„Liebhaber nationaler Literatur“

Erstveröffentlicht: 
03.02.2014

Völlig unbehelligt veranstalteten Neonazis am 2. Februar eine „Bücherbörse“ im „Thinghaus“.

 

Gegen 11.00 Uhr am Sonntag sollte die „1. Norddeutsche Bücherbörse“ der Neonazi-Szene aus Mecklenburg im „Thinghaus“ in Grevesmühlen starten. Zunächst wurde der „Büchermarkt für Liebhaber antiquarischer und nationaler Literatur“ nur intern beworben, dann kündigte auch „mupinfo“ die Veranstaltung an. Private Anbieter sollten 15 Prozent ihres Verkaufserlöses an den „Freundeskreis Thinghaus“ abgeben, professionelle Aussteller hatten einen Obolus pro Laufmeter zu zahlen.

Bereits Stunden zuvor begannen zwei fleißige Frauen aus dem Umfeld von Sven Krüger aus Jamel alles vorzubereiten. Wenig später fuhr der Wagen von Stephan Jandzinski aus Teldau vor. 2011 war der ehemalige NPD-Direktkandidat mit einem T-Shirt mit der Unterschrift von „Adolf Hitler“ am „Thinghaus“ aufgefallen. Bis zum Samstagnachmittag reisten dann rund 30 Autos auch aus Stralsund, Neukloster oder Lübeck an. Viele Besucher schleppten Kisten ins Gebäude. Einige interessierte Anwohner aus Grevesmühlen betraten die ansonsten abgeschottete braune Festung mit Wachturm. An der Straßenfront prangt immer noch das Plakat mit dem kleinen Mädchen mit Kopftuch, welches die Zunge herausstreckt. Daneben steht eigentlich der Spruch der NPD-MV: „Ätsch noch immer nicht verboten. Mitgliedsausweis sichern.“ Doch der ist kaum lesbar, weil Zaun und Werbefläche im Oktober vergangenen Jahres großflächig mit weißer Farbe übersprüht wurden.

 

Gefährliches Interesse an NS-Büchern

Am gestrigen Sonntag gab es weder regionalen Protest noch sichtbare Polizeipräsenz trotz öffentlicher Ankündigung der Veranstaltung. Dabei ist das gefährliche Interesse vor allem völkisch-geprägter Kameraden an NS-Büchern auch den Sicherheitsbehörden seit Jahren bekannt. Nach den Hausdurchsuchungen zur 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) und Umfeldorganisationen fanden die eingesetzten Beamten das bestätigt. Gern gelesen werden unter anderem antisemitische Kinderbücher wie der „Der Giftpilz“, Literatur zum Brauchtum oder Bücher des umtriebigen bayerischen Jugendschriftstellers Josef Viera, der sich als Autor einer Horst Wessel-Biografie und zahlreicher anderer NS-Bücher einen umstrittenen Namen machte. Das Internet-Auktionshaus ebay scheint für Neonazis auf der Suche nach ewiggestriger Literatur eine der wichtigsten Quellen, wird aber intern abfällig „jewbay“ genannt.

Der verurteilte Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion Michael Grewe ist als Anhänger der Literatur des Dritten Reiches intern bekannt. Er könnte sich hinter dem Bücherbörsen-Veranstalter „Michael“ verbergen, der dem rechtsextremen Portal „mupinfo“ im Vorfeld der Bücherbörse ein Interview gab und behauptete, dass „bei uns sogar mehr gelesen wird, als im Durchschnitt der Bevölkerung“.

Bereits zwei Tage zuvor, am Freitag, hatte der NPD-Kreisverband Westmecklenburg unter Andreas Theißen im ehemaligen Hotel Stadt Hamburg in Lübtheen getagt. Die Parteiliste für die Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 25. Mai 2014 sollte aufgestellt werden. (ar)