Die "Friedensliebe" der rechten und sehr rechten Kreise - In der Gegnerschaft zur militärischen Intervention in Syrien verschafft sich der Front National in Frankreich ein pazifistisches Image

Erstveröffentlicht: 
03.10.2013

Bernard Schmid am 03.10.2013

Es gibt Behauptungen oder Ideen, die sind so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil richtig ist. So verhält es sich etwa mit der vermeintlichen Friedensliebe, die in den letzten Tagen und Wochen immer wieder aus rechten und insbesondere sehr rechten Kreisen vorgetragen wurde. Sie wurzelt in Motiven, die nichts mit etwaiger Menschenfreundlichkeit zu tun haben. Deswegen ist jedoch das scheinbar spiegelverkehrte Gegenteil, also etwa eine Befürwortung von Luftschlägen über Syrien, noch keineswegs menschenfreundlicher oder notwendig richtig.

 

Eine militärische Intervention in Syrien scheint im Augenblick wesentlich unwahrscheinlicher geworden als noch zu Anfang des Monats, infolge der Verhandlungen zwischen USA und Russland. Nichtsdestotrotz drängten französische Regierungskreise noch bis vor kurzem auch auf eine militärische Option gegen das syrische Regime, und die Option "bleibt auf dem Tisch", wie Regierungssprecherin Najaud Vallaud-Belkacem vor kurzem formulierte. Etwa für den Fall, dass die Regierung in Damaskus keine überprüfbaren Schritte zur Abrüstung seiner C-Waffen unternimmt.

 

Die Perspektive eines militärischen Vorgehens gegen Syrien hat viele Gegner, die beileibe nicht alle dieselben Motive aufweisen. Die Opposition kommt aus unterschiedlichen Lagern, in Frankreich waren etwa Anfang September, als eine Intervention noch dicht bevorzustehen schien, in einer Umfrage 64 % gegen ein solches Eingreifen. Nicht alle politischen Kräfte, die für ein bedingtes oder unbedingtes "Nein" zu Interventionsplänen trommeln, haben da lautere oder - in welchem Sinne auch immer - pazifistische Motive.

 

Frankreich - "eine Maitresse der USA"

Etwa der rechtsextreme Front National, dessen Wählerschaft zu über 80 Prozent eine Militärintervention in Syrien ablehnt und damit den höchsten Anteil an Gegnern unter den stärkeren Parteien aufweist. Die Gruppe wirbt derzeit mit pazifistischen Bildmotiven für ein neues Image.

Die Rechtspartei darf in ihrem harten Kern getrost als neofaschistisch bezeichnet werden, auch wenn sie ihren Diskurs natürlich für die Bedürfnisse der Wählerwerbung angepasst hat - ihr Symbol ist nach vor die züngelnde Flamme in den drei Nationalfarben, die ursprünglich auf ein Symbol der italienischen Neofaschisten zurückgeht, das die Auffahrt der Seele Benitos Mussolinis darstellen sollte.

 

Anlässlich ihres großen Auftritts am Sonntag, den 15. September in Marseille - Auftakt zum Wahlkampf für die französischen Rathauswahlen im kommenden März - wetterte Marine Le Pen über lange Passagen ihrer Rede hinweg gegen die angebliche "Unterwürfigkeit" der Politik Präsident François Hollandes gegenüber den USA. In Wirklichkeit preschte allerdings Hollande Ende August dieses Jahres zunächst selbst vor, um ein militärisches Eingreifen in Syrien zu fordern, bevor er durch das Votum des britischen Parlament und kurz darauf den taktischen Rückzieher von US-Präsident Obama ziemlich allein im Regen stehen gelassen wurde.

Er vollzog also keineswegs nur eine US-amerikanische Positionierung nach. Die Chefin des Front National tobte, Frankreich unter Führung François Hollandes sei "eine Maitresse der USA", eine gefügige Geliebte, während doch in Wirklichkeit "die Briten standesamtlich mit ihnen verheiratet" seien.

Nun hat ihre Positionierung allerdings mit Pazifismus oder mit Antimilitarismus, nicht das Geringste zu tun. In ihrer Marseiller Rede forderte Marine Le Pen auch eine stattliche Erhöhung der nationalen Rüstungsausgaben Frankreichs: Deren Anhebung auf ein Niveau von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts müsse Verfassungsrang erhalten und im Verfassungstext festgeschrieben werden.

 

Freunde der Rüstungsindustrie

Allenfalls geht es ihr um eine Abgrenzung von den USA und um eine Annäherung an Wladimir Putin, welcher bei der französischen extremen Rechten - aufgrund seiner Herrschaftsmethoden, aber auch der verschärften Einwanderungspolitik gegen Kaukasier und Zentralasiaten - viele Anhänger besitzt. Und der gleichzeitig eine schützende Hand über seinen Verbündeten in Syrien hält.

Diese Positionierung setzt ferner jene des Front National seit 1991 zu den Waffengängen im Irak fort: Damals, beim ersten Krieg einer von den USA geführten Allianz gegen den Irak unter Saddam Hussein, hatte Jean-Marie Le Pen - der Vater der jetzigen Parteichefin - nicht nur, wie andere Oppositionsparteien (auf der Linken), die Luftangriffe auf das Zweistromland abgelehnt. Im Unterschied zu den progressiven Oppositionskräften hatte er gleichzeitig offen die Annäherung an die Diktatur Saddam Husseins, die wenige Jahre zuvor noch ein herausragender Kunde der französischen Rüstungsindustrie gewesen war, gesucht.

 

Jean-Marie Le Pen besuchte Saddam Hussein zweimal persönlich, im Oktober 1990 und im Frühjahr 1996. Gleichzeitig nutzte er diese Positionierung, die für manche Beobachter zunächst überraschend kam, da Le Pen senior vor allem für antiarabischen Rassismus gegenüber in Frankreich lebenden Einwanderern sowie seine Vergangenheit bei der Fremdenlegion im Algerienkrieg bekannt war, um politische Verwirrung und Konfusion zu stiften.

Im Februar 1991 plakatierte seine Partei in Paris: "Le Pen - der Friede. Mitterrand - der Krieg". Der sozialdemokratische Präsident François Mitterrand ließ Frankreich damals, anders als es 2003 der Fall war, an der Intervention im Irak teilnehmen.

 

Der "Bellizist" François Hollande

Marine Le Pen agitierte eifrig gegen den "Bellizisten", also Kriegstreiber, François Hollande. Auch dies ist eine bekannte Redefigur aus der Geschichte der extremen Rechten, die nichts mit Pazifismus zu tun hat, da ihre Vorläufer in Frankreich in den 1930er Jahren lieber Hitler an der Macht sahen als ein kriegerisches Eingreifen gegen ihn befürworteten - und deswegen gegen "Bellizisten" (damals vorzugsweise solche mit jüdischen Wurzeln) wetterten.

Nicht zu vergessen: Rechte Aktivisten aus dem Umfeld von Marine Le Pen, besonders der frühere rechte Schläger im studentischen Milieu Frédéric Chatillon, knüpften in den vergangenen Jahren enge Beziehungen zu Kreisen der syrischen Diktatur .

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