Berlin fürchtet Hamburger Verhältnisse

Erstveröffentlicht: 
11.01.2014

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) schließt Unterstützungsaktionen Berliner Linksextremisten für Hamburg nicht aus. Auch der Berliner Verfassungsschutz hält die Stimmung für sehr aufgeheizt. Bundesweit sehen Sicherheitskreise sogar eine neue Qualität linksextremer Gewalt. von Christian Tretbar.

 

Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei in den vergangenen Wochen in Hamburg sowie den Protesten rund um das Flüchtlingscamp am Oranienplatz in Kreuzberg hat der Berliner Verfassungsschutz eine zunehmende Mobilisierung ausgemacht.

 

„Die linksextreme Szene in Berlin ist derzeit stark in Bewegung, und sowohl durch die Ereignisse in Hamburg als auch durch die Situation am Oranienplatz ist die Stimmung sehr aufgeheizt“, sagte der Berliner Verfassungsschutzchef Bernd Palenda dem Tagesspiegel.

 

In der Szene werde Solidarität mit Hamburg eingefordert. An den Ausschreitungen in Hamburg kurz vor Weihnachten waren etwa 200 Berliner Autonome beteiligt. Damals wurden nach Polizeiangaben 120 Polizisten und nach Angaben der Protest-Veranstalter 500 Demonstranten verletzt. Es gab zudem mehrere Festnahmen. In den Folgetagen gab es weitere Proteste.

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Auch Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hält Auswirkungen der Hamburger Krawalle auf Berlin für möglich. „Natürlich können wir nicht ausschließen, dass die Auseinandersetzung zwischen der linksextremen Szene und dem Hamburger SPD-Senat auch zu Unterstützungsaktionen in Berlin führt. Es ist davon auszugehen, dass das Thema Mobilisierungspotenzial hat“, sagte er dem Tagesspiegel.

Henkel: Szene versucht Proteste der "illegalen Flüchtlinge am Kochen zu halten"

Die Berliner Polizei habe die Lage im Blick und sei entsprechend sensibilisiert. Am Flüchtlingscamp gebe es derzeit keine veränderte Lage. „Aber natürlich versucht die Szene, den Protest der illegalen Flüchtlinge mit zu steuern und am Kochen zu halten.“

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Bundesweit rechnen Sicherheitsbehörden mit einer starken Zunahme linker Gewalttaten. In Sicherheitskreisen heißt es, dass man im Jahr 2014 eine „neue Qualität linksextremer Gewalt ernsthaft in Betracht“ ziehen müsse. Das Mobilisierungspotenzial sei sehr groß. Bei den Protesten rund um das Kulturzentrum „Rote Flora“ in Hamburg kurz vor Weihnachten seien laut Sicherheitskreisen unter den rund 7000 Demonstranten auch etwa 4500 gewaltbereite Autonome gewesen. Das sei für sich schon eine große Zahl, vergegenwärtige man sich aber, dass deutschlandweit die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten laut Verfassungsschutzbericht 2012 (hier als pdf-Download) bei 7100 Personen, darunter rund 6400 Autonome, liege, zeige das, wie stark die Szene in Bewegung sei.

In Hamburg und Berlin hat die linksextreme Szene symbolträchtige Orte gefunden

Grund für diese Entwicklung ist laut Sicherheitskreisen auch die Tatsache, dass es für die Szene mit der „Roten Flora“ in Hamburg und dem Flüchtlingscamp am Oranienplatz in Berlin zwei symbolträchtige Orte gebe. Das Ziel, Gewalt auszuüben, könne so mit politischen Forderungen verknüpft werden.

 

In der Nacht von Freitag auf Samstag war erneut eine Polizistin in Hamburg bei einer Demonstration durch eine geworfene Flasche verletzt worden. Nach den Ausschreitungen und teils schweren Angriffen auf die Polizei waren vor einer Woche bestimmte Straßenzüge in mehreren Hamburger Stadtteilen zum Gefahrengebiet erklärt worden, wodurch die Polizei dort auch ohne konkreten Verdacht Personen kontrollieren konnte. Das führte zu weiteren Auseinandersetzungen, Protesten im Netz und in anderen Städten. Daraufhin wurden die Gebiete am Donnerstag wieder verkleinert.