Lokale Parteispitze nimmt Abstand von Demo am Polizeiposten, deren Inhalt - und Organisatorin
Der Satire-Aufzug gegen den neuen Polizeiposten in Connewitz am vergangenen Freitag dürfte für Gesprächsbedarf innerhalb der Leipziger Linken sorgen. Fraktions- und Stadtverbandsspitze distanzierten sich gestern von den Protesten um Juliane Nagel, die für die Aktion bei den Behörden verantwortlich zeichnete. Die Linken-Stadträtin rückte ihrerseits von dem Teil der Demonstranten ab, der über das erklärte Ziel hinausgeschossen war.
Die Spitzen der Leipziger Linkspartei zeigten sich gestern auf Anfrage irritiert von den Auswüchsen der Aktion vor der Polizeiaußenstelle in der Wiedebachpassage. Stadträtin Nagel hatte die Kundgebung an der Auerbachstraße amtlich angemeldet - als nicht bierernst gemeinte Demonstration gegen "eine ganze Meute von gewaltbereiten Banden in Connewitz, angeführt vom Leipziger Oberbürgermeister Burkard Jung und seiner militanten rechten Hand Bernd Merbitz", wie es einem weiteren Aufruf hieß.
"Unter Satire verstehe ich etwas anderes", so Sören Pellmann,
Linken-Fraktionschef im Stadtrat. Bei den Protesten seien grenzwertige
Äußerungen gefallen, die seine Partei nicht unterschreiben könne. "In
unserem Programm steht eindeutig, dass wir die Polizei als Partner und
Verbündeten betrachten", sagte Pellmann, "das deckt sich in keinster
Weise mit der Position von Frau Nagel." Auch Volker Külow, Vorsitzender
des Linken-Stadtverbandes, wollte sich der Satire-Gehalt der
Demonstration nicht erschließen: "So frontal die Polizei im Ganzen
anzugreifen, dafür fehlt mir jedes Verständnis." Bei genauerer
Betrachtung hätte sich der Aufruf zu der Aktion als "stark militant
gegen die Polizei" erwiesen. "Das ist nicht die offizielle Haltung der
Linken", so Külow. Nagel selbst bekundete, dass die Versammlung "auf
keinen Fall Gewaltbereitschaft transportieren sollte". Banner, auf denen
am Freitagabend zu lesen war "Ganz Connewitz hasst die Polizei" seien
nicht im Sinne der Organisation gewesen. Teilweise hätten die
Demonstranten den eigentlichen Zweck missverstanden. "60 Leute haben die
Satire aber aufgegriffen", sagte Nagel. Klar zum Ausdruck gekommen sei
die humoristisch verpackte Kritik in einer Rede. Zudem verwies Nagel
darauf, dass die Aktion insgesamt trotz einiger Ausreißer friedlich
verlief.
Laut Polizei war die Versammlung für 35 Teilnehmer genehmigt worden.
Rund 200 Demonstranten zählten die Ordnungshüter am Ende. Die Losung
"Connewitz steht auf - gegen Minderheiten-Politik im Rathaus" war von
einer Initiative unter der Bezeichnung "No police district (NPD)" für
die Aktion ausgegeben worden - ein Seitenhieb auf die Proteste gegen
Asylunterkünfte in Leipzig, die zuletzt von der rechtsextremen NPD
mitgetragen wurden (die LVZ berichtete).
In Connewitz bekamen die Beamten Sprechchöre zu hören wie "Wir sind
Assis, was seid ihr?" oder "Eure Kinder kaufen bei uns ihr Gras". Zudem
warfen einige Demonstranten mit Tampons und präsentierten der Polizei
das entblößte Hinterteil.
Felix Kretz
Was die anderen Stadtratsfraktionen von der "Satire-Aktion" halten
Konrad Riedel, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender: Es ist eine Schande, wie unsere Polizisten hier behandelt werden. Mit dem neuen Posten wird ein Zeichen für mehr Sicherheit und Bürgernähe gesetzt. Die Linke kritisiert die Staatsregierung wegen Personalbaus und mangelnder Polizeipräsenz - kaum wird ein Posten eröffnet, hagelt es Beleidigungen.
René Hobusch, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender: Wer
rechtsfreie Räume bejaht und das Gewaltmonopol des Staates in Frage
stellt, der stellt auch unsere Gesellschaft in Frage. Das dürfen wir
nicht zulassen!
Axel Dyck, SPD-Fraktionsvorsitzender: Grundsätzlich muss gesagt werden:
Ja zu diesem Polizeiposten, ja zu Ordnung und Sicherheit. Wenn es um
Vandalismus und Sachbeschädigung geht, fällt das nicht mehr unter
Satire. Dann geht es gegen jegliche Ordnungsmacht.
Norman Volger, Grünen-Fraktionsvorsitzender: Es ist schade, wenn eine
spaßig gemeinte Aktion einen faden Beigeschmack bekommt - egal, wer
dafür verantwortlich ist. Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen nichts.
Auch Connewitz muss mit der Polizei zusammenleben.
Das sagen bürger zu den entwicklungen in connewitz
Dieter Hufenreuther (75): "Hier wird immer wieder randaliert. Der neue Stützpunkt bringt mehr Ruhe. Ich bin auch froh, dass wir in Connewitz wieder ein Bürgeramt haben. So können wir vor Ort unsere Behördengänge erledigen."
Annegret Werner (73): "Ich fühle mich wohl in diesem Stadtteil und fahre immer von Marienbrunn mit dem Fahrrad hierher zum Einkaufen. Die neue Polizei-Außenstelle finde ich gut. Die Polizisten in dem Viertel tun doch bloß ihren Job."
Susann Grenz (36): "Ich fühle mich in Connewitz sicher, wohne hier gerne und hatte nie mit den Linken Probleme. Aber diese Gitter an den neugebauten Supermärkten stören mich. Deswegen ist die Polizeipräsenz hier auf jeden Fall positiv."
Stefanie Buchwald (26): "Ich hatte keine Ahnung von Connewitz, als ich wegen des Studiums hierher gezogen bin. Aber ich kann mich hier abends sicher fühlen. Meiner Meinung nach sind die Maßnahmen mit dem neuen Polizeiposten übertrieben."
Kommentar
Glück gehabt
Von Björn Meine
Dass Linksextreme früher oder später Aktionen gegen den neuen Connewitzer Polizeiposten starten, war absehbar. Dass die Leipziger Stadträtin Juliane Nagel eine - wie auch immer geartete - Demonstration gegen die verstärkte Polizeipräsenz anmeldet, ist unanständig. Es gibt kein Problem durch mehr Polizei in Connewitz - im Gegenteil. Extreme Linke betrachten die Polizei nicht als Freund und Helfer - das ist bekannt. Der "normale" Bürger sieht den zusätzlichen Standort aber als Pluspunkt für die Sicherheit.
Wer in Connewitz eine Satire-Demonstration gegen die Polizei startet,
der muss damit rechnen, dass schlimmstenfalls die richtigen
Krawallmacher kommen. Zum Glück waren sie nicht dabei oder sie haben
sich zurückgehalten. Wären bei dieser Veranstaltung Polizisten zu
Schaden gekommen, dann hätten Frau Nagel und die Linken jetzt ein
richtiges Problem.