Weitere Details über die Entdeckung des Weiler Bombenbastlers und seines möglichen Anschlagsziels in Freiburg
Vier Tage nach der Verhaftung des als Bombenbastlers verdächtigten Neonazis aus Weil ergibt sich allmählich ein klares Bild des 22-Jährigen, seiner Pläne und seines Umfelds. Weiterhin allerdings nicht aus Daten der Behörden, sondern - wieder einmal - aus den Ermittlungsdaten der Freiburger Antifa.
Kathrin Ganter und Jens Kitzler
Mit markigen Worten aus dem Vokabular seiner kruden Blut-und-Boden-Theorien warf der Altenpflege-Azubi in Foren und Mails um sich, gleichzeitig benötigte er wohl hin und wieder die Rückversicherung ideologiefester Kameraden. Ob es denn richtig gewesen sei, sich zurückgehalten zu haben, obwohl er sich "volkszersetzende" Reden einer Lehrerin hatte anhören müssen, fragte er per Mail offenbar den als Holocaust-Leugner bekannt gewordenen Heilbronner Dirk Zimmermann. "Ja", antwortet dieser, "mit offenem Visier tritt man nur an, wenn es auch etwas bringt".
Auszüge aus der Mailkorrespondenz des Rechtsradikalen, die dieser Zeitung vorliegen, sowie die detaillierten Dossiers, die anonyme Nazijäger im Internet publiziert hatten, offenbaren zahlreiche Details aus dem Leben des jungen Rechtsradikalen, der in Lörrach eine Ausbildung zum Altenpfleger macht und angeblich als Mitglied eines "Nationalen Sanitätsdienstes" an Naziaufmärschen teilnimmt. Seiner Berufsschulklasse war wohl bekannt, welcher Gesinnung ihr Mitschüler war, vor "Kameraden" trat er als "Stützpunktleiter" der Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" auf. In der Freizeit trainierte er Kampfsport und schoss im Schützenverein, polizeibekannt war er nach einer Schlägerei wohl auch gewesen. Dass der Verhaftete laut Hinweisen aus dem Antifa-Material auch an der Verbreitung rechtsradikaler Aufkleber beteiligt war, die im Frühjahr in Schopfheim aufgetaucht waren, dürfte den Behörden dagegen neu sein.
Derartige Vergehen aber sind seit Mittwoch zur Randerscheinung degradiert, seit die Polizei bei einer Razzia im Haus der Stiefeltern des 22-Jährigen Chemikalien und Hilfsmittel gefunden hat, mit denen sich nach Ansicht der Experten ein gefährlicher Sprengsatz hätte herstellen lassen, unter anderem mehrere Kilo Calciumkarbid, Schwefelsäure und Wasserstoffperoxid. "Innerhalb von zwei bis vier Stunden hätte er eine Bombe mit der Stärke einer Handgranate bauen können", erklärt Jürgen Winkler von der Kripo Lörrach am Donnerstag. "Bei einer Explosion in einem geschlossenen Raum hätte es Schwerverletzte und Tote geben können." Zudem fand die Polizei Zünder, ein illegales Sturmgewehr aus der Schweiz und eine Pistole, die der Verdächtige legal erworben hatte. Bei der Festnahme trug der Azubi zwei Messer bei sich.
Die Polizei hatte die Razzia auf einen anonymen Hinweis hin eingeleitet - jemand hatte genau gewusst, welches Arsenal der Verdächtige da in seiner Wohnung angesammelt hatte und wo die Subtanzen herkamen, beispielsweise von Internethändlern wie duenger-shop.de oder www.karbidshop.de. "Wir sind es nicht gewohnt, von außen solche detaillierten Hinweise zu bekommen", sagte Engelbert Brüstle, Leiter der Polizeidirektion Lörrach am Donnerstag. Zwar habe man die Tendenz bemerkt, dass die Aktivitäten im rechten Bereich im Landkreis zugenommen hätten, und bestehende Erkenntnisse der Polizei hätten sich "durch das Schreiben noch erhärtet". Eine derartige Gefahrensituation aber hatte bei den Behörden niemand gesehen.
Woher der geheime Tip kam, weiß man offiziell bis heute nicht. Die Polizei wollte sich in ihrer Pressekonferenz zu keinerlei Vermutungen hinreißen lassen, auch wenn da schon längst das detaillierte "Communiqué" auf der Website der Antifa Freiburg erschienen war - ergänzt durch Informationen zu zahlreichen anderen Rechtsradikalen aus dem Dreiländereck und zu deren Strukturen: "Freie Kräfte Lörrach" oder "Autonome Nationalisten" lauten die lokalen Verbände - unter denen sich offenbar aber meist derselbe, zahlenmäßig eher geringe Personenkreis wiederfindet.
Ebenfalls auf den Webseiten der Antifa zu finden war das Ziel des Anschlags, das der Bombenbastler vermutlich im Sinn gehabt hat: Den "Kulturtreff in Selbstverwaltung", kurz KTS, ein linksalternatives Kulturzentrum in Freiburg. Dort habe man beobachten können, wie der 22-Jährige mit Helfern dsa Gebäude ausgespäht habe. "Wir gehen zum Gegenschlag über", schrieb der Auszubildende in einer Mail an Gesinnungsgenossen. Oberstaatsanwalt Bürgelin wollte am Donnerstag keine Bestätigung für Anschlagsziele abgeben.
Dieses Mal Selbstschutz?
Der angewendete Mix der gewohnt anonym agierenden Nazijäger aus Aktionen und gezielter Pressearbeit erinnert inzwischen mehr an Greenpeace als an vermeintlich anarchistische Linksextreme. Eine Diskussion über ihre "Ermittlungsmethoden", bei denen der Zweck oftmals illegale Mittel heiligt, dürfte angesichts der Gefährlichkeit des "Geouteten" dieses Mal weitgehend ausbleiben. Wobei es dieses Mal auch ein gehöriges Maß an Selbstschutz gewesen sein könnte, falls es die Antifa war, die den Hinweis auf den Weiler Bombenbauer gegeben hat: Das mögliche Anschlagsziel wäre auch ihre offizielle Adresse in Freiburg gewesen.