Ende März muss die Wagenburg "Sand im Getriebe" vom Parkplatz an der PH weichen, ein neues Gelände hat sie noch nicht gefunden.
Von Frank Zimmermann
LITTENWEILER. Seit vergangenem Juli stehen auf dem Parkplatz zwischen dem Bahnhof Littenweiler und der Pädagogischen Hochschule (PH) 14 Fahrzeuge und Anhänger der Wagenburg "Sand im Getriebe". Bis Ende März – so eine Vereinbarung mit PH-Rektor Ulrich Druwe – können sie dort bleiben. Wo sie sich danach hinstellen, wissen sie nicht. Ein passendes Grundstück, wo sie sich legal niederlassen können, wurde ihnen noch nicht angeboten.
WARME STUBEN
Es ist ungemütlich nasskalt, ein paar Grad über Null, aber für einen Tag im Februar doch relativ mild. Um ein Feuer sitzen sieben der zwölf Bewohner von "Sand im Getriebe". Die jüngsten Wagenburgler sind Anfang 20, die ältesten Ende 30, alle 14 Tagen kommen wochenends noch drei Kinder zu Besuch, weshalb es einen extra Kinder- und Gästewagen gibt. Zur Wagenburg gehören auch noch Hund Nana und zwei weitere Artgenossen sowie Kater Adorno. Einige Bewohner gehen nach eigenen Angaben ganz normalen Berufen nach, andere studieren, einige verdienen ihren Lebensunterhalt mit Gelegenheitsjobs. "Wir sind ein guter Querschnitt, nicht anders als eine WG in einem Hochhaus", sagt Toby, der seinen Nachnamen ebenso wenig wie die anderen in der Zeitung lesen will. Der harte Kern lebt seit zweieinhalb Jahren zusammen.
In jedem Wagen gibt’s einen Ofen. "Kalt wird uns nicht. Winter ist eigentlich voll gemütlich", sagt Jennifer. Einen Strom- und Wasseranschluss hat das Gelände nicht, "wir brauchen das aber auch nicht zwingend". Manche Wagen beziehen Strom über Solarpanels oder eine Autobatterie. Jeder hat sein eigenes Zuhause, daneben gibt’s einen gemeinsamen Küchenwagen, der – mit Bänken, Sofa und Tisch ausgestattet – auch als Esszimmer dient, und einen Klowagen. Geduscht wird bei Freunden.
Im November haben 20 Mitglieder des Bürgervereins Littenweiler "Sand im Getriebe" besucht. "Ordentlich, sauber und gastfreundlich" sei es gewesen, sagt der Vorsitzende Franz-Jürgen Zeiser: "Wir hatten alle einen guten Eindruck." Er habe aber auch negative E-Mails bekommen. "Es gibt schon auch Menschen in Littenweiler, die das nicht so gerne sehen", sagt Zeiser. Er wünscht der Wagenburg, dass sie einen guten Standort findet. "Wenn sie niemanden stören und keine Gesetze brechen, warum soll man diese alternative Lebensform dann nicht akzeptieren?", fragt der Rektor des Kirchzartener Marie-Curie-Gymnasiums.
SCHWIERIGE GELÄNDESUCHE
Dauerhaft will "Sand im Getriebe" nicht an der PH bleiben. "Es ist schon okay hier, aber im Endeffekt ist es ein Parkplatz", sagt Jennifer. Wo die Gruppe ab April ihre Wagen hinstellt, weiß sie nicht – auf jeden Fall wolle man als Gruppe zusammenbleiben. "Wir haben das noch nie gemacht, dass wir uns nicht an eine Absprache halten", sagt Jennifer. Der Parkplatz sei eine Zwischenlösung, mehr nicht, "eine tolle Verschnaufpause". Wichtig sei, dass der neue Standort – idealerweise 1000 bis 1500 Quadratmeter – in Freiburg oder der nahen Umgebung liege.
Umzuziehen ist die Wagenburg gewohnt. Zuletzt stand sie bis Juli auf einem Gelände am Rande der Götz-und-Moriz-Brache in Haslach. Dort gefiel es ihr. Irgendwann wurde sie dann doch zum Gehen aufgefordert und zog notgedrungen weiter nach Littenweiler. Anfangs gab es dort Widerstand, PH-Rektor Ulrich Druwe drohte mit Räumung, dann ließ er die Wagenburg doch vor seiner Hochschule überwintern. Der "Runde Tisch Wagenplätze Freiburg" hatte sich ebenso bei ihm für "Sand im Getriebe" eingesetzt wie die Studierendenvertretung Usta.
Es ist die Angst vor Ärger, der Grundstücksbesitzer davon abhalte, ihnen ein Gelände zur Verfügung zu stellen, glauben die "Sand im Getriebe"-Mitglieder. Bislang haben sie nur Absagen kassiert. "Vielleicht findet sich ja noch was", hofft Jennifer. Dass es weitergehe, stehe außer Frage, sagt Toby. Eine andere Wohnform komme nicht in Frage. Er muss lachen über den Vorschlag eines Rathausmitarbeiters, doch ins Obdachlosenzentrum Oase zu gehen. "Das ist eine totale Verkennung der Umstände", ärgert sich Nils. Will heißen: Wer in einer Wagenburg wohnt, macht das nicht wegen der Wohnungsnot, sondern aus Überzeugung.
KEINE NEUEN PLÄTZE?
Ein, zwei Grundstücke habe man im Auge, aber spruchreif sei nichts, erklärt Tom. Und Nils fügt hinzu: "Wir würden auch einen normalen Pachtvertrag abschließen und Miete zahlen." Die Stadt sagt, sie könne bei der Platzsuche nicht helfen. "Uns sind die Hände gebunden", erklärt die städtische Pressesprecherin Edith Lamersdorf und verweist auf Gemeinderatsbeschlüsse, wonach keine weiteren städtischen Flächen für Wagenburgen zur Verfügung gestellt werden.
Am 19. November haben die Stadträte Sebastian Müller (Junges Freiburg), Coinneach McCabe (Grüne Alternative Freiburg), Nikolaus von Gayling (FDP) und Ulrike Schubert (Unabhängige Listen, UL) sowie die UL-Fraktion eine Anfrage ins Rathaus geschickt. Darin zweifeln sie die alten Grundsatzbeschlüsse an, die eine Erweiterung der Standorte ausschließen. Die Antwort steht noch aus. Zurzeit gibt es drei offizielle Wagenplätze: Biohum an der Opfinger Straße beim Rieselfeld (20 Plätze), den Eselwinkel an der Hermann-Mitsch-Straße (31) und die Schattenparker (45) zwischen Hermann-Mitsch-Straße und Flugplatz. "Dort ist voll", sagt Nils. UL-Stadträtin Schubert setzt auf eine Mehrheit im Gemeinderat für neue Plätze: "Wir haben große Hoffnung."