[B] Prozess: „Knast fürs Plakatieren“ Nr. II

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Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen drei mutmaßlich straffällig gewordene Plakatierer fand am 14.5.2013 im Berliner Amtsgericht statt. Den Angeklagten wird Aufforderung zu Straftaten durch das Aufhängen von Plakaten gem. §111 StGB vorgeworfen. Den Bericht vom ersten Prozesstag findet ihr unter: https://linksunten.indymedia.org/de/node/85954 (genauere Anklage siehe erste Prozessbeobachtung vom 25.4.2013)

 

Prozessbeobachtung Berlin, 14.5.2013 Amtsgericht Berlin- Moabit 13.30 Uhr

 

Zum Anfang des Verhandlungstages wurde Herr Palenda, Sachbearbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, Abteilung Linksextremismus, und derzeitiger kommissarischer Leiter der Behörde, als Zeuge befragt. Er sollte als Sachverständiger Auswirkung geben, ob sich Personen aus dem „linken Spektrum“ von Plakataufrufen angesprochen fühlen bzw. gewillt wären, diesen Aufforderungen nachzukommen. Palenda gab an, dass es hierzu keine empirischen Studien gäbe¹ und Aussagen hierzu relativ schwierig sein. Seine Ausführungen waren vage gehalten und entsprachen allgemeinen Aussagen über die generelle Wirkung von Werbung und Informationen von der Startseite des Verfassungsschutzes.

 

Der zweite Zeuge, ein Polizeibeamter welcher die drei Angeklagten beim Plakatieren mit entdeckt haben soll, konnte sich an nichts Konkretes mehr erinnern.

Schließlich machte die dritte und letzte Polizeizeugin, Angaben zum generellen Verfahren mit Umgang von solchen Plakaten. Die Frage, ob bei Straftaten gem. §111 generell das LKA für politische Straftaten das Verfahren übernimmt, konnte sie nicht beantworten.

Im Anschluss daran wurde noch ein Artikel aus dem Tagesspielgel online zur Demo zum Polizeikongress dieses Jahres verlesen, indem deutlich wurde, dass vor allem durch einen Aufruf im Internet zu dieser Demonstration mobilisiert wurde.

 

Des Weiteren wurden noch mehrere Beweisanträge gestellt. Unter anderem das Plakat einer Fitnesskette mit der Aufschrift „Mach deine Freunde platt“ [phonetisch] sowie weitere Beamt_innen aus dem LKA die belegen sollen, dass §111 ausschließlich bei politisch motivierten Straftaten verfolgt wird.

Zum Abschluss wurde noch der Beweisantrag gestellt, den wikipedia.org Eintrag über den Jedi Lehrmeister Yoda zu beweiskräftig zuverlesen. Yoda war auf den „directaction“ Plakaten als Comicfigur abgedruckt. Die Strafverteidigung möchte mit dem Antrag wohl zur detalierten Interpretation anregen.

 

Der nächste Verhandlungstermin ist am Dienstag den 21.5.2013 um 10.30, voraussichtlich in der Turmstraße 91, Saal 456.

Kommt vorbei! Es bleibt spannend und kreativ.

 


 

¹Letzte bekannte Erhebungen: 

(bedenkt bitte: beide öffentlichen Einrichtungen speichern Zugriffe auf ihre Webseiten!)

Fokus Linke Gewalt in Berlin (Land Berlin/ Amt für Verfassungsschutz Berlin, 2009):
hvsp://www.berlin.de/imperia/md/content/seninn/verfassungsschutz/fokus_linke_gewalt_2009.pdf
Pressepräsentation:

hvsp://www.berlin.de/imperia/md/content/seninn/verfassungsschutz/dokumentation_linke_gewalt.pdf
Studie zur Analyse der Gewalt am 1. Mai in Berlin (Freie Universität Berlin im Auftrag Land Berlin, 2010):
hsvp://www.jura.fu-berlin.de/fachbereich/einrichtungen/strafrecht/lehrende/hoffmannholland/projekte/1_mai_studie_berlin/index.html

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Nur kurze Info zum Urteil - mehr folgt

 

Am gestrigen 3. Verhandlungstag wurden die Beweisanträge beschieden und die Beweisaufnahme beendet. Danach wurden die Registereinträge der Angeklagten vorgelesen. Der vertretende Staatsanwalt fordert als Strafe für die erste Tat jeweils einmal Freiheitsentziehung und Geldstrafe über der Vorstrafengrenze von 90 Tagessätzen.

Die Strafverteidigung sprach sich auch in Bezugnahme auf ihr Anfangsplädoyer für den Freispruch ihrer Mandaten aus. Die Grundrechts einschränkende Wirkung der Strafbarkeit eines interpretierbaren Aufrufes wurde hervorgehoben. Die Angeklagten verzichteten auf ihr Wort.

Nach ein kurzen Pause zur Beratung verkündete die Richterin das Urteil des Gerichts. Ein Angeklagter wurde freigesprochen. Den beiden Anderen wurden unterschiedlich hohe Geldstrafe verordnet. Wobei die eine Strafe - gedanklich - Freiheitsentzug gleichkäme, der unter 6 Monaten nur in Extremfällen nicht in Geldbuße umgewandelt wird.

Die beiden Parteien - Strafverteidigung und Staatsanwaltschaft - haben eine Woche um Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.