Syrien / Westkurdistan / Rojava: Demokratische Selbstorganisierung als Lösungsweg für einen eskalierenden Konflikt

Tatort Kurdistan

Veranstaltung im TATORT-Kurdistan-Cafe

Mittwoch, 11. September 2013
18.30 Uhr im Centro Sociale, Sternstr. 2 [ab 18 Uhr Essen]

Hamburg

Über die Situation in Syrien und Rojava berichtet Luqman Turgut, Kurdologe an der Uni Erfurt.

 

- Demokratische Selbstorganisierung als Lösungsweg für einen eskalierten Konflikt -

 

Die Menschen in Syrien haben die diktatorischen Machenschaften von Assad satt und erheben sich zum Aufstand. Das autoritäre Baath-Regime fürchtet um seine Macht und greift alles und jeden an, die oder der sich gegen ihn stellt.Der Westen will dieses Regime auch nicht mehr wirklich und unterstützt die »Opposition« mit Waffen und Geld. Die »Opposition« freut sich über die freundliche Unterstützung und verkauft für die Aussicht auf die Machtergreifung gleich mal ihre Freiheit an den Westen. Israel bombardiert schon mal vorsorglich Damaskus, weil sich die Hisbollah an der Seite von Assad herumtreibt.
Bewaffnete Wander-Islamisten reisen aus all möglichen Ländern nach Syrien, um dort ihren Dschihad zu führen. Die Türkei ist stets ein guter Gastgeber und lädt nicht nur die Opposition ein, sondern unterstützt und bewaffnet Al-Qaida-nahe Gruppen und schickt sie über ihre Grenze nach Syrien. Für die Herrschaften aus Ankara sind die ehemaligen Freunde aus Damaskus nun Feinde, und deshalb wird zugleich mit der Intervention gedroht. Woraufhin Moskau Ankara droht, sie sollen aufhören Assad zu drohen. Die arabischen Staaten wiederum sehen durch den Bürgerkrieg in Syrien die sunnitische Achse im Aufwind, und greifen für den Abgang Assads auch mal tief ins Portemonnaie. Und Teheran befürchtet, dass sie bei einem Sturz des Baath-Regimes als nächstes dran sein könnte, und hofft, dass sich doch alles noch für sie zum Guten wendet.

 

Der dritte Weg von Rojava: Die kurdische Freiheitsbewegung stellt sich weder auf die Seite des autoritären Baath-Regimes, noch auf die Seite einer vermeintlichen Opposition, die entweder für die Interessen des Westens agiert oder für einen islamistischen Gottesstaat in Syrien kämpft.
Es steht außer Frage, dass das gegenwärtige Regime in Syrien gehen muss. Ein Regime, das über keinerlei demokratische Strukturen verfügt und nicht davor zurückschreckt die Stimme seiner Bevölkerung mit Gewalt zu unterdrücken, besitzt keinerlei Legitimation. Aber auch der Westen, der gegenwärtig allein aus geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen seine Spielchen in Syrien spielt, hat keinerlei Anspruch den Menschen dort weis zu machen, in welcher Art sie zu leben haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass die westlichen Siegermächte des 1. Weltkriegs die Nationalstaaten Irak und Syrien gegründet haben, um ihre eigenen Interessen in der Region langfristig zu wahren. Und heute sehen wir, was in diesen beiden Staaten los ist. Wie eine Alternative aus diesem Dilemma, also der dritte Weg, aussehen kann, das macht uns gegenwärtig die Bevölkerung von Rojava im Nordosten Syriens (Westkurdistan) vor.

 

Auf Basis der Ideen der kurdischen Freiheitsbewegung organisiert sich die Bevölkerung in den Städten, die sie vom Baath-Regime befreit haben, in basisdemokratischen Rätestrukturen und verwaltet sich selbst. Die gesellschaftliche Befreiung funktioniert nicht durch die Machtergreifung im Staat oder gar des Aufbaus eines neuen Staates. Die gesellschaftliche Befreiung wird in einer umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft über jegliche religiösen und ethnischen Identitäten hinweg gesehen. Die gesellschaftliche Befreiung wird in der Befreiung der Frau aus den patriarchalen Strukturen gesehen. Deshalb organisieren sich die Frauen in Westkurdistan autonom und kämpfen an vorderster Front für den Aufbau einer basisdemokratischen, geschlechterbefreiten Gesellschaft.

 

Diese basisdemokratische Entwicklung, die sich im Norden Syriens entwickelt, kann eine Perspektive für die gesamte Region darstellen. Deshalb wird sie momentan von den reaktionären Kräften massiv angegriffen.

 

TATORT Kurdistan

ATESH - Für eine sozialrevolutionäre Perspektive