Deutschland in Stichpunkten
Als Menschen mit verschiedenen Wurzeln die in Deutschland leben und politisch aktiv sind stellen sich uns viele Fragen. Was ist das für ein Land, für ein Staat, für eine Gesellschaft, in die es uns verschlagen hat? Wer genau beutet uns eigentlich aus? Was für eine Rolle spielt der deutsche Imperialismus in der internationalen Politik und warum? Was hat es mit der EU auf sich und mit wem können wir uns gegen das deutsche Kapital verbünden? Aus welchen Klassen und Schichten besteht die Gesellschaft hier und was bedeutet das für uns?
Wir wollen Fragen stellen, ohne gleich auf alle Fragen die fertigen Antworten mitzuliefern. Dabei sind wir uns bewusst, dass keine der von uns angesprochenen Themen in diesem Text abschließend oder auch nur ausreichend behandelt werden. Wir wollen anfangen Deutschland, von verschiedenen Seiten, genauer unter die Lupe zu nehmen, um gemeinsame Positionen und praktische Schlussfolgerungen zu vielen Fragen zu entwickeln, von denen wir einige im Folgenden ansprechen werden.
Dabei werden wir im ersten Teil das System in dem wir in Deutschland leben beschreiben und im zweiten Teil uns mit den Menschen und Bewegungen in diesem Land auseinandersetzen.
I. Deutschland: Das imperialistisch-kapitalistische Herrschaftssystem
Deutschland im Jahr 2013 ist eines der führenden imperialistischen Länder der Welt. Die Wirtschaft wird bestimmt von einer geringen Anzahl großer Monopolgruppen aus Industrie, Handel und Bankenwesen. Die Monopole sind untereinander eng miteinander verflochten: finanziell und personell. Der größte Einfluss, die größte Macht konzentriert sich in einer sehr überschaubaren Anzahl von Leuten. Auf abgeschotteten Elitetreffen in Golf-Clubs oder auf Geburtstagsfeiern, bei Seminaren von Think-Tanks und gemeinsamen Urlaubsreisen, in Sitzungen von Unternehmerverbänden und Aufsichtsräten plant, verhandelt und entscheidet ein enger Kreis von mächtigen Personen der Wirtschaft. Dies sind vor allem Vorstandschefs wichtiger Konzerne und einflussreiche Multi-Aufsichtsräte. Knotenpunkte oder Machtzentren sind beispielsweise Allianz, Deutsche Bank und Münchener Rück. Sie bilden die deutsche Finanzoligarchie. Andere Teile der Bourgeoisie wie die mittleren Kapitalisten oder die größeren nicht-monopolistischen Kapitalisten ordnen sich ihnen unter. Selbstverständlich arbeiten die Monopole trotz der engen Verflechtung nicht nur miteinander, sondern vor allem auch gegeneinander, denn die Konkurrenz nimmt im Imperialismus nicht ab, sondern findet auf höherer Ebene statt und verschärft sich hierdurch. Letztendlich strebt jeder nach dem Maximalprofit.
Staatsaufbau und politisches System
Der Staat der Bundesrepublik Deutschlands ist ein Instrument in den Händen der deutschen Monopolbourgeoisie. Er ist ein Instrument ihrer Herrschaftsausübung. Der Staatsapparat ist mit den Monopolen vielfach verflochten. Sie bestechen auf verschiedene weise, legal, halb-legal und illegal, die Abgeordneten und hohen Beamten. Sie nehmen Einfluss auf die Besetzung der Bürokratie der Ministerien vom Minister selbst, über die Staatssekretäre bis hin zum Verwaltungsbeamten bzw. besetzen diese Posten mit Leuten aus ihren eigenen Reihen.
Die Herrschaft der Monopolbourgeoisie ist zwar eine Diktatur, doch übt sie diese in "demokratischen" Verhältnissen aus. Die Diktatur des Monopolkapitals wird maskiert vom System der parlamentarischen Demokratie. So dürfen wir alle 4 Jahre wählen, so wie es im September wieder der Fall war, welche der Parteien uns im Interesse des Kapitals regiert. Egal ob SPD, CDU/CSU, NPD, FDP, Grüne, Piraten oder Linkspartei, sie alle sind Parteien der herrschenden Ordnung, die auf die eine oder andere Weise den Interessen des Monopolkapitals dienen. Gleichzeitig spiegeln sie auch die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Teilen des Kapitals wieder, die alle ihre eigenen Sonderinteressen und politischen Taktiken haben. So bemüht die FDP sich zum Beispiel darum, die Interessen der mittleren Bourgeoisie und auch der kleineren Kapitalisten zu vertreten und die Grünen haben sich lange bemüht, neben den sich entwickelten Großunternehmen der „neuen Energien“ auch das Kleinbürgertum zu vertreten.
Die wichtigste Aufgabe des bürgerlichen Staates besteht darin, die Herrschaft des Monopolkapitals aufrechtzuerhalten und die Arbeiterklasse zu unterdrücken.
Neben der Schwatzbude (Bundestag) verfügt der Staat des deutschen Monopolkapitals noch über viele weitere Instrumente. Da sind der Justizapparat, Polizei, Geheimdienste, Formen eines „tiefen Staates“ wie bewaffnete faschistische Untergrundeinheiten á la Gladio und NSU plus die faschistische Bewegung und die Armee. Sie alle dienen vorrangig dem Ziel der Niederhaltung der Arbeiterklasse. Arbeitsagenturen, Jugendämter + Jugendheime, Religionshäuser, Medienanstalten und das Bildungssystem sind ebenfalls Teile eines umfangreichen Unterdrückungsmechanismus.
Auch die DGB-Gewerkschaften, die nach 1945 gezielt von oben aufgebaut wurden und nicht etwa in Arbeitskämpfen entstanden und deren Monopolstellung vom Staat garantiert wird, sind im Rahmen des Klassenversöhnungskonzeptes Werkzeug zum Abwürgen und zur Verhinderung von Arbeitskämpfen. In der Wirtschaftskrise und beim Thema Zeitarbeit haben wir das ganz aktuell wieder einmal gesehen und können es bei jeder Tarifauseinandersetzung von neuem betrachten. Aus dieser Analyse heraus müssen Konzepte und Organisierungssmethoden entwickelt werden, die eine wirkliche Organisierung der Arbeiterklasse an Hand ihrer Klasseninteressen sicherstellen. In diesem Zusammenhang ist auch der Einfluss der Sozialdemokratie auf die Arbeiterklasse im Allgemeinen zu nennen, welcher immer noch ein großes Hindernis für die Bewusstseinsentwicklung der Arbeiter ist. Selbst die Tatsache, dass die größten Sozialkürzungen der deutschen Geschichte von SPD und Grünen umgesetzt wurden, hat nicht mit den Illusionen der Klassenversöhnung aufgeräumt.
Reaktionärer Trend der bürgerlichen Demokratie
Seit Gründung der Bundesrepublik, noch unter der Besatzung durch die Alliierten und auf deren Anweisungen, wird eine systematische Faschisierung dieses Staatsapparates vorangetrieben. Dabei muss festgehalten werden, dass eine so genannte „Stunde Null“, wie sie in jedem deutschen Geschichtsbuch zu finden ist, nie existiert hat. Doch nicht jeder Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte ist ein konkreter Schritt in Richtung Faschismus, und wir sind auch nicht der Meinung, dass die Monopolbourgeoisie in Deutschland in absehbarer Zeit ihre Form der Diktatur von „demokratischer Republik“ zu „offener faschistischer Diktatur“ ändern wird. Was wir hier mit Faschisierung meinen, ist die Zunahme reaktionärer Mittel, die zunehmende Einschränkung der bürgerlichen Demokratie, die natürlich selber schon sehr begrenzt ist, vor allem im Zeitalter des Imperialismus.
Gründe für die Faschisierung nach 1945 war vor allem die damals reale Gefahr einer Hinwendung der deutschen A
rbeiterklasse zur sozialistischen Sowjetunion, ein Anwachsen und eine Radikalisierung sowohl der Arbeiter- als auch der revolutionären Bewegung. Zu nennen ist hier zuerst die schnelle Wiederbewaffnung Deutschlands und der Aufbau militärischer Strukturen, aber auch das (auch heute weiterhin bestehende) Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands 1956. Auch die Verabschiedung der Notstandsgesetze und der schnelle Ausbau der Geheimdienstapparate zeigten die reaktionären Bestrebungen des deutschen Kapitals als Reaktion auf einen starken Widerstand. Heute ist zwar der Widerstand abgeflaut, jedoch nicht die Faschisierung. Aufgrund dessen, dass die Monopolbourgeoisie nicht ewig auf die aktuelle Kampf- und Kraftlosigkeit der Arbeiterklasse und der revolutionären Bewegung vertrauen kann, sondern stattdessen eine erneute Revolutionierung der Massen und eine Zeit heftigster Klassenauseinandersetzungen kommen wird, werden heute präventiv Vorbereitungen getroffen, günstigere Bedingungen zu schaffen, für eine noch rücksichtslosere Unterdrückung. So etwa durch die Antiterrorgesetze nach 2001,die Einschnitte im Versammlungsrecht der letzten Jahre oder die massenhafte verdachtsunabhängige Überwachung von Internet, Handys und Co.
Das Märchen vom Sozialstaat
Im Vergleich zu anderen Ländern begann die Sozialkahlschlagspolitik in Deutschland schon früh, wird aber nicht plötzlich sondern langsam, Schritt für Schritt betrieben.
Seit der Restauration des Kapitalismus in den sozialistischen Ländern und noch offener seit dem Zusammenbruch des revisionistischen Blocks, steht die Bourgeoisie nicht mehr so stark unter Druck, die „Vorteile“ des Kapitalismus“ beweisen“ zu müssen. Die neoliberalen Angriffe seit den 70er Jahren und der drastische Abbau sozialer Rechte und Errungenschaften, der sich nach 1990 verschärft hat und sich heute mit Agenda 2010, Hartz 4 und vielen weiteren Maßnahmen fortsetzt, sind eine logische Folge davon.
Das Phänomen „Sozialstaat“ entsprang keinesfalls der inneren Logik des Kapitalismus, sondern muss im Zusammenhang seiner Zeit gesehen werden: Millionen Menschen begeisterten sich weltweit für den Sozialismus, der nach der Oktoberrevolution 1917 und dem Sieg der Sowjetunion über den Faschismus 1945 eine für alle sichtbare und greifbare Alternative zu Ausbeutung und Unterdrückung geworden war.
Gleichzeitig erfüllten die Erwartungen der Monopole in Bezug auf die Erhöhung der Produktion sich seit Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht mehr: So wie auch in den anderen imperialistischen Ländern, konnte sich auch in Deutschland die Ökonomie nicht von der strukturellen Krise, die ab den 70er Jahren wirksam wurde, befreien. Mit dem Ende des Bretton-Woods-Systems 1973, sowie der Krise im gleichen Jahr, endete die Zeit des durchgehend hohen wirtschaftlichen Wachstums in Westdeutschland und die offizielle Arbeitslosenquote überstieg auf Dauer zwei Prozent.
Trotz aller Vorkehrungen, die der monopolistische Staat traf, verwirklicht sich das Wachstum in der Produktion in kleinem/geringem Maße und dieses sinkt in den Jahren, in denen Überproduktionskrisen ausbrechen und wirken, in absoluter Form. Also ist die Wachstumsrate in der Ökonomie äußerst gering. So wie auch in den meisten anderen imperialistischen Ländern, folgt das ökonomische Wachstum in Deutschland einem Pfad der Stagnation. Trotz aller neoliberalen Vorkehrungen und Angriffen konnte in der Ökonomie des Landes keine nennenswerte Belebung erreicht werden, obwohl alle Möglichkeiten dem monopolistischen Kapital zur Verfügung gestellt wurden. Aktuell beträgt das Wirtschaftswachstum 0,3% (Vergleich von Quartal 3 zu 2 2013).
Dementsprechend steht dem deutschen Kapital einerseits weniger Profit zur Verfügung, um einen Teil der Arbeiter und Werktätigen im eigenen Land zu bestechen, andererseits liegt es in der Natur des Kapitalismus, auf der Jagd nach Profit soviel wir nur möglich aus den arbeitenden Menschen herauszupressen und die Entwicklung des Sozialstaat nach dem 2. Weltkrieg stellt eine besondere Situation dar, die wir nicht mit der gesetzmäßigen kapitalistischen Entwicklung verwechseln dürfen.
Schon wieder Weltmacht Deutschland?
Nach dem zweiten gescheiterten Griff nach der Weltmacht, brauchte der deutsche Imperialismus knapp 50 Jahre, um sich wieder vollständig aufzurappeln.
Nach der Befreiung Deutschlands von der faschistischen Diktatur, durch die Rote Armee, mit Unterstützung der Truppen der Alliierten, hat zunächst das Besatzungsstatut gegolten. Auch wenn viele der dort festgelegten Einschränkungen schnell aufgehoben wurden, so wurden die damit verbundenen „alliierten Vorbehaltsrechte“ erst 1990 mit der Annektierung der DDR und dem in diesem Zusammenhang verabschiedeten Zwei-plus-vier-Vertrag aufgehoben und der deutsche Imperialismus erlangte seine „volle Souveränität“ zurück.
Die logische Folge waren eine zunehmende Eigenständigkeit und aggressivere Durchsetzung deutscher Kapitalinteressen im Ausland. Auch wenn die Bundeswehr schon lange wieder aufgebaut, bewaffnet und eingesetzt wurde, stellte der NATO-Angriff auf Jugoslawien 1999 eine neue Stufe der Durchsetzung der imperialistischen Interessen Deutschlands dar. Es war der erste Angriffskrieg, der nach 19
45 von deutschem Boden ausging.
Aus dem 2. imperialistischen Verteilungskrieg ging der US-Imperialismus als Weltmacht hervor, die das imperialistische Lager in einem lange anhaltenden Zweckbündnis, gegen die Sowjetunion, um sich herum scharrte. Der BRD kam dabei als Frontstaat des Antikommunismus eine wichtige Rolle zu. Noch heute stellt der deutsche Imperialismus sich gerne als Verfechter von „Demokratie, Frieden und Menschenrechten“ dar und versucht so, seine immer offeneren Expansionsbestrebungen in den Augen der Völker zu rechtfertigen. Zurzeit beteiligt die Bundeswehr sich an zahlreichen offiziellen Auslandseinsätzen, wie im Kosovo, Sudan, Kongo, in Uganda, Somalia, Kenia, den Seychellen, Djibouti, Afghanistan, Libanon, Mali, der Türkei und Usbekistan. Derzeit befinden sich offiziell rund 5.200 Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen, die meisten davon in Afghanistan, Usbekistan, und dem Kosovo.
Neben den zunehmend auch mit militärischen Mitteln vorangetrieben Expansionsbestrebungen ist das Projekt EU ein weiterer Versuch Deutschlands, sich in der imperialistischen Konkurrenz zu behaupten und zunehmend eigene Akzente (auch entgegen den Interessen der USA) zu setzen.
Träume eines deutschen Europas
Deutschland war zusammen mit Frankreich von Anfang an die treibende Kraft in der EU, die ihre Entwicklung vorangetrieben und ihre politische und ökonomische Gestaltung bestimmt hat. Es ist vollkommen offensichtlich, dass die EU einen Versuch des deutschen Kapitals darstellt, dass zu erreichen, was ihm mit dem I. und II. Weltkrieg nicht gelungen ist; nämlich seine Einflusssphäre auszuweiten und weltweit einen größeren Anteil an der Ausbeutung anderer Länder zu erlangen.
Trotz seiner wirtschaftlichen Stärke als Land mit dem 4. größten nominellen Bruttoinlandsprodukt (BIP) hinter den USA, China und Japan hat Deutschland nicht genug Gewicht, um ernsthaft Anwärter für die Weltherrschaft zu sein und eine vollkommen unabhängige Geostrategie zu entwickeln. Dazu fehlt es im Vergleich zu den „Großen“ an menschlichen Reserven, Rohstoffen etc. Aus diesem Grund versucht die deutsche Monopolbourgeoisie mit der EU ein Konkurrenzzentrum unter seiner Herrschaft zu schaffen und so seine eigene Position im imperialistischen Konkurrenzkampf um Absatzmärkte und Profite zu stärken.
Auch wenn es viele Schwierigkeiten und immer wieder Rückschläge gibt, konnte der deutsche Imperialismus seine Vormachtstellung innerhalb der EU ausbauen, seine Konkurrenten England und Frankreich hinter sich lassen und ist momentan eindeutig die stärkste Kraft innerhalb der EU.
Wirtschaftlich schwächere Länder wie Bulgarien, Irland, Kroatien und Griechenland sind sogar in so einem hohen Grad abhängig von Deutschland geworden, dass sich bereits die Frage stellt, ob man hier von einer Art Halbkolonien sprechen muss.
Die Frage, welche neuen Abhängigkeitsverhältnisse es innerhalb der EU gibt und wie diese zu charakterisieren sind ist nicht nur im Rahmen der aktuellen EU-Krise von Bedeutung, sondern auch für die Diskussion über die heutigen Formen des Kolonialismus und der nationalen Frage im imperialistischen Weltsystem. Welche Veränderungen hat es gegeben und wie wirkt sich das auf den gemeinsamen Kampf in den imperialistischen und den abhängigen Ländern aus? Wo finden wir heute noch klassische Kolonien? Was zeichnet „Neokolonien“ aus? Welche neuen Formen der direkten und indirekten Unterdrückung und Ausbeutung werden heute von den Imperialisten genutzt und was bedeutet das für den Kampf dagegen?
Im Kosovo, zum Beispiel, haben wir es mit einer sehr direkten, offenen Form von Kolonialisierung zu tun. Deutsche Banken halten 98% der Anteile an den Banken vor Ort, die Verfassung wurde von der UNO ausgearbeitet, mit Bondsteel haben die USA dort ihren weltgrößten Militärstützpunkt und unter Namen wie NATO, UNO etc. sind zahlreiche Besatzer im Land; kurz gesagt, die Region befindet sich sowohl wirtschaftlich als auch militärisch unter direkter Kontrolle verschiedener Imperialisten.
In Ländern wie Griechenland haben die werktätigen Massen es nicht „nur“ mit ihrer eigenen Bourgeoisie zu tun, sondern auch der deutsche Imperialismus tritt ihnen immer deutlicher als direkter Feind gegenüber. Dies zeigt sich unter anderem am Ausverkauf an deutsche Monopole und direkte Vorgaben (z.B. für Gesetze und Verordnungen) in allen Bereichen aus Brüssel. So kauften deutsche Monopole zum Beispiel für Milliarden griechische Staatsbetriebe auf, wie die Hellenic Telekom, von der die Deutsche Telekom inzwischen 40% der Anteile besitzt. Insgesamt sollen bis 2015 staatliche Unternehmen im Wert von 50 Milliarden Euro verkauft werden.
Aus dieser zunehmenden Abhängigkeit Griechenlands und dem Verlust der Souveränität allerdings zu schließen, in Griechenland wäre nicht die sozialistische Revolution sondern eine antiimperialistische auf der Tagesordnung und man müsse in erster Linie für „nationale Unabhängigkeit und Demokratie„ kämpfen erscheint uns jedoch äußerst fraglich. Das hieße ja, dass außer einer Handvoll die Welt beherrschender imperialistischer Mächte alle abhängigen Länder zunächst für ihre nationale Unabhängigkeit kämpfen müssten. Der Kampf gegen den Imperialismus muss aber heute in Ländern wie Griechenland mehr denn je zusammen mit dem Kampf gegen die eigene Bourgeoisie geführt und die Perspektive einer sozialistischen Revolution konkret angegangen werden.
Durch Abhängigkeit allein entsteht noch keine nationale Frage. Im Falle einer militärischen Besetzung sehe das möglicherweise anders aus. Noch steht der Einmarsch von deutschen Soldaten in Athen zwar nicht an, aber es ist durchaus vorstellbar, dass es in letzter Konsequenz eine Option der deutschen Imperialisten ist. Gespräche darüber gab es bereits und wenn keine stabile pro-EU-Regierung mehr existiert, könnten deutsche Truppen schneller in Griechenland auftauchen, als wir uns das heute vorstellen können. Schließlich geht es um ein Land, in dem von der deutschen Bourgeoisie Milliarden investiert wurden und die Investition weiterer Milliarden geplant ist.
Äußerungen wie „in Europa wird jetzt wieder deutsch gesprochen“ oder die durchaus ernst gemeinte Bemerkungen von einem polnischen Staatsmann: „stehen wir auf der Gästeliste oder auf der Speiseliste?“ zeigen deutlich die Interessenkonflikte.
Neben den Bemühungen Deutschlands, die Union unter seiner Führung weiter voran zu bringen, setzt man innerhalb der Länder gerne auf die „Teile-und-Herrsche-Politik“. Die Unterstützung deutschstämmiger Minderheiten in Südtirol, Elsass-Lothringen, einem Teil Belgiens etc. sowie die deutsche/EU Förderung von bürgerlichen Autonomiebestrebungen wie in Katalonien oder im Baskenland sind Ausdruck davon. Dennoch ist eine offene Annektierung anderer Länder oder Landesteile durch Deutschland momentan nicht auf der Tagesordnung. Doch die im Aufbau befindliche EU-Armee dient nicht nur der Abschottung der Festung Europa nach außen, sondern kann zukünftig auch als gemeinsame Schutztruppe der Herrschaft der Bourgeoisie eingesetzt werden, falls die Bourgeoisie des einen oder anderen Landes es nicht mehr alleine schafft die eigene Bevölkerung zu unterdrücken.
Auffällig bei der aktuellen EU-Krise ist zudem, dass die Eurozone viel mehr Gewicht hat als die EU, was auch die Grenzen der bisher erreichten politischen Einheit deutlich macht. Eine gemeinsame Währung bindet eben doch sehr viel mehr, als Absichtserklärungen in Brüssel. Auch über die Rolle Englands, in der EU, sagt es viel aus, dass sie nicht Teil der Währungsunion sind.
Die letzte Weltwirtschaftskrise hat wieder einmal deutlich bewiesen, wie zerbrechlich das Gebilde der EU ist. Während vor der Krise große Töne über eine angebliche Entwicklung der EU hin zu einem einheitlichen Staat gespuckt wurden, mehren sich jetzt, im Zeichen der Staatsverschuldungs- und Euro-Krise, Diskussionen, auch im bürgerlichen Lager, über ein mögliches Scheitern und Zerbrechen der EU. Aber was während der Krise nur deutlicher hervortrat war auch vorher kein Geheimnis: die EU ist ein imperialistisches Zweckbündnis und damit ein Bündnis auf Zeit. Die EU ist die Einheit der Monopole, aber da das Kapital nach wie vor nationalen Charakter hat und somit nationale Interessen, hat die politische Vereinigung klare Grenzen.
König von Europa und noch viel mehr?
Die EU ist bei weitem nicht das einzige Betätigungsfeld des deutschen Imperialismus. Immer wieder wird deutlich, dass man versucht die eigenen Interessen vermehrt auch gegen den US-Imperialismus zu verteidigen, wie dies bei der Haltung zu Ägypten und vor allem Libyen zu beobachten war. Man tummelt sich in Afrika, baut eifrig die Wirtschaftsbeziehungen zu China und Russland aus und versucht vielerorts, einen Fuß in die Tür zu bekommen.
Der Beschluss der Bundesregierung, im Rahmen der imperialistischen Aggressionen gegen Syrien zwei Staffeln „Patriot“-Raketen und bis zu 400 Soldaten in der Türkei zu stationieren, ist ein aktuelles Beispiel für die zunehmend aktive Rolle des deutschen Imperialismus, wenn es um die Sicherung und Eroberung von Einflussgebieten geht. Ein weiteres Indiz für die zunehmende Rolle Deutschlands im Konkurrenzkampf, unter den Imperialisten, ist der hohe Anteil von 9,4% Weltmarktanteilen im Waffenhandel. 2010 betrug der Wert tatsächlich ausgeführter Kriegsgeräte 2 Milliarden Euro, was eine Steigerung um 50% zum Vorjahr bedeutet. Nach dem US-Imperialismus mit 35% und dem russischen Imperialismus mit 24%, dessen Anteile auch stark anwachsen, ist Deutschland seit Jahren auf Platz 3 der Waffenexporteure. Auch die Professionalisierung der Bundeswehr ist Teil dieser Entwicklung.
Es ist kein Geheimnis, dass die Weltmacht USA auf dem absteigenden Ast ist und China, Russland, ja selbst Indien und Brasilien bereits nachdrängen. Dabei nehmen die Widersprüche zwischen den Imperialisten immer mehr zu und treten bei unzähligen Konflikten weltweit offen zu tage. Für eine Neuaufteilung ist es aber allen Beteiligten noch zu früh und besonders Deutschland nimmt eine abwartende Haltung ein, wenn es um die Entscheidung für neue Zweckbündnisse geht.
Der deutsche Imperialismus scheint seine eigene Linie in der internationalen Politik erst zu entwickeln und sich derzeit in den sich anbahnenden Konflikten zwischen den sich bereits abzeichnenden Blöcken USA/NATO und Russland/China noch nicht endgültig festlegen zu wollen. Auch wenn das langjährige Zweckbündnis mit dem US-Imperialismus noch anhält, zeichnen sich doch deutliche Risse ab und die Fühler werden offensichtlich auch in andere Richtungen ausgestreckt, wie man zum Beispiel im Krieg gegen den Irak, den Beziehungen zum Iran und zu Russland sehen kann. Man will sich wohl noch so lange wie möglich verschiedene Wege offen halten, Kontakte knüpfen und ausbauen, den eigenen Einfluss vorerst auf nicht militärischem Wege stärken und eine offene Auseinandersetzung zwischen den imperialistischen Kräften heraus zögern. Diesbezüglich gibt es auch Auseinandersetzungen und Konflikte innerhalb der deutschen Bourgeoisie.
Außerdem ist die militärische Aktivität natürlich nicht das einzige Kriterium imperialistischen Einflusses, sprich imperialistischer Ausbeutung und Unterdrückung. Deutschland exportiert eine Menge Kapital und lässt sich keine Gelegenheit entgehen, seine Extraprofite aus den abhängigen Ländern zu erhöhen. Sei es unter dem Deckmantel „Entwicklungshilfe“, „Handelsabkommen“, „Hilfe zur Wirtschaftsentwicklung“ oder was auch immer; der alte Slogan „deutsche Waffen deutsches Geld morden mit in aller Welt“ trifft nach wie vor wortwörtlich zu.
Der Charakter des „aggressiven, zu spät kommenden“ deutschen Imperialismus ist keineswegs Geschichte und wird mit der im Imperialismus unvermeidlichen Verschärfung der Widersprüche immer deutlicher.
II. Kein Kapitalismus ohne Arbeiterklasse
Ja, soviel dazu, mit wem wir es in Deutschland auf der anderen Seite der Barrikade zu tun haben! Jetzt wollen wir etwas zu uns sagen, denn schließlich besteht Deutschland nicht nur aus Ausbeutern und Unterdrückern, sondern auch aus der hier lebenden Arbeiterklasse. Wir haben uns für diesen Text nicht die Mühe gemacht, die Arbeiter in Deutschland zu zählen, aber wir sehen sie tagtäglich zu Hause, auf der Arbeit und an der Bushaltestelle und sind somit sicher, dass es sie als Klasse noch gibt. Selbstverständlich, denn ohne Arbeiter kann es keinen Kapitalismus geben, aber dessen Existenz hat noch keiner zu leugnen versucht, auch wenn dafür gerne der Begriff „freie Marktwirtschaft“ benutzt wird. Eine Gesellschaft kann nicht existieren, ohne zu produzieren und dies geschieht durch die Verausgabung von Arbeitskraft. Die deutschen Stahlwerke haben 2013 zwar nur 42,2 Millionen Tonnen Stahl erzeugt und damit rund 1% weniger als im Vorjahr, aber trotz dem sinkenden Anteil physischer Arbeit wird Stahl immer noch nicht ausschließlich von Robotern sondern von Menschen produziert. Laut dem Statistischen Bundesamt sind im Jahr 2012 knapp 6 Millionen Menschen in fast 45.000 Betrieben im „verarbeitenden Gewerbe“ tätig, wobei die größten Bereiche der Maschinenbau mit 967.000 Beschäftigten und die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen mit 744.000 Beschäftigten sind. 2010 waren 24,42% der arbeitenden Bevölkerung in der Industrie tätig. Aber davon abgesehen, dass das Industrieproletariat also keineswegs „verschwunden“ ist, gibt es noch viele weitere Menschen, die zur Arbeiterklasse gehören und dazu gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen, auch wenn sie nicht direkt etwas produzieren.
Die Arbeiterklasse ist aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess die einzige Klasse, die nicht nur ein Interesse an der Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln hat – weil sie nämlich selber keine besitzt – sondern auch die einzige, die dazu in der Lage ist. Ohne Menschen die arbeiten kann man nämlich nicht produzieren, aber ohne Kapitalisten die sie ausbeuten schon!
Auch wenn die Arbeiterklasse die große Mehrheit in Deutschland bildet, gibt es neben ihr auch noch andere Klassen und Schichten, die nicht zur Monopolbourgeoisie oder der nicht-monopolistischen Bourgeoisie gehören. Die Monopolisierung ist zwar weit fortgeschritten, so erwirtschafteten weniger als 1% der größten Unternehmen 2009 knapp 65% des Umsatzes, aber das zur Kleinbourgeoisie zählende Handwerk existiert auch in Deutschland noch. 2009 gab es rund 573.000 Handwerksunternehmen und fast 3,5 Millionen Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten. Nahezu völlig bedeutungslos geworden ist dagegen ein anderer klassischer Bestandteil der Kleinbourgeoisie, die Bauernschaft. Ein paar Bio-Bauern, Winzer und Milchbauern existieren zwar noch, aber die Landwirtschaft hat in Deutschland durchgehend kapitalistischen Charakter und die restlichen Bauern haben kaum noch gesellschaftliches Gewicht und existieren nicht mehr als eigenständige Klasse.
Die Intelligenz (zum Beispiel Lehrer, Anwälte, Ärzte, Künstler etc.) kann man nicht so einfach in eine Schublade stecken, da es große Unterschiede bezüglich ihrem Einkommen und ihrer Lebenssituation gibt. Neben werktätigen Schichten, deren Situation sich kaum oder gar nicht von der der Arbeiter unterscheidet und die deshalb durchaus als Bündnispartner gewonnen werden können, gibt es auch sehr privilegierte Teile, die der Bourgeoisie näher stehen. Ähnlich verhält es sich mit der alten Kategorie der „Angestellten“, von denen einige nichts anderes als Arbeiter sind, während andere als hohe Beamte, z.B. im bürokratischen Staatsapparat oder Manager großer Konzerne, eng mit den Kapitalisten verbunden sind. Diese Frage genauer zu beleuchten und vor allem Schlüsse daraus für unsere Politik zu ziehen ist mit Sicherheit eine Aufgabe, der wir uns dringend stellen müssen, die aber den Rahmen dieses Textes sprengen würde.
Arbeitsbedingungen und Armut hierzulande
2013 wird in Deutschland von 12 Millionen Arbeitslosen gesprochen. Leiharbeit, Zeitarbeit, befristete Verträge und Niedriglohn bestimmen inzwischen ganze Branchen.
Der Niedriglohnanteil ist in Deutschland 2012 auf 22% gegenüber sogenannten „Normalarbeitsverhältnissen“ angestiegen. Einen höheren Anteil haben nur noch die USA mit 25%. Jeder fünfte Beschäftigte (20,6 %) in Deutschland muss laut Statistischem Bundesamt zu Niedriglöhnen unter 10,36 Euro die Stunde arbeiten. Jeder Vierte ist mit einem befristeten Arbeitsvertrag oder als Minijobber, Leiharbeiter sowie in Teilzeit beschäftigt.
In Deutschland wird immer deutlicher, wohin die Profite fließen: einerseits nimmt der private Reichtum im Gegensatz zum staatlichen stark zu (wir erinnern uns an die Millionenspenden aus Steuergeldern an die armen Banken) und gleichzeitig geht die „Schere“ zwischen arm und reich immer weiter auf. Das gibt die alte Bundesregierung in ihrem Entwurf für den vierten Armuts- und Reichtumsbericht vom September 2012 sogar offen zu: Während das Nettovermögen des deutschen Staates zwischen Anfang 1992 und Anfang 2012 um über 800 Milliarden Euro zurückging, hat sich das Nettovermögen der privaten Haushalte von knapp 4,6 auf rund zehn Billionen Euro mehr als verdoppelt. Die untere Hälfte der Haushalte verfüge indes über nur gut ein Prozent dieser Summe, während die reichsten 10% der Haushalte über die Hälfte des gesamten Nettovermögens verfügen. Auch der Unterschied zwischen Ost und West ist immer noch deutlich; Westdeutsche Haushalte hatten im Schnitt ein Immobilien- und Geldvermögen von etwa 132.000 Euro, bei den Ostdeutschen sind es 55.000 Euro.
Bei den Löhnen haben wir die gleiche Tendenz: die Reichen werden reicher und die Armen ärmer; die Spitzengehälter steigen während “die unteren 40% der Vollzeitbeschäftigten nach Abzug der Inflation Verluste hinnehmen mussten”.
Besonders stark stieg die Armutsgefährdungsquote seit 2010 in Berlin an, um 1,9 Prozentpunkte auf 21,1 Prozent, sowie in Nordrhein-Westfalen um 1,2 Prozentpunkte auf 16,6 Prozent. In beiden Bundesländern steigt dieser Wert seit Jahren kontinuierlich an. Auch wenn aus Armut bekanntlich nicht automatisch Aufstand hervorgeht, ist es wohl kein Zufall, dass unter anderem für diese beiden Gebiete eine erhöhte „Gefahr“ sozialer Unruhen und Aufstände vorhergesagt wird.
Für uns stellt sich angesichts dieser Situation immer unsicherer Arbeitsverhältnisse, chronischer Massenarbeitslosigkeit und wachsender Armut die Frage, welche Konsequenz dies für unsere Organisationsmodelle, unsere politischen Kampfformen und Inhalte, die Konkretisierung der Zielgruppe für die jeweilige Arbeit und unsere langfristige Strategie hat. Was ändert sich an der konkreten Arbeitssituation, wo, wie und womit können wir die Menschen erreichen und wie sie organisieren? Welche Rolle spielt dabei die Internationalisierung der Produktion und welche Möglichkeiten ergeben sich dadurch?
Soziale Bewegungen und Entwicklungstrends
Die Angriffe auf die Arbeiterklasse haben in den letzten Jahren in zahlreichen europäischen Ländern bereits zu massenhaften militanten Aktionen geführt. Zahlreiche Massenstreiks wurden durchgeführt und am 14. November 2012 hat sogar ein europaweiter Aktionstag und Generalstreik in einigen Ländern gegen „soziale Unsicherheit“ stattgefunden. Oftmals richtet der noch spontane Widerstand sich nicht nur gegen die eigene Bourgeoisie, sondern auch gegen den deutschen Imperialismus und geht mehr und mehr von allein ökonomischen Kämpfen zu politischen über, die das gesamte imperialistische System, wenn auch noch unklar formuliert, in Frage stellen.
In Deutschland selber blieb eine fühlbare Vertiefung des Klassenkampfes der Arbeiter und Werktätigen doch bisher noch weitgehend aus. Mit Kurzarbeit und Sparpaketen wurde das Abwälzen der Krisenlast auf die Werktätigen etwas heraus gezögert. Auch der sich vielfältig äußernde starke Einfluss des Sozialdemokratismus (Reformismus) auf die werktätigen Massen in Deutschland trägt dazu bei, dass Kämpfe sich entweder schwach entwickeln oder zumindest nicht die Grenzen des Systems antasten.
Trotzdem gibt es auch bei uns eine ganze Reihe von sozialen Bewegungen, insbesondere der Jugend, die zu verschiedenen Themen politische Kämpfe führen und insgesamt ein nicht zu unterschätzendes Potential darstellen.
Neben der Frage, welcher Teil der Arbeiterklasse warum das revolutionärste Potential hat und mit welchen Teilen der Gesellschaft Bündnisse möglich sind, ist für uns wichtig, uns ein klares Bild vom Stand der verschiedenen politischen und sozialen Bewegungen in Deutschland zu machen. Die eine Seite sind die objektiven Klassenverhältnisse, die es zu analysieren gilt. Die andere Seite ist der aktuelle Stand der Bewegungen, also welche Teile der Gesellschaft aktiv sind, wo Entwicklungspotential besteht etc.
Eine Einschätzung der momentan stattfinden Betriebskämpfe, der Anti-Atom-Bewegung, der Flüchtlingskämpfe, der autonomen und Antifa-Bewegung, der Bildungsproteste von Schülern und Studenten, der Krisenproteste, der Occupy-Bewegung, der Anti-Kriegsbewegung usw. ist eine weitere Aufgabe all derer, die hier wirklich etwas verändern wollen.
Welche Formen spontaner Betriebskämpfe finden heute statt, wie können wir in sie Eingreifen und weiterentwickeln? Welchen Einfluss haben die gelben Gewerkschaften? Was für Forderungen stehen im Zentrum und welche Ansätze von fortschrittlicher und/oder revolutionärer Organisierung gibt es? Welchen Einfluss haben Antikommunismus, Reformismus und Revisionismus und wie treten wir diesen Angriffen heute entgegen? Wird die traditionell anarchistisch und militant geprägte Antifa-Bewegung sozialdemokratischer? Ist sie bereits Teil des Systems geworden? Welche Entwicklung hat diese große und dynamische Jugendbewegung seit den 90er Jahren durchgemacht und in welche Richtung entwickelt sie sich heute? Wie gehen die Menschen mit der zunehmenden Verarmung und der Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen um und was für eine Rolle spielt die Occupy-Bewegung in den Krisenprotesten? Wie hängen die antiimperialistischen Kämpfe gegen den deutschen Imperialismus in Afghanistan mit den Protesten gegen G8, NATO- und EU-Gipfel zusammen? Diese und zahlreiche weitere Fragen gilt es zu Analysieren und zu Beantworten.
Formale Gleichberechtigung = reale Unterdrückung
In Deutschland wurden viele Rechte der Frauen bereits auf dem Papier errungen und es ist wenig übrig geblieben, wofür eine Kassiererin mit einer Bundeskanzlerin gemeinsam kämpfen kann. Nicht, dass es keine Gründe zum Kämpfen mehr gebe, bei weitem nicht! Nach wie vor kriegt jede Frau es tagtäglich zu spüren, dass sie in dieser Gesellschaft ein Mensch „zweiter Klasse“; Objekt und Ware ist. Das Ausmaß häuslicher Gewalt, Vergewaltigung, Missbrauch, geschlechtlicher Diskriminierung, niedrigerer Löhne für gleiche Arbeit, Abtreibungsparagraphen und der Ausverkauf des weiblichen Körpers sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Aber um diese Probleme wirklich zu lösen bedarf es mehr als einen Gleichberechtigungsparagraph in der Verfassung.
Die Frauenfrage hat in Deutschland mehr und mehr ihre demokratische Dimension verloren und nimmt immer mehr einen sozialistischen Charakter an. Die bürgerliche und kleinbürgerliche Frauenbewegung verliert zunehmend ihren fortschrittlichen Charakter und die konkreten Interessen der Arbeiterinnen und der bürgerlichen Frauen driften zunehmend auseinander. Während die einen um einen (bezahlbaren) Kitaplatz kämpfen, debattieren die anderen um Quoten in Aufsichtsräten.
Die Befreiung der Frau ist letztendlich nur in einer Gesellschaft ohne Privateigentum möglich, und auch das ist erst die Voraussetzung und bedarf auch nach der Errichtung einer solchen Gesellschaft noch eines langen beharrlichen Kampfes. Der Kampf um die Befreiung der Frau muss also gemeinsam geführt werden, mit dem Kampf für den Sozialismus. Aber diesen Kampf werden wohl kaum die Frauen der Bourgeoisie führen, die zwar als Frauen unterdrückt werden, aber gleichzeitig Teil der herrschenden Klasse und somit an der Erhaltung dieses Systems interessiert sind.
Die Arbeiterklasse in Deutschland ist international
Die Arbeiterklasse setzt sich in Deutschland nicht nur aus Männern und Frauen, sondern auch sehr international zusammen. Im Dezember 2010 lebten 7,2 Millionen Migranten in Deutschland, davon 1,6 Millionen Staatsangehörige der Türkei (also Türken, Kurden oder Angehörige einer der vielen nationalen Minderheiten dieses multinationalen Landes). Außerdem haben allein 2,8 Millionen Einwohner Deutschlands einen sogenannten „türkisch/kurdischen Migrationshintergrund“, dabei ist die Hälfte davon hier geboren. Insgesamt leben in Deutschland etwa 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Um zu erfahren, dass unser Kampf international ist brauchen wir also gar keine weiten Reisen zu unternehmen.
Das alte Spiel der Herrschenden „Teile und Herrsche“ erfreut sich auch hierzulande immer noch großer Beliebtheit. Vorurteile, Diskriminierung und offener Rassismus sind beliebte Mittel, um uns zu spalten und von unseren gemeinsamen Interessen abzulenken. Der internationale Charakter der Arbeiterklasse in Deutschland stellt ein großes Potential dar, denn hier kommen Erfahrungen, Kulturen und Widerstandstraditionen aus fast allen Ländern der Welt zusammen. Um dieses wertvolle Potential in eine greifbare Tatsache zu verwandeln stehen wir in Deutschland vor der großen Verantwortung, die künstlich erzeugten Grenzen verschiedener Herkunft, Religion, Kultur und Tradition zu überwinden und die Arbeiter und Werktätigen auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Interessen zu vereinen. All die verschiedenen Kämpfe von Flüchtlingen, Migrantenorganisationen, Auslandsorganisationen revolutionärer und kommunistischer Kräfte zahlreicher Länder hier in Deutschland, die oft noch parallel nebeneinander existieren, mit den Kämpfen an den Schulen, Unis, in den Betrieben, Wohnvierteln und auf der Straße zusammen zu bringen ist mit Sicherheit eine der wichtigsten Aufgaben zur Stärkung des Klassenkampfes hier.
Unsere Verantwortung in den imperialistischen Zentren
Gerade wir in Deutschland haben eine besondere Verantwortung, den Kampf gegen die deutsche Bourgeoisie erfolgreich zu führen. Der deutsche Imperialismus beutet nicht nur die Werktätigen in Deutschland sondern auch in Europa, Afrika, Asien, etc. sprich in vielen Teilen der Welt aus! Als Revolutionäre und Kommunisten in einem der stärksten imperialistischen Länder befinden wir uns quasi in der „Höhle des Löwen“ oder anders gesagt „im Herzen der Bestie“. Uns steht eine der stärksten und erfahrensten Monopolbourgeoisien der Welt gegenüber, die es sich zudem immer noch leisten kann, einen Teil der Arbeiter und Werktätigen im eigenen Land durch Sozialleistungen zum Stillhalten zu bringen, aber andererseits befinden wir uns auch direkt im Zentrum der Macht, am Hebel eines bedeutenden Teils der Weltproduktion. Ökonomische, politische, ideologische und militärische Schaltzentren imperialistischer Macht sind in unserer Reichweite, so dass es uns an Zielen, die es auf Korn zu nehmen gilt nicht mangelt.
Die imperialistische Monopolbourgeoisie in Deutschland zu schwächen und letztendlich zu stürzen ist ein unschätzbarer Beitrag nicht nur für die Befreiung der Menschen hier, sondern in Europa und auf der ganzen Welt. Kein Zufall ist es deswegen auch, dass die Repression sich in Deutschland besonders stark gegen Formen illegaler Organisierung sowie alle Formen revolutionärer Gewalt richtet, denn nicht nur uns, sondern auch dem Klassenfeind ist klar, dass nur diese Form der Organisierung und nur die Anwendung aller Mittel im Kampf, ihnen wirklich gefährlich werden kann. Alles, was den Kapitalismus wirklich in Frage stellt, läuft auf einen gewaltsamen Umsturz, eine Revolution hinaus. Revolution, dass heißt die Macht- und damit die Eigentumsverhältnisse verändern.
Um uns darauf vorzubereiten verfügen wir gerade in den imperialistischen Zentren über zahlreiche Möglichkeiten, wie Zugang zu Informationen und Wissen in den verschiedensten Bereichen, so haben z.B. 79% aller Haushalte Internetzugang, der Bildungsstand der Werktätigen ist vergleichbar hoch, finanzielle/materielle Möglichkeiten sind für uns erreichbarer als für viele andere, technisches Know-How in vielen Bereichen ist Standard, deutsche Pässe ermöglichen uns fast uneingeschränktes Reisen und somit Zugang zu Erfahrungen aus anderen Ländern… um nur einiges zu nennen. Anstatt diese Möglichkeiten als „Privilegien“ abzutun sollten wir sie rücksichtslos in den Dienst des internationalistischen revolutionären Kampfes stellen und vielfältig nutzen.
Wir, als Menschen verschiedener Herkunft die in Deutschland leben und kämpfen, wollen uns dieser Verantwortung stellen. Wir haben heute mehr Fragen als Antworten, aber das schreckt uns nicht ab. Wie bereits einleitend erwähnt, dieser Text ist für uns ein Anfang, noch viel mehr Fragen zu stellen und wir sind fest davon überzeugt, dass Fragen stellen ein guter Weg ist, um zu Antworten zu kommen.
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