Rechte der Beschäftigten - Bremsklotz beim "Aufschwung"?

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Seit einiger Zeit geistert ein Wunschkatalog der bayerischen "Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft", genannt "Zwölf Handlungsfelder für eine Modernisierung des Arbeitsrechts" durch Politik und Betriebe.

 

Die relevante Kurzfassung:

"Für eine Modernisierung des Arbeitsrechts"

Vorwort [von Bertram Brossardt]

Der überregulierte Arbeitsmarkt ist eine Schwachstelle des Standortes Deutschland. Eine nicht mehr zu überblickende Vielzahl an Regelungen erschwert nicht nur einen effizienten Arbeitseinsatz zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Sie führt auch dazu, dass Arbeitgeber sich sehr genau überlegen, ob sie überhaupt neue Mitarbeiter in Deutschland einstellen. Das deutsche Arbeitsrecht wird damit zur Beschäftigungsbremse. Per saldo verhindern allein die Regelungen des Kündigungsschutzes, dass jährlich mehr als 40.000 neue Stellen geschaffen werden. Das kann sich Deutschland vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation, aber auch im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der Volkswirtschaft nicht leisten. Eine umfassende Modernisierung des Arbeitsrechts, wie wir sie mit unseren Vorschlägen verfolgen, trägt dazu bei, die drängenden Probleme des Arbeitsmarktes zu lösen.

[Zusammenfassung]

01 Kündigungsschutz
Ein modernes Kündigungsschutzrecht muss Beschäftigungsaufbau und sozialen Schutz in Einklang bringen. Hierfür brauchen wir klare, verständliche und rechtssichere Regelungen, unter anderem durch Einführung einer echten Abfindungsoption, die Ausweitung der Wartezeit auf fünf Jahre und die Anhebung des Schwellenwerts auf 20 Arbeitnehmer im Betrieb.

02 Arbeitszeit
Unternehmen benötigen bei der Gestaltung der Arbeitszeit ein Höchstmaß an Flexibilität, um insbesondere Schwankungen bei der Auftragslage durch die jeweilige Anpassung der Arbeitszeit ausgleichen zu können. Die gesetzlichen Begrenzungen der Arbeitszeit sind auf europäische Vorgaben zurückzuführen, Aufzeichnungspflichten müssen gelockert werden.

03 Teilzeitarbeit
Der bürokratische und komplizierte allgemeine Teilzeitanspruch im Teilzeit- und Befristungsgesetz muss abgeschafft werden.

04 Befristete Arbeitsverhältnisse
Die Bedingungen für befristete Arbeitsverhältnisse müssen so gestaltet werden, dass befristete Beschäftigung für Arbeitgeber eine Alternative darstellt, die nicht mit unnötigen Risiken verbunden ist. Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses muss bis zur Dauer von fünf Jahren möglich sein.

05 Entgeltfortzahlung
Das Risiko der Erkrankung eines Arbeitnehmers ist ein vom Arbeitgeber nicht zu beeinflussender Faktor. Die Kosten der Entgeltfortzahlung, die er zu tragen hat, sind nach derzeitiger Rechtslage für ihn nicht kalkulierbar. Die gesetzliche Entgeltfortzahlung sollte daher im Krankheitsfall auf sechs Wochen im Kalenderjahr beschränkt werden.

06 Besonderer Arbeitnehmerschutz

Schutzbedürftigen Arbeitnehmergruppen ist durch Beschäftigungsanreize mehr geholfen als durch Sonderpflichten zu Lasten der Arbeitgeber. Darum muss der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen auf den Prüfstand.

07 Arbeitnehmerüberlassung

Für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen ist Zeitarbeit ein unverzichtbares Personalinstrument geworden, dessen Flexibilität erhalten und ausgebaut werden muss. Das Erlaubnisverfahren muss vereinfacht werden, überflüssige statistische Meldungen sind abzuschaffen und unnötige Reglementierungen zu beseitigen.

08 Betriebsübergang

Betriebsübergänge im Rahmen von Unternehmensumstrukturierungen sind alltägliche Vorgänge, die für den Arbeitgeber nicht mit unkalkulierbarem Aufwand und besonderen Risiken belegt sein dürfen. Dazu müssen die Anforderungen an die Information der Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsüberganges praxisgerecht ausgestaltet werden.

09 Tarifrecht

Die Tarifautonomie ist zu erhalten und modern fortzuentwickeln. Dazu gehören betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Flächentarifverträge ebenso wie die Befristung der Nachbindung eines Tarifvertrages und der Nachwirkung von Betriebsnormen auf ein Jahr, das Absehen von staatlichen Mindestarbeitsbedingungen und eine gesetzliche Regelung des Arbeitskampfrechts.

10 Betriebsverfassung

Konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat fördert sowohl die Interessen der Arbeitnehmer als auch die der Arbeitgeber – aber nur, wenn die betriebliche Mitbestimmung schnell, flexibel und passgenau ist. Transparenz und Demokratie bei der Wahl des Betriebsrates, Aufgabenentschlackung und Verfahrensbeschleunigung sind dafür die Voraussetzungen.

11 Unternehmensmitbestimmung
Die deutsche Unternehmensmitbestimmung ist in ihrer konkreten Ausgestaltung weltweit eine Insellösung geblieben. Die Globalisierung der Wirtschaft, die zunehmende internationale Arbeitsteilung und Vernetzung, die Erweiterung der Europäischen Union, die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes und einer europäischen Währung sind Entwicklungen, die die Mitbestimmung entscheidend beeinflussen. Eine grundlegende Modernisierung der Unternehmensmitbestimmung muss einen Vorrang für unternehmensspezifische Vereinbarungslösungen und eine Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer als Auffanglösung vorsehen.

12 Mehr Transparenz und Typisierung
Das gesamte deutsche Arbeitsrecht ist zu komplex. Wir streben Vereinfachung und Transparenz mit dem Ziel der damit verbundenen größeren Rechtssicherheit in der Anwendung an. Wesentliche Schritte wären die Zusammenfassung individualrechtlicher Regelungen in einem Arbeitsvertragsgesetzbuch, Korrekturen bei der Anwendung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen auf das Arbeitsrecht, Einführung einer kurzen Verjährung und die Vereinheitlichung von Schwellenwerten."

 

Wie üblich schnürt das Kapital kurz vor den Wahlen nochmal schnell und öffentlichkeitswirksam, begleitet von düsteren Szenarien wie von Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser in 'Focus', seine Wunschpakete. Diese dienen als Türöffner. Während permanent Lobbyvertreter und Experten der Unternehmerverbände ganz konkret in Bundestagsausschüssen, über Gesetzesvorlagen usw. Einfluß nehmen, kennzeichnen derartige Konzepte einerseits Maximalprogramme, andererseits bringen sich so die Unternehmerverbände offensiv in die gesellschaftliche und insbesondere gewerkschaftliche Diskussionen ein.

Der manipulative Charakter dieses Horrorkatalogs besteht darin, davon abzulenken, daß es die gesetzmäßigen kapitalistische Krisen sind, und nicht die Rechte der Beschäftigten, soziale Errungenschaften und erkämpfte Löhne, die verantwortlich sind für die gegenwärtige Situation. Darauf wird jedoch nur allzu gerne - absichtlich oder unabsichtlich - hereingefallen.

Denn anstatt die gerade in Krisenzeiten eigentlich notwendigen gewerkschaftlichen Kämpfe zur Wahrung und Durchsetzung der Interessen der Lohnabhängigen eine positive Diskussion zu organisieren zerbrechen sich ganze Funktionärsebenen in den Gewerkschaften den Kopf über die mehr oder weniger kampflose Preisgabe erkämpfter Rechte (Rente mit 67 etc.) oder fabulieren gar über eine Teilhabe der "Arbeitnehmer" und erheben die "gesellschaftliche Stabilität" zum Maßstab ihrer Tätigkeit. an der Ausbeutung. Der Beifall Merkels ist ihnen sicher. Der Mitgliederverlust ebenfalls.

Statt sich darauf zu beschränken, je nach Parteizugehörigkeit vor einer farblich wie auch immer gestalteten Regierung zu warnen und dafür die eigene zu propagieren, müssen die Beschäftigten in den Betrieben tatsächlich auf die kommenden Auseinandersetzungen eingestellt werden. Denn was uns nach den Wahlen erwartet steht jetzt schon fest und wird auch immer offener zugegeben: Die kurzfristigen Reaktionen auf die ökonomische Krise (Abwrackprämie, Milliardenbürgschaften für angeschlagene Unternehmen etc.) werden heftige Auswirkungen nach sich ziehen, sobald ihre Wirkung verpufft ist. Betriebsschließungen und Massenentlassungen werden ebenso folgen wie weitere Einschnitte bei den Ausgaben im öffentlichen Bereich, für Soziales, Gesundheit und Bildung. Die Politik der letzten Jahre, die eine stetige Umverteilung von "unten" nach "oben" mit sich brachte, wird sich verstärkt fortsetzen. Daß die "Reichen werden immer reicher" werden ist dabei keine hohle Phrase sondern der logische Umkehrschluß daraus, daß die Löhne in Deutschland - insbesondere bei den Frauen - im Europavegleich zu den Schlusslichtern gehören. Was die Unternehmerverbände komischerweise nicht davon abhält, regelmäßig die Platte von den zu hohen Lohnkosten aufzulegen.

Die  Gewerkschaften bauen sich vor allem in mobilisierenden Kampagnen, mit Demonstrationen und Streiks auf. Das zeigten die jüngst stattgefundenen Arbeitskämpfe zum Beispiel im Einzelhandel und im Sozial- und Erziehungsdienst, die nicht nur zu einer organisatorischen Stärkung sondern auch zu wichtigen Kampferfahrungen und Diskussionen über notwendige gesellschaftliche Perspektiven führten. Es gibt keinen Kapitalismus ohne Krieg und Krisen.