Bei den »Königsbronner Gesprächen« geben sich Armeelobbyisten die Klinke in die Hand. Selbst die Berufung auf den Kriegsgegner Georg Elser ist ihnen nicht zu dreistVon Peer HeineltDer Präsident des »Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr« und CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter ist mächtig stolz auf sich: Wie er auf seiner persönlichen Webseite schreibt, haben sich die von ihm an diesem Wochenende zum dritten Mal veranstalteten »Königsbronner Gespräche« mittlerweile »als überregionaler Sicherheitskongreß etabliert«.
Das nach einer zwischen Aalen und Heidenheim in der schwäbischen Provinz gelegenen Ortschaft benannte Treffen soll sich auch dieses Jahr wieder mit »aktuellen Herausforderungen« der deutschen Militärpolitik befassen, weshalb es der Reservistenverband nach eigenem Bekunden schon auf einer Stufe mit der Münchner Sicherheitskonferenz sieht. In der Tat haben sich einmal mehr illustre Gäste angesagt: Erwartet werden unter anderem Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, sowie Hans-Dieter Heumann, der dem zentralen militärpolitischen Think-Tank des Bundes, der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), vorsteht. Gemeinsam will man insbesondere über die »Chancen« diskutieren, die die Rekrutierung von Frauen der Bundeswehr und anderen Repressionsdiensten bieten soll.
Bereits 2013 hatten die geladenen Referenten in der Königsbronner »Hammerschmiede« starke Reden gehalten: Der seinerzeitige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und sein Bruder im Geiste, Erzbischof Robert Zollitsch, brachen gemeinsam eine Lanze für den »Soldatenberuf«, den sie als Dienst an der Gesellschaft verstanden wissen wollten. Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit und Oberst der Reserve, forderte von den hiesigen Massenmedien, sich verstärkt der Militärpropaganda zum Zweck der Nachwuchsrekrutierung zu widmen: »Ich finde, das öffentlich-rechtliche Fernsehen sollte sich zu seinem Auftrag bekennen und entsprechend berichten!« Der Lokalpresse zufolge lauschten 700 Besucher ergriffen.
Warum er ausgerechnet Königsbronn als Veranstaltungsort ausgesucht hat, erläuterte Roderich Kiesewetter in einem Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung. Abgesehen davon, daß der Ort in seinem Wahlkreis liege, wolle er das »Wirken des Königsbronners Georg Elser würdigen«, erklärte der Chef des Reservistenverbandes: »Er hat sich, auf sich allein gestellt, zum Kampf gegen ein verbrecherisches System entschlossen. Außen- und Sicherheitspolitik muß sich immer Werten verpflichtet fühlen, das ist auch Mahnung an unsere heutige Politik.« Der nach eigenem Bekunden mit der KPD sympathisierende Elser, den Kiesewetter ungerührt für seine militaristische Propaganda vereinnahmt, versuchte am 8. November 1939 erfolglos, Adolf Hitler zu töten und wurde am 9. April 1945 im KZ Dachau ermordet. Auf die Frage der Gestapo-Schergen, was ihn zu seinem Attentat bewogen habe, antwortete er mit einem Satz, der an Klarheit nichts zu wünschen übrig läßt: »Ich hab’ den Krieg verhindern wollen.«
Bei dem Mißbrauch eines bekennenden Antifaschisten und Antimilitaristen wollte es Kiesewetter indes nicht bewenden lassen, und so lobte er in dem besagten Interview denn auch die Gegend um Königsbronn als »älteste (s) deutsche (s) Industriegebiet«. Er verschwieg allerdings, daß die Region während des Zweiten Weltkriegs wichtige Rüstungsbetriebe beherbergte, darunter die Schwäbischen Hüttenwerke (SHW) und die Maschinenfabrik Alfing-Kessler. Die Unternehmen beuteten Tausende vornehmlich aus der Sowjetunion deportierte Zwangsarbeiter sowie KZ-Häftlinge aus; die SHW unterhielten für diejenigen, die es an Arbeitseifer fehlen ließen, ein eigenes »Arbeitserziehungslager«. Über die in den Firmen herrschenden mörderischen Bedingungen berichtete ein Zeuge: »Die deutschen Arbeiter bei Alfing wetteten oft untereinander, wie viele Tage der eine oder andere Kranke noch zur Arbeit erscheine«; auch habe man in den Erzstollen der SHW verstorbene Häftlinge »mit dem Erdaushub … auf die Halde gekippt«.
Um dem Geschichtsrevisionismus und dem Militarismus des Reservistenverbandes und seines Präsidenten entgegenzutreten, rufen antifaschistische Gruppen für Samstag zu einer Demonstration in Königsbronn auf. In einer hierzu veröffentlichten Erklärung heißt es: »Die weltweiten militärischen Operationen Deutschlands, die Waffenexporte sowie die Unterstützung diktatorischer Regime und faschistischer Bewegungen im Namen kapitalistischer Interessen müssen ein Ende haben!«
http://demo-koenigsbronn.tk/