf dem Bundesparteitag am vergangenen Wochenende in Erfurt. Nur wenige Tage später konterkariert die JA-Veranstaltung nun dieses Signal.

 

Der Auftritt von Farage bei der JA stehe "im Widerspruch zu einem Beschluss des AfD-Bundesvorstands", teilt Parteisprecher Christian Lüth mit. Über "offizielle Kontakte zu ausländischen Parteien" entscheide "allein der Bundesvorstand", heißt es darin. Und Kontakte zur Ukip sind für Lucke nicht erwünscht.

 

Dumm nur, dass für den Abend mit dem britischen Europagegner auch eine Rede des frisch gewählten AfD-Bundesvorstandsmitglieds Marcus Pretzell angekündigt ist. Der ist zugleich Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen für die Europawahl, nennt Farage per Pressemitteilung einen "schillernden Politiker, der sein Publikum zu begeistern weiß" und kündigt an, mit dem Briten über "die aktuelle Situation der EU zu diskutieren". Ginge es nach Farage, dann würde Großbritannien die EU so schnell wie möglich verlassen.

Pretzells Rede könne intern "für Irritationen sorgen", erklärt Parteisprecher Lüth. Darüber werde womöglich noch zu sprechen sein. Auch AfD-Gründungsmitglied Martin E. Renner soll bei der Veranstaltung sprechen. Er hatte Ende 2013 Farage in Brüssel getroffen, sich mit dem Ukip-Chef auch fotografieren lassen und damit bereits Lucke verärgert. Es sei ja bekannt, sagt der Parteisprecher, dass Pretzell und Renner nicht dem liberalen Flügel der AfD angehörten.

 

Das mit der Abgrenzung nach rechts läuft immer noch längst nicht so, wie Parteichef Lucke es propagiert.

 

Formelle Verbindung von JA und AfD nur noch Frage der Zeit

 

Doch wie bewertet die AfD die Aktivitäten der Jungen Alternative, die von sich sagt, man werde "in einigen Punkten klarer Stellung beziehen als unsere Mutterpartei"? AfD-Sprecher Lüth räumt ein, dass auch bei der JA "die Abgrenzung nach rechts nicht so stark ist".

Offiziell sind beide Vereinigungen zwar noch nicht miteinander verbunden. Die JA bezeichnet sich aber als der AfD "nahe". Die JA-Vorstandsmitglieder seien in der Regel auch AfD-Mitglieder, betont der Bundesvorsitzende Philipp Ritz. Und AfD-Sprecher Lüth erklärt, die formelle Verbindung mit der JA sei nur noch eine Frage der Zeit. Vorher seien "noch Sondierungsgespräche notwendig, um die Ränder zu definieren".

 

Die Definition der Ränder ließe sich beispielhaft an der Besetzung des im Februar neu gewählten JA-Bundesvorstands diskutieren. Denn der stellvertretende JA-Vorsitzende Benjamin Nolte, der auch AfD-Mitglied ist, hat eine Vita, die das Gegenteil einer Abgrenzung nach rechts abbildet. Er ist Mitglied im Altherrenverein der Münchner Burschenschaft Danubia, einem der am weitesten rechts stehenden Bünde der Burschenschaftsbewegung. Der bayerische Verfassungsschutz stuft in seinem an diesem Donnerstag veröffentlichten Bericht für 2013 die Aktivitas, also die noch studierenden Mitglieder, sogar als "rechtsextremistische Organisation" ein. Die Aktivitas agiere "revisionistisch und propagiert einen übersteigerten Nationalismus im völkischen Sinne". Und auch bei denen, die schon länger dabei sind als die noch Studierenden, gibt es eine lange Tradition von Verbindungen nach rechtsaußen. (Über einen Politik-Redakteur des Deutschlandfunks, der Danubia-Mitglied ist, lesen Sie hier.)

 

Nolte selbst hat sich 2009 auf einem Burschenschaftertreffen in Eisenach einen rassistischen Ausfall geleistet. Er soll damals den Mitgliedern eines Bundes, der einen Dunkelhäutigen in seinen Reihen hatte, eine Banane hingehalten haben. Nolte sorgte damit für einen Eklat in der Szene, in der gemäßigte und radikale Kräfte um die Vorherrschaft kämpfen.

 

JA-Vizechef weist Rassismus-Vorwurf zurück

 

Der inzwischen 31 Jahre alte Nolte erklärt dazu, das habe sich zwar nicht ganz so abgespielt, wie es geschildert werde. "Aber ich sage auch, dass es ein Fehltritt unter erheblichem Alkoholeinfluss war. Es war eine unreife, geschmacklose Handlung, von der ich mich mehrfach distanziert habe." Wie das passiert sei, könne er sich im Nachhinein nicht erklären. "Ich bin weder rassistisch noch ausländerfeindlich. Ich bekenne mich ohne Einschränkung zum Grundgesetz."

 

Ihm sei auch bei der Danubia niemand bekannt, der nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. Das politische Selbstverständnis der Danubia beschreibt Nolte so: "konservativ und patriotisch, mit ein paar sehr liberalen Elementen". Deshalb sei auch die Einstufung des bayerischen Verfassungsschutzes falsch. "Es gab in der Vergangenheit ein paar Einzelfälle, aber die wurden aufgeklärt und aus der Welt geschafft." Mit Verweis darauf, dass er zu den Alten Herren und nicht zur vom Verfassungsschutz besonders erwähnten Aktivitas gehöre, betont Nolte: "Ich bin nicht Mitglied einer rechtsextremistischen Organisation."

 

Der JA-Vorsitzende Ritz sieht in Noltes burschenschaftlicher Aktivität kein Problem. "Er hat sich in der Jungen Alternative in keiner Form jemals rassistisch oder ausländerfeindlich geäußert", sagt Ritz. Man beurteile Mitglieder "danach, ob sie sich zum Grundgesetz bekennen". Zu dem Vorfall mit der Banane will Ritz sich nicht weiter äußern.

 

Und was sagt die AfD zum Hintergrund ihres Mitglieds Benjamin Nolte? "Wir müssen noch prüfen, ob die Danubia für uns eine rechtsextremistische Organisation ist", sagt ein Parteisprecher. Grundsätzlich aber sei "die Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Organisation ein Ausschlussgrund".

 

An diesem Donnerstag, das kündigt Benjamin Nolte an, will er sich den Vortrag von Farage und die Reden der zwei AfD-Mitglieder in Köln anhören.

 

Einen Bericht der Wirtschaftswoche über die eigenwilligen Vorschriften, die die Veranstalter des Farage-Abends Berichterstattern machen wollen, finden Sie hier.