[ffm] Hausbesetzung, Räumung und der Widerstand

Blauer Block

Am Freitag wurde im Frankfurter Gallus das ehemalige Sozialrathaus am frühen Abend besetzt, aber noch in der gleichen Nacht wieder von den Bullen geräumt.

An der Besetzung – die ein autonomes Stadtteilprojekt errichten wollte, beteiligten sich im Laufe des Abends weit über Hundert Menschen.

Genauere Infos findet ihr auf dem Blog der Besetzer*innen, sowie eine Presseübersicht hier.

 

Wir möchten euch in diesem Bericht vor allem eine Übersicht über den Ablauf und die militante Aktionen um und nach der Räumung geben.

 

Insgesamt war die Frankfurter Polizei überrascht und mit der Situation offenbar überfordert. So konnte den ganzen Abend über, bis auf einen Zug BFE, keine Spezialkräfte eingesetzt werden. Durch den Zeitpunkt der Besetzung, kurz vor Blockupy und Naziveranstaltungen in der Wetterau und Karlsruhe am nächsten Morgen, sowie durch das gleichzeitig stattfindende „Wolkenkratzerfest“ waren offenbar keine weiteren Bullen verfügbar, so das untypischer Weise sogar auf die Hundestaffel zurückgegriffen werden musste.

Auch im Verlauf der Räumung agierte die anwesende Hundertschaft Bereitschaftspolizei sehr unprofessionell. Es dauerte ziemlich lange bis die Bullen die Leute vor dem Haus zur Seite drängen konnte und die Feuerwehr die brennende Barrikade vor dem Haus löschen konnte. Um in das Haus einzudringen benötigten die Bullen ohne technische Einheiten ebenfalls sehr lange, so dass sich die Räumung weit über 4 Stunden hinzog.

 

Während dieser Zeit kam es auf beiden Seiten der abgesperrten Straße vor dem Haus immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und den Bullen. Diese gingen z.T mit Hunden auf die Leute los, bekamen die Lage aber insgesamt nicht unter Kontrolle. Im Gegenteil, das aggressive agieren der Bullen führte zu noch viel stärkeren Solidarisierungseffekten bei den (meist migrantischen) Anwohner*innen, welche die gesamte Besetzung sehr wohlwollend begleiteten. Schließlich sind diese auch die am stärksten von den Umstrukturierungsmaßnahmen im Viertel betroffene Bevölkerungsteile. So gesellten sich spontan auch einige Jugendliche aus dem Gallus zu den anderen Aktivist*innen.

Im Haus versuchten die wenigen Bullen die ca 50 Besetzter*innen zum einzelnem Gehen zu Bewegen. Die unter Zeitdruck geratenen Bullen versuchten dies durch Aggressivität und Brutalität auszugleichen.

Da sich die Situation vor dem Haus immer mehr zuspitzte, waren die Bullen zu mehr Zugeständnissen bereit und wollten die Besetzer*innen ohne Aufnahme der Personalien einzeln aus dem Haus tragen, offensichtlich um die Situation auch außerhalb des Hauses möglichst schnell zu entschärfen. In dieser Situation konnte von den Besetzer*innen durchgesetzt werden ,nicht einzeln, sondern alle gemeinsam in Ketten das Haus zu verlassen.

So befand sich plötzlich die Bullenkette vor dem Haus zwischen den ehm. Besetzer*innen und den Aktivist*innen auf der Straße welchen es gelang in einer Situation, in der unklar war, ob die Polizei die Leute wirklich gehen lässt, die Kette zu durchbrechen und den Abgang aller zu ermöglichen.

 

Anschließend zogen die Menschen gemeinsam einmal um den Block, um sich mit der anderen Gruppe auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses zu treffen. Aufgrund der Räumung des Hauses und des Polizeieinsatz waren die Menschen sehr, sehr wütend. Auf dem Weg zu den anderen wurden die Scheiben eines REWEs eingeworfen und Müllcontainer angezündet.

Als die Demo wieder auf die Mainzer Landstraße einbog wurden die dort parkenden Einsatzfahrzeuge und die diese bewachenden Bullen mit Steinen, Flaschen und Pyros angegriffen. Es entstand ein kurzes durcheinander, woraufhin sich der größte Teil der Leute weiter als lautstarke und wütende Demo in Richtung Galluswarte bewegte. Durch Steinwürfe konnten die hinter der Demo laufenden Bullen auf Abstand gehalten werden während andere vorausfahrende Polizeifahrzeuge entglasten und Mülltonen auf die Straße zogen. Erfreulicherweise beteiligten sich auch einige der Jugendlichen aus dem Gallus und revanchierten sich sicherlich für die ein oder andere rassistische Polizeikontrolle. Hinter der Galluswarte zerstreute sich die Menge dann. Festnahmen und Personalienfeststellungen: 0.

 

Während der Räumungssituation brannten diverse Müllcontainer in unmittelbarer Umgebung, einige Bullenfahrzeuge dürften Luft in den Reifen verloren haben. Eine Polizeiwache im Gallus wurde mit Farbe beworfen, ebenso wurde ein Sitz der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG-Holding entglast und ein Firmenfahrzeug von ThysenKrupp attackiert.

Insgesamt eine sehr erfreuliche Bilanz, durch entschlossenes Vorgehen konnte ein Abzug der Leute ohne Personalien erreicht werden, gleichzeitig wurde der politische wie finanzielle Preis für diese Räumung in die Höhe getrieben. Es zeigte sich das auch vergleichsweise wenige Menschen durchaus sehr offensiv gegen die Bullen agieren konnten. Für Frankfurt und Umgebung sicherlich ein starkes Signal, dass auch den Konflikt um Leerstand, immer teureren Wohnraum, autonom Räume und die Verdrängung von Menschen und Projekten aus dem Stadtbereich weiter zuspitzen wird. Dies hallten wir für unabdingbar, um Forderungen gegenüber Stadt und Staat durchsetzen zu können.

Auch für die kommenden Blockupy Aktionstage war dies sicherlich ein willkommener verfrühter Anfang. Kommt alle und kämpft mit uns gemeinsam gegen kapitalistische Zustände und für ein lebenswertes Leben. Seid kreativ und schlauer als die Bullen.

 

Wir solidarisieren uns mit dem kürzlich geräumten IVI und ZAM in Mailand, sowie der akut räumungsbedrohten Binz in Zürich.

 

Das ganze Gallus hasst die Polizei!

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hier die Fotostrecke der Frankfurter Rundschau
http://www.fr-online.de/fotostrecken-frankfurt,1474580,22860048.html

Ein Artikel, der die konkreten Geschehnisse der Räumung, insbesondere die Rolle der Aktivist*innen für die Befreiung der Besetzer*innen, die längst freien Abzug ohne Personalienabgabe ausgehandelt hatten, ebenso wie die Aktionen der sehr wenigen, tatsächich an Aktionen beteilligten Anwohner stark überhöht. Die Aussage, dass Migrant*innen am stärksten von den Umstrukturierungsmaßnahmen im Gallus betroffen sind, ist außerdem unreflektiert und ohne Begründung. Einige Anwohner berichteten tatsächlich über rassistische Repressionen seitens der Polizei, die Formulierung sie "revanchierten sich sicherlich für die ein oder andere rassistische Polizeikontrolle" deutet allerdings darauf hin, dass der Autor des Textes davon überhaupt nichts weiß, aber davon ausgeht, dass es ohnehin "sicherlich" so sein muss, als wäre das Naturgesetz, und also einfach mal so hin schreibt. Vielleicht sollte man Dinge, von denen man (und zwar durch konkrete Erfahrungen und Berichte) weiss, dass sie Gang und Gebe sind, dennoch nicht pauschal vorraussetzen, sondern immer wieder auf ihr Zutreffen in einzelnen Fällen befragen um in das gleiche schwarz-weiß-Denkschema zu verfallen, wie die, die man dafür kritisieren möchte. 

Tatsächlich ist die Besetzung sehr gut gelaufen: die Besetzer*innen waren zunächst davon ausgegangen, dass das Haus der Stadt gehöre, was sich leider schon bald als falsch herausstellte. Der eigentliche Besitzer stellte sofort Strafantrag, weswegen eine Räumung in der selben Nacht durchgeführt wurde. Den Besetzer*innen im und den Aktivist*innen im Haus ist es - auch dank des, wie oben zutreffend beschrieben, klug gewählten Besetzungszeitpunkts - gemeinsam gelungen die im Haus verbarrikadierten vor drohenden Strafen und sogar vor der Abgabe der Personalien zu schützen. Das unangemessene aggressive Verhalten der überforderten Polizei, ist nicht zu tolerieren.

Die Gewalt-Aktionen der Aktivist*innen im Zuge der Sponti, nach der Räumung sind allerdings wenig zielführend: weniger radikale Sympatisanten, Betroffene Gallusbewohner und Bewohner Frankfurts werden von solchen Aktionen abgestoßen. Wenn es hier um den Blauen Block und deren vielversprechendes Konzept gegangen ist, dann sollte man die Sympatien derer, denen sich dieses Konzept auch versprochen hat, ernst nehmen. Von den Vielen, die dieses Projekt mitgestalten und/oder nutzen wollten, sind es nur Wenige, die durch ihre militanten Aktionen, die die Aufmerksamkeit bei Bürgern und Presse, die dieses wünschenswerte Projekt ja erregen konnte (auch wenn das ja erklärtermaßen nicht das Ziel der Besetzung war) umwerten. 

Checkt auf jeden Fall nochmal blauer.blogsport.de für die Selbstdarstellung des Projekts. 

 

Ein*e Aktivist*in und von der Umstrukturierung des Gallus betroffene*r Anwohner*in

die ethnisierung von konflikten geht mir auch unheimlich auf die nerven...

klar geht mir ethnisierung auch auf die nerven, bullen realität ist aber anders:

von 10 Bullenkontrollen im gallus ist vieleicht eine person die "klassisch deutsch" aussieht betroffen! im schnitt sehe ich ohne übetreibung mindestens alle 2 tage eine kontrolle! fahrzeugkontrollen auf der Mainzer, Personenkontrollen auf der Frankenallee etc (wer`s nich glaubt einfach mal bei tag hier aufhalten)! in bonzigeren vierteln gibts solche kontrollen halt kaum!

ich hab mal an anderer stelle leute die oft kontrolliert werden gefragt was das bei ihnen bewirkt.

die antwort (wen wunderts): die leute fühlen sich sehr wohl diskrimininiert, ungerecht behandelt, ausgegrenzt etc. Von extremen negativerfahrungen entgleisungen (sprüche, beleidigungen, bis zu körperlichen mißhandlungen) mal ganz zu schweigen!

das hier wurde bei de.indemedia als kommentar gepostet:

 

 

im anschluss und während der demonstration/besetzung waren einige zivil polizisten im einsatz. So wurde zum beispiel eine gruppe von 6 jugendlichen über eine stunde von insgesamt 11 zivicops verfolgt und schließlich auf einem spielplatz in der nähe des hauptbahnhofs kontrolliert und durchsucht. Sie weigerten sich ihre polizeiausweise vorzuzeigen oder den menschen gründe für die kontrolle zu nennen, außerdem beschlagnahmten sie dinge ohne ein sicherstellungsprotokoll auszuhändingen. Einige von ihnen wurden auf diversen anderen demos in frankfurt gesehen, jetzt sind ihre gesichter bekannt. es ist davon auszugehen dass noch weitere personen kontrolliert oder überwacht wurden. für die näxten aktionen heißt es: passt auf euch auf, achtet darauf wer neben euch läuft und seid kreativ um die cops in die irre zu führen!