Dessau-Roßlau: Menschenkette gegen Rechtsextreme

Erstveröffentlicht: 
08.03.2014

Auch gegen die zweite Demonstration von Rechtsextremen in Dessau-Nord am Abend gabt es Proteste. Rund 3.000 Dessau-Roßlauer und Gäste hatten am Sonnabend eine Menschenkette um die Dessauer Innenstadt gegen einen ersten Naziaufmarsch gebildet.

 

Mit Protesten bis in die späten Abendstunden haben am Sonnabend Dessauer bekundet, dass sie Neonazis in ihrer Stadt nicht dulden wollen. Bereits am frühen Nachmittag hatten rund 3.300 Dessau-Roßlauer und ihre Gäste eine drei Kilometer lange Menschenkette gebildet.

 

Von 14 bis 14.15 Uhr stehen sie Hand in Hand und umschließen so von der Propsteikirche über die Kavalierstraße und die Museumskreuzung hinaus durch die Franz-, Stein- und Zerbster Straße zur katholischen Kirche zurück die Innenstadt und verhindern den Neonazi-Auftritt in Dessaus Zentrum. In dem Ring sind zu dem Zeitpunkt schon eine halbe Stunde auf einer Strecke von drei Kilometern die Toleranzläufer unterwegs, unter ihnen auch Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen. Immer wieder werden sie bejubelt. Von Hand zu Hand weitergereicht wird ein großer Erdball als Zeichen für Weltoffenheit.


Für Nazis kein Platz

„Wir verwahren uns dagegen, dass Rechtsextreme die Straßen Dessau-Roßlaus nutzen, um die Verbrechen des Nationalsozialismus zu leugnen und somit die Opfer des NS-Regimes zu verhöhnen“, hatte Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Klemens Koschig (parteilos) zum Protest aufgerufen. Mit 17 Mahnwachen in der Innenstadt beteiligen sich Dessau-Roßlauer Vereine, Kirchengemeinden, Sportler, Frauengruppen, Künstler, Parteien, Migranten, Initiativen und viele weitere an Aktionen, die in der Menschenkette münden. Mit dabei an diesem Tag ist auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit seiner Frau Gabriele. Er wolle dieses bürgerschaftliche Engagement als Bürger unterstützen, sagte er. „Das Engagement ist hier gewachsen und kommt aus der Stadt heraus, die sagt, dass für Nazis hier kein Platz ist“, so Haseloff.

 

Durch Aktionen im Zentrum, die von Bühnenprogrammen bis zu Blockaden reichen, kann zwar der Neonazi-Zug durch die Innenstadt verhindert werden, der Aufmarsch generell allerdings nicht. 200 Neonazis sind am Nachmittag in einem „Trauermarsch“ unterwegs. Sie versuchen, die Bombardierung Dessaus während des Zweiten Weltkriegs am 7. März 1945 durch die Alliierten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Doch schon wenige hundert Meter, nachdem sie sich kurz nach 13 Uhr in Bewegung setzen – wird der Zug gestoppt: Eine Handvoll Gegendemonstranten blockiert die Straße. Zwar dürfen die Nazis nach ein paar Minuten weiterziehen, doch in der Mauerstraße ist dann für sie erst einmal Schluss: eine Stunde lang dürfen sie wegen zweier Blockaden nicht weiterlaufen und werden von der Polizei in der Askanischen Straße „abgestellt“. Als die 200 Rechtsextremen schließlich am Friedhof 3 eintreffen, halten sie „Gedenkreden“, von denen aber nur wenig durchdringt, weil die Gegendemonstranten auch hier lautstark protestieren.


Zwischenkundgebung untersagt

Doch mit diesem Trauermarsch ist der Auftritt der Neonazis in der Stadt an diesem Sonnabend nicht beendet. Noch weiter aus dem Stadtzentrum als im Vorjahr gedrängt, hat die rechte Szene beschlossen, am Abend in Dessau-Nord aufzulaufen, in – so eine rechte Website - „dem Wohnviertel der Gutmenschen“.

 

Diese Demo wurde so kurzfristig bekannt, dass vorher keine Proteste angekündigt werden konnten. Dennoch gibt es auch nach 18 Uhr noch Mahnwachen und Aktionen von Dessauern, die vor allem mit Kerzen Plätze, die ihnen wichtig sind, belegen. Die Veranstalter vom Biomarkt auf dem Lidiceplatz nutzen erstmals ihre bis 20 Uhr geltende Erlaubnis für den Markt – damit war der Ort für die Nazis tabu. Vor dem Alternativen Jugendzentrum, einem Hassobjekt der rechten Szene, steht eine Menschenkette quer über die Straße, auch hier führte kein Weg vorbei, so dass die grölende rechte Demo vor allem auf Nebenstraßen ausweichen muss. Als die rund 110 Neonazis gegen 20.45 Uhr vor dem NH-Hotel eine Kundgebung abhalten und ihre Musik laut abspielen wollen - die dennoch nicht zu hören ist, weil sie von mehr als 100 Dessauern mit Trillerpfeifen und anderen Tröten übertönt werden, wird diese Zwischenkundgebung von der Versammlungsbehörde untersagt und die Neonazis müssen zum Bahnhof weiterziehen.

Immer begleitet von einem großen Polizeiaufgebot. Insgesamt sind an diesem Sonnabend 1.300 Vollzugsbeamte im Einsatz, darunter vier Fremdhundertschaften aus Nordrhein-Westfalen, aus Bayern, Thüringen und Niedersachsen sowie die Reiterstaffel aus Sachsen. Der Polizeipräsident Gerhard Degner spricht vom größten Einsatz in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost bisher und von vorab geschätzten Kosten von 500.000 Euro. Auch das besonnene Handeln der Polizei führt dazu, dass nach dem Tag „keine größeren Zwischenfälle“ zu melden sind.