Griechenland: Feierlichkeiten und Terrorängste

Erstveröffentlicht: 
10.01.2014

Die Politik feiert die griechische EU-Ratspräsidentschaft, während sie gleichzeitig die wachsende Terrorgefahr, aber auch den Zorn des Volkes fürchtetWährend der Feierlichkeiten zum offiziellen Beginn der griechischen Ratsperiode demonstrierten sämtliche Hauptredner Zuversicht. Demonstrationen auf der Straße waren verboten, wo immer sich Menschen sammelten um ihren Zorn herauszubrüllen, wurden sie von der Polizei niedergeknüppelt.

 

Am Mittwoch, den 8. Januar, begann Griechenlands nunmehr fünfte EU-Ratspräsidentschaft. Für den Präsidenten der Europäischen Kommission war es die dritte griechische Präsidentschaft. Die erste hatte er als portugiesischer Außenminister betreut, bei der zweiten war er Ministerpräsident. Barroso lobte ebenso wie der ständige EU-Ratspräsident Herman van Rompuy die oft erwähnten Fortschritte der Griechen beim Sparen.

 

Der EU-Kommissionspräsident erwähnte dagegen auch die tiefen sozialen Einschnitte und die Verarmung der Bevölkerung. Seine simple Erklärung für die EU-Recht widersprechenden sozialen Härten gegenüber den Griechen war, dass Presseberichte und politische Statements aus dem Ausland die Lage des Landes über Gebühr belastet hätten. Im Aufkommen der radikalen Oppositionskräfte im Land sah Barroso zwar eine Gefahr, er erinnerte aber daran, dass radikalere EU-kritische Parteien auch in wohlhabenden Mitgliedstaaten Zulauf hätten. Als Fazit für Europa betonte Barroso: "Vor genau hundert Jahren brachten sich die Europäer gegenseitig um, da sind wir heute doch wirklich besser gestellt."

 

Premier Antonis Samaras bestand in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Barroso darauf, dass Griechenland bei einer über die Krisenjahre insgesamt erlebten Rezession von 25 Prozent und Gehaltseinbußen der Bürger in Höhe von vierzig Prozent bereits ein Jahr früher als geplant einen Primärüberschuss im Haushalt erzielen konnte. Neben Gift und Galle für die den Feierlichkeiten aus Protest fernbleibender Opposition betonte er immer wieder gebetsmühlenartig, dass Zahlen nicht lügen würden und seine Wirtschaftszahlen den kommenden Aufschwung beweisen würden.

 

Um die tagenden Europäer herum wurde die Innenstadt abgeriegelt. Die komplette EU-Kommission samt Entourage weilte im Hotel Grande Bretagne direkt gegenüber dem Parlament und musste sich anders als die üblichen teuer zahlenden Gäste des Hauses nicht durch Straßenlärm stören lassen. Am Donnerstag gesellte sich der frische deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu den zahlreichen europäischen Besuchern. Steinmeier forderte im Sinn der deutschen Steuerzahler weitere Reformen von den Griechen. Artig versicherte sein Amtskollege und Vizepremier Evangelos Venizelos, dass seine Regierung alles tun würde, um Schaden von deutschen Steuerzahlern abzuwenden. Wenige Tage zuvor hatte er noch auf den Putz gehauen und von Deutschland mehr Zurückhaltungverlangt.

 

Etwas eindeutiger wird Griechenlands Wirtschaftslage in Übersee gesehen. Die Vertreter des IWF möchten, wie der griechische Korrespondent in den USA, Michalis Ignatiou, berichtet, vorerst nicht nach Griechenland zurückkehren. Die Prüfer sehen zahlreiche ungelöste Probleme in Griechenlands Sparpolitik. Sie verlangen weitere Einschnitte in Sozialsysteme, Steuern und Entlassungen. Kommt aus Athen kein entsprechendes Signal, dann "werden sich unsere Prüfer nicht vom Schreibtisch wegbewegen", verlauten Quellen aus dem IWF. Ohne Inspektionsbesuch gibt es aber die nächste Tranche nicht.

 

Die Terroristen sammeln sich wieder

 

Es waren beinahe nur ein paar weiter, der üblichen Tage, bei denen ein Staatsbesuch das gesamte öffentliche Leben der griechischen Hauptstadt lahm legt und politisch kaum etwas für die wirkliche Krisenbewältigung unternommen wird.

 

Diesmal war die übertriebene Angst aber vielleicht verständlicher. Schließlich ist seit wenigen Tagen Griechenlands gefürchteter Terrorist Christodoulos Xiros auf freiem Fuß. Der zu einer sechsfach lebenslänglichen Haftstrafe verdonnerte Xiros flüchtete nach Neujahr während seines siebten Hafturlaubs und ließ über seinen Anwalt verlauten, dass diese Aktion "politische Gründe" habe.

 

Nachrichtenbeiträge zeigten, dass Xiros bei früheren Hafturlauben gerne als Musiker anStraßenfesten teilnahm. Er hatte den damaligen Hafturlaub eigens für die Teilnahme an der Feier in seinem Heimatort bekommen. Auch diesmal feierte Xiros, allerdings vor dem Hafturlaub, den er am 2. Januar antrat. Der im Gefängnis in einem abgeschotteten Trakt eingekerkerte, mehrfach erfolgreiche Attentäter nutzte die zu Sylvester in der Haftanstalt offenen Türen, um sich zu den einsitzenden Genossen der "Zellen des Feuers" zu gesellen. Mit Hilfe der noch freien Mitstreiter der "Zellen des Feuers" soll Xiros derzeit im Großraum Athen im Untergrund weilen.

 

Kurz vor Silvester hatte zudem eine Terrorgruppe das Wohnhaus des deutschen Botschafters Wolfgang Dold mit Kalashnikovs unter Feuer genommen. Daran beteiligt war nach Ansicht der Fahnder der gesuchte mutmaßliche Terrorist Nikos Maziotis (Kriminalität und Waffen beherrschen die Schlagzeilen Griechenlands zum Jahresausklang). Pikant ist, dass auch Maziotis in Händen der Fahnder war, bevor er erneut in den Untergrund ging.

 

Die Justiz arbeitet nach vier Reformjahren immer noch im Schneckentempo

 

Bei Maziotis war, wie bei vielen anderen Untersuchungshäftlingen auch, die gesetzlich zulässige Untersuchungshaftfrist abgelaufen. Wenn innerhalb von achtzehn Monaten nach einer Verhaftung kein gerichtliches Urteil gegen einen mutmaßlichen Straftäter vorliegt, muss dieser, wenn auch oft mit Auflagen, entlassen werden.

 

Immer wieder versuchen die Strafverfolger diese Regel mit Tricks zu umgehen. Sie lassen den jeweiligen Straftäter entweder kurz frei und nehmen ihn unter dem Vorwand des Verstoßes gegen die Haftauflagen wieder fest. Alternativ werden während der Haftzeit neue Anklagen aus dem Hut gezogen und somit, in juristisch überaus elastischer Auslegung des Gesetzes, weitere achtzehn Monate an die U-Haft angehängt.

 

Diese Härte bekam der Anarchist Kostas Sakkas gleich zweifach zu spüren. Zunächst hockte er ohne Prozess mehr als zweieinhalb Jahre in Haft. Nach einem langen Hungerstreik wurde er gegen Auflagen entlassen. Nach der Bekanntgabe von Xiros' Flucht wurde er vor wenigen Tagen erneut verhaftet. Sakkas hatte entgegen den Auflagen eine Nacht außerhalb der elterlichen Wohnung verbracht. Das Bürgerschutzministerium wollte damit erneut seine Härte und Unerschrockenheit demonstrieren.

 

Politiker am Rande ängstlicher Panik

 

Die Top-Politikerin Dora Bakoyianni, deren erster Gatte selbst Opfer von Xiros' Terrororganisation wurde, ist nicht die einzige, die mit weiteren Anschlägen rechnet. Selbst der für die Polizei zuständige Bürgerschutzminister Nikos Dendias schreckt mit Statements zum drohenden Terror eher auf, als wie für sein Amt üblich zu beruhigen. Besonders alarmiert, aber auch verärgert gibt sich das US-amerikanische Außenministerium. Schließlich hatte die Organisation 17. November eine Vorliebe für amerikanische Ziele.

 

Für die hohen Besucher Athens, aber vor allem für die lokale Politprominenz ruft die drohende Terrorgefahr reale Ängste hervor. Das zeigte sich vor allem bei den Feierlichkeiten zur EU-Präsidentschaft und insbesondere vor dem Athener Zappeion.

 

Die Angst war den meisten griechischen Politikern bei ihrer Ankunft ins Gesicht geschrieben. Sie rauschten in dicken Karossen mit Begleitschutz zum Zappeion und eilten förmlich an den wartenden Fotografen vorbei. Kaum jemand nahm sich die Zeit, sich auf den Treppenstufen der Eingangshalle für ein Foto umzudrehen. Nur wenige, wie Innenminister Giannis Michelakis und Vizefinanzminister Christos Staikouras wagten es, mit demonstrativer Ruhe zu Fuß zum Tagungsort zu schreiten. Der wegen seines rigorosen Sparkurses umstrittene Gesundheitsminister Adonis Georgiadis schritt zwar zu Fuß zum Zappeion, stürmte jedoch mit einer dicken Sonnenbrille auf dem Gesicht die Treppenstufen hoch, als er den Polizeikordon passiert hatte und in Schussweite der Fotografen gelangte.

 

Schließlich flog der mit Scharfschützen besetzte Hubschrauber in niedriger Höhe über dem Eingangsbereich, als EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso mit seiner Eskorte anfuhr. Die Scharfschützen zielten in Richtung der anwesenden Fotografen und gaben dem Stichwort Photoshooting eine weitere Bedeutung.

 

So oder so, Athen stehen in den nächsten fünf Monaten stürmische Zeiten bevor. Die EU-Ratspräsidentschaft, die kommenden Europawahlen und die anhaltenden sozialen und wirtschaftlichen Spannungen drohen sich zusammen mit der Terrorgefahr zu einem gefährlichen Cocktail zu entwickeln.