25 Jahre "Direkte Aktion"

Plakat Aktionswoche k

Schon seit 25 Jahren gibt eine Gruppe im baskischen Bilbao die unabhängige und libertäre Zeitschrift "Ekintza Zuzena" (Direkte Aktion) heraus. Ralf Streck sprach mit Gorka Landa, einem der Gründungsmitglieder.


Wie erklärt ihr euch, dass die Zeitschrift ein viertel Jahrhundert nach ihrem Entstehen und 40 Ausgaben noch existiert?


Ich glaube, das ist eine Mischung aus Glück und Willen. Ohne klare ökonomische Struktur hinter dir hängt viel von denen ab, die die Zeitschrift machen. Das ändert sich stark über den langen Zeitraum. Bei uns gab es Leute, die das Projekt über 25 Jahre getragen haben und eine stetige Erneuerung. Dazu kommt, dass es im Baskenland stets eine starke politische Auseinandersetzung gab. Das hilft, dass unser Projekt Material hat und Sinn macht.


In Deutschland steht hinter der Direkten Aktion die anarchosyndikalistische Gewerkschaft FAU. Steht eine größere Organisation hinter Ekintza Zuzena?


Wir sind unabhängig. Die Zeitschrift entstand als Teil der libertären Jugendgruppe "Iraun", was Überdauern oder Aushalten bedeutet. Die Gruppe wurde zwar 1990 aufgelöst, aber die Zeitschrift weitergeführt. Wir wollten unsere Weltanschauung treu bleiben und dabei unabhängig auch von libertären Organisationen oder sozialen Gruppen bleiben.


Welche Bedeutung hat die Tatsache, dass es im Baskenland eine starke linke Unabhängigkeitsbewegung gibt? Andere Projekte dieser Art haben zum Beispiel in Spanien wurden eingestellt.


Wir stehen wegen unserer politischen Tradition außerhalb dieser Bewegung. Aber ein so starker Kampf über Jahrzehnte im Baskenland hat einen Nährboden und eine politische Kultur geschaffen, die politische, kämpferische und alternative Bewegung befördert und das galt sogar für den gesamten Staat und auch darüber hinaus.


Wie ist euer Verhältnis zu der linken Unabhängigkeitsbewegung?


Das ist natürlich kein homogener Block, sondern real eine soziale Bewegung die Räume geöffnet hat Es gibt darin viele Familien, Generationen und Traditionen, die neben der Politik auch in Kultur und Sport hineinwirkt und kann nicht auf eine Linie reduziert werden. Es gibt darin eine offizielle Führung, die den Weg vorgibt und zur Kontrolle neigt. Dazu gab mit der ETA einen bewaffneten Ausdruck. Es gibt aber auch Teile, die sich sehr ähnlich wie wir organisieren, Häuser und Jugendzentren besetzen… 

 

Gab es auch Zusammenarbeit oder gemeinsame Kämpfe?


Es gab Überschneidungspunkte und Zusammenarbeit, mal stärker und mal schwächer, wo es natürlich auch Spannungen gab: bei der Verhinderung des Atomkraftwerks Lemoiz, aktueller im Kampf gegen Hochgeschwindigkeitszugstrecken (TAV)...


Den Widerstand dagegen habt ihr mit der Jubiläumsausgabe gewürdigt. Auf dem Cover ist eine Torte zu sehen, wie sie drei Anti-TAV-Aktivisten der Präsidentin der Regionalregierung Navarras an den Kopf warfen. Ist das eine direkte Aktion oder Gewalt?


Die Gewaltfrage ist sehr komplex, auch wegen Strafrechtsverschärfungen und einem neuen Gesetz zum "Schutz der Bürger". Es wird immer repressiver agiert und auch friedliche soziale Proteste sollen kriminalisiert werden. Die Mächtigen definieren Gewalt als das, was ihnen gefährlich wird.


… in Frankreich, wo die Aktion durchgeführt wurde, sind die Werfer nicht mal verhaftet worden, da es nur eine Ordnungswidrigkeit wäre. In Spanien wurden Haftstrafen von mehr als sechs Jahren gefordert.


Die Schwelle, was in Spanien als Gewalt definiert ist, ist sehr niedrig. Solch eine Aktion kann höchstens als symbolische Gewalt bezeichnet werden, ist Ausdruck eines sozialen Protests. Hier wird praktisch kein Raum mehr für Proteste gelassen. Es soll nur der institutionelle Weg bleiben, wo offensichtlich die Korruption grassiert. Die Polizei soll dich nun wegen einer Beleidigung eines Beamten, des Staates oder seiner Institutionen sogar ohne Urteil zu Geldstrafen bis zu 30.000 Euro verknacken können. Hier wird die ökonomische Strafe, wie sie bisher gegen die linke Unabhängigkeitsbewegung eingesetzt wurde, breit ausgewalzt. Hohen Geldstrafen folgen Kontosperrungen, die Beschlagnahme des Eigentums und der Verlust der Wohnung. Das richtet enormen Schaden an.


Hattet ihr in den letzten 25 Jahren Repression zu erleiden? Schließlich geht Spanien gegen linke Medien im Baskenland nicht zimperlich vor, Zeitungen wurden illegal geschlossen und Journalisten sogar gefoltert.


Wir sind im Baskenland nur eine kleine libertäre Bewegung und geben eine kleine Zeitschrift heraus. Wir blieben im Hintergrund hinter der linken Unabhängigkeitsbewegung, die einer starken Repression ausgesetzt ist und wurden deshalb bisher nicht getroffen. In Katalonien und Madrid gibt es dagegen Repression gegen libertäre Gruppen oder Personen. Zwar wurden auch wir bisweilen beschuldigt, pro-ETA zu sein, weil verallgemeinert wird und auch ETA-Gefangene die Zeitschrift lesen, aber dabei blieb es bisher.


Wie seht ihr die Zukunft im spanischen Staat angesichts wachsender Ungerechtigkeit, weit verbreiteter Korruption, einer riesigen Arbeitslosigkeit, etc.? Erwartet ihr eine Revolte?


Die Regierung bereitet sich darauf vor, weil starke Protestbewegungen entstanden sind. Doch konzentrieren sich auf große Städte. Die spanische Gesellschaft ist noch sehr bestimmt von einer Kultur der Unterordnung aus der Franco-Diktatur. Dazu gehört, individuell Vorteile rauszuschlagen, Krümel der Korruption abzubekommen… Die Rechte ist sehr stark und es gibt auch bedeutende katholische und ultrarechte Strömungen. Das alles sind Faktoren, die einem stärkeren Widerstand entgegenwirken. Aber es zeichnet sich ein Wandel ab, wie die Empörten-Bewegung und andere zeigen. Denn sie gehen von einem anderen ethisch-moralischen Standpunkt aus, hinterfragen die parlamentarische Demokratie. Sie sind zwar bedeutsam aber minoritär. Sie müssen noch reifen und definieren, ob sie Reformismus oder einen Bruch mit dem System wollen.

 

Ralf Streck, den 18.12.2013

 

 


 


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