Bei der rechten Demonstration gegen «Kuscheljustiz» drohen Ausschreitungen. Samuel Althof, Gewalt- und Extremismusexperte nimmt Stellung.
Interview: Fabian Christl.
Herr Althof, die Stadt Bern hat der Gruppe Stopp Kuscheljustiz die Bewilligung erteilt, um am 29. März eine Kundgebung abzuhalten - ein richtiger Entscheid?
Ja. Auch Personen mit unliebsamen Meinungen haben das Recht, ihre
Positionen kundzutun und zu demonstrieren. Das ist ein grundlegendes
Element unserer Demokratie.
Linke Gruppierungen haben bereits eine Gegendemonstration angekündigt. Ausschreitungen werden kaum zu vermeiden sein.
Die Gefahr von Auseinandersetzungen ist vorhanden. Ich denke aber, die
Polizei wird mit einem Grossaufgebot vor Ort sein und die nötigen
Massnahmen treffen. Das Hauptziel muss sein, ein Zusammentreffen beider
Gruppierungen zu verhindern.
Das Motto der Gegendemonstration lautet: «Kein Platz für Nazis und Nationalisten». Wie weit rechts stehen die Organisatoren der Kuscheljustiz-Demonstration wirklich?
Sie stehen sehr weit rechts. Von Rechtsextremisten würde ich aber nicht
sprechen. Es sind in erster Linie Unzufriedene, die ihren Unmut zu
artikulieren versuchen. Was ich an dem Verein Stopp Kuscheljustiz aber
kritisiere, ist, dass sich dieser ausgerechnet mit der Justiz - dem
Objekt ihrer Kritik - nicht systematisch auseinandersetzt. Ich kenne
einer der Organisatoren. Er ist nicht gerade ein Fachmann auf dem
Gebiet. Es gibt von ihm keinerlei qualitative Kritik an der Justiz.
Sie sprechen von Dominik Pfister, dem Präsidenten des Vereins. Pfister ist auf Facebook mit der rechtsextremen Pnos befreundet. Und seine Organisation preist Musik von rechtsextremen Bands an.
Gewisse Versatzstücke des Rechtsextremismus sind vorhanden. Allerdings
ist keiner der Organisatoren in programmatisch rechtsextremen
Zusammenhängen aufgetreten.
Unbestritten ist, dass auch Exponenten der Pnos und andere Neonazis ihre Teilnahme an der Kundgebung angekündigt haben.
Das rechtfertigt aber noch nicht, die ganze Veranstaltung in die braune
Nazi-Ecke zu stellen, wie es die Linksradikalen tun. Man muss diese
Leute ernst nehmen, mit ihnen das Gespräch suchen - und nicht den Mund
verbieten. Stalinistisches Boxerdenken ist nicht zielführend.
Haben die Organisatoren überhaupt die Möglichkeit, die Teilnahme von Rechtsradikalen zu verhindern?
Kaum. Wenn sich die Veranstalter allerdings differenzierter äusserten
und weniger auf Schlagworte setzten, könnten sie auch mit
differenzierteren Demonstrationsteilnehmern rechnen.