Den gesamten Februar über, konnte man an jedem Abend vor der Szene-Kneipe "Trotzdem" in der Dresdener-Neustadt den Streikposten der BNG-FAU antreffen. Am 27.02.2014 gab es dann eine Demonstration unter dem Motte: „So geht’s nicht weiter in der Gastro!“ Diese stellt den bisherigen Höhepunkt der Streikaktionen dar. Seit der Demonstration wird der Streikposten allerdings nicht besetzt. Wir dürfen gespannt sein, wie es in den nächsten Tagen weiter geht, zumal Johanna Kalex bisher jedes Gespächsangebot ignoriert hat.
Vorgeschichte:
Im Sommer 2013 gründete sich in Dresden eine Initiative "Basisgewerkschaft Nahrung und Gaststätten" (I-BNG) in der freien Arbeiter*innen Union (FAU). Zu den ersten Maßnahmen gehörte unter anderem das erstellen eines Lohnspiegels. Bei den Gesprächen mit den stellte sich herraus, das 5 bzw 6 € Stundenlohn zum Durchschnitt gehören. Ausreißer nach oben (10€) und unten (4€) die Stunde kamen aber auch vor. In anbetracht der Diskussion um Mindeslöhne, war der Entschluß schnell gefasst mittels Haustarifverträgen mindesten 8,50€ Stundenlohn für alle durch zu setzen und dafür sorgen zu tragen, das in allen Betrieben mit Haustarifvertrag auf die Einhaltung bestehender Gesetze zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahltem Urlaub geachtet wird, bzw. diese durchgesetzt werden. Denn leider ist es so, das in das zahlreiche Bosse in der Gastronomie, sich nicht einmal an die Einhaltung bestehender gesetzlicher Regelungen gebunden fühlen.
Im "Trotzdem", einer linken Szene-Kneipe die von der, noch aus der DDR Opposition bekannten Friedensaktivistin und ehemals bekennenden Anarchistin mit ambitionen zur Gründung von anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften, Johanna Kalex als Chefin geführt wird, setzte die BNG-FAU noch 2013 eine 20% Lohnerhöhung auf nun 7,50€ die Stunde durch. Dieser ersten Lohnerhöhung sollte nach dem Willen der BNG-FAU bis zum Sommer 2014 ein Haustarifvertrag folgen. Dieser sollte unter anderem Stundenlöhne von mindestens 8,50€ garantieren.
Eine vorschnelle Reaktion...
Anfang 2014 entläßt Johanna Kalex drei der vier Kellner*innen der "Trotzdem" - allesamt Mitglieder der BNG-FAU. Diese sehen in der Entlassung einen Angriff auf ihre gewerkschaftliche Selbstorganisation als Syndikalist*innen und treten in einen unbefristeten Streik. Die Hauptforderungen sind:
# Rücknahme aller Kündigungen
# Verhandlung über einen Haustarufvertrag
Begleitet wird der Streik durch all abendliche Streikposten vor dem "Trotzdem". Die Solidarität ist groß und nur wenige Gäste zeigen sich für die Forderungen der BNG-FAU unempfänglich. An vielen Abenden unterstützen Künstler*innen, die es in den vergangenen Jahren oft ins(!) "Trotzdem" geführt hatte um dort zu spielen, mit Konzerten vor(!) dem "Trotzdem".
Eine der wenigen öffentlichen Äußerungen der Kalex zum Streik, war schon in der ersten Woche, die Behauptung, das die drei Kellner*innen entassen wurden, weil diese Zutritt zum Lager der Kneipe haben und aus diesem seit Monaten Bestände entwendet werden würden. Schon wenige Tage später musste sie öffentlich zugeben, das nicht nur die drei Entlassenen zutritt zum Lager hatten, sondern auch die nicht entlassenen Kolleg*innen sowie Familienangehörige der Kalex. Ganz zu schweigen davon, das eine Entlassung von gleich drei Arbeiter*innen weil evtl. eine gestohlen habe könnte(!) eine mehr als schwache Begründung ist und an dunkle Zeiten der "Sippenhaft" erinnert. Auch die Begründung der Kalex, das man in den vorhergehenden Wochen weder den Dieb oder die Dieben hätte ausmachen, noch die Diebstählen verhindern können mehr als schwach ist. Neben einer strengeren Regelung was den Zutritt zum Lager angeht, hätte in diesem speziellen Fall sogar nach Ankündigung eine Überwachungskamera installiert werden können. Es gab also mindestens zwei einfach und effektive Möglichkeiten, die angeblichen Diebstähle zukünftig zu verhindern.
Presse und Troll-Wars
Während die Presse, von Linken Medien im Netz bis zu bürgerlichen Lokal- und Regionalzeitungen, Radio und TV (jeweils u.a. MDR) kontinuierlich und erstaunlich objektiv über den Arbeitskampf berichtete, nutzen vermeintliche Sympathisant*innen der Kalex so ziemlich jede Gelegenheit um in den Kommentarspalten zu "trollen". Der Versuch den Eindruck zu vermitteln, als handele es sich bei den drei Streikenden wahlweise um "arbeitsscheue", "faule", "alkoholkranke" und auch sonst recht unsympathische und vor allem undankbare Charaktere, ausgemachte Demagog*innen und Marionettenspieler*innen welche die FAU für ihre dubiosen Pläne missbrauchten oder um irregeleitete, die wiederum durch die FAU misbraucht werden würden um gezielt "linke" Kneipen zu zerstören und nette, sympathische, friendesaktivist*innen in den ökonomischen Ruin zu treiben, dürfte alles in allem als gescheitert angesehen werden. Am Ende waren es nicht mehr als drei oder vier Neustadt-Held*innen die immer wieder durch das wiederholen neoliberaler Glaubenssätze auffällig geworden sind.
... und jetzt?
Mit der Demonstration am 27.02.2014 fand der Streik einen vorläufigen Höhepunkt. Die Streikposten wurden bis auf weiteres offiziell ausgesetz. Alle Mitglieder der Betriebsgruppe haben fristgerecht Klage beim Arbeitsgericht eingelegt, mit dem Ziel, das ihre Kündigungen als nicht rechtskräftig erkannt und damit für unwirksam erklärt werden. Das eigentliche Hauptziel, einen Haustarifvertrag mit einem garantierten Mindestlohn von 8,50€ die Stunde durch zu setzen bleibt bestehen.
Laut Aussage des beteiligten Syndikates, sind die Wochen vor dem "Trotzdem" und die Veranstaltungen zur Arbeistsituation in der Dresdener Gastronomie auf breites Interesse der Kolleg*innen gestoßen. Die BNG-FAU soll neue Mitglieder gefunden haben und es ist zu erwarten das in den nächsten Tagen/Wochen noch so einiges aus Dresden zu hören sein wird.
mehr Infos unter anderem auf: AG-Düsseldorf, und natürlich auf dem Blog der BNG-FAU Betriebsgruppe
Die Presse berichtet über die Demonstration:
* MDR 1, Lokalnachrichten, 27. Februar
* Sächsische Zeitung Kellnern in der Neustadt ist ein Knochenjob, 27. Februar
* Neues Deutschland, Kneipe wirf Kellner raus, 28. Februar
* DNN, Kellner gehen auf die Straße
* OAZ, Demo für bessere Arbeitsbedingungen für Kellner, 28. Februar
* Neustadtgeflüster, Kein Kneipenstreik mehr, 28. Februar
Presse & Web
26.02.2014: Stimmen aus der Provinz: "Trotzdem Arbeitskampf – Die BNG-FAU in der Dresdner Neustadt"
23.02.2014: adnn.me "Wirbel in der Neustädter Gastroszene"
23.02.2014: DNN-Artikel: „Klassenkampf in linker Szene-Kneipe“
Vollständige Interviews zum Trotzdem
Interview Wolf, Streikender und FAU-Aktivist: http://dresden-sellout.de/wp-content/uploads/2014/02/Interview-FAU-Wolf.mp3
Interview Antonia, Unterstützerin und FAU-Aktivistin: http://dresden-sellout.de/wp-content/uploads/2014/02/Interview-FAU-Antonia.mp3
Interview Kati, Köchin und Gastro-Unternehmerin: http://dresden-sellout.de/wp-content/uploads/2014/02/Interview-Kati.mp3
Interview Philipp, FAU-Aktivist aus Bonn: http://dresden-sellout.de/wp-content/uploads/2014/02/Interview-FAU-Bonn.mp3
Interview Geigerzähler, Musiker und FAU-Aktivist: http://dresden-sellout.de/wp-content/uploads/2014/02/Interview-Geigerzähler.mp3
09.02.2014: Erklärung der Belegschaft "In der Gastronomie gibt es überall viel zu tun..."
06.02.2014: MDR Dunke Wolken über der bunten Neustadt
06.02.2014: TAZ "Aber nicht so"
04.02.2014: Sächische zeitung "Streik vor Kultkneipe an der Alaunstrasse" (Kostenplichtiger Artikel!)
02.02.2014: A-Radio Berlin "Interview mit Wolf Meier /BNG-FAUDD"
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Labournet.de
chefduzen.de
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