[Weinheim] Gegen militaristische Männerbünde und deutschnationale Seilschaften

Wappentafeln der reaktionären Corps am Eingang der Wachenburg

Wie in jedem Jahr treffen sich vom 9. bis zum 12. Mai in Weinheim die Corps des „Weinheimer Seniorenconvents“ (WSC) um zu feiern, Unmengen von Alkohol zu vertilgen und mit einer Totenehrung und einem gespenstischen Fackelmarsch die in den deutschen Raubkriegen des letzten Jahrhunderts gestorbenen deutschen Soldaten zu ehren. In diesem Jahr feiern sie ganz besonders den 100. Geburtstag der von ihnen erbauten Wachenburg.

 

Die Weinheimer Wachenburg wurde in mittelaltertümelndem Stil 1913 als Denkmal für die Corpsstudenten errichtet, die beim deutschen Überfall auf Frankreich 1870/71 gefallen waren. Ihre Entstehung ist also verbunden mit Franzosenhass und Deutschtümelei. Offiziell wahren die Weinheimer Corps Distanz zu den neonazistischen Exzessen, die in anderen Verbänden wie dem der deutschen Burschenschaft an der Tagesordnung sind. Sind diese verschworenen Männerbünde, die von Militär, Uniformen und dem deutschen Vaterland schwärmen, also nur harmlose Traditionsvereine?

Die Elite der Untertanen
Die studentischen Verbindungen oder Korporationen haben bei allen Unterschieden eines gemeinsam: In einem hierarchisch gegliederten Männerbund wird mit allerlei traditionellem Brimborium und streng festgelegten Ritualen die Erziehung der künftigen „Eliten der Nation“ betrieben. Saufen und Fechten sind dabei nicht nur Zeugnis von geschmackloser Traditionspflege, sondern dienen der Sozialisation zur „Elite der Untertanen“.
Ausschluss und öffentliche, strukturelle Diskriminierung von Frauen sind feste Bestandteile der verbindungsstudentischen Ideologie. Ganz offen propagieren Verbindungen auch heute noch ihren vorgestrigen patriarchalen Sexismus: „Unser Burschenbrauchtum ist immer auf eine männliche Gruppe abgestimmt. Die menschliche Weltordnung ist auf das männliche ausgerichtet.“ (Burschenschaftliche Blätter 1980) oder wie es die Corps etwas dezenter ausdrücken: „Corpsstudenten sind Männer, eine Integration des weiblichen Geschlechts würde als Fremdkörper wirken, einem Freundschaftsbund hinderlich.“ (Deutsche Corpszeitung, 1983).
Zentraler Bestandteil des korporativen Männlichkeitsideals ist Härte und Gewalt, sowohl gegen sich selbst, als auch gegen andere. Dies zeigt sich nicht nur in der Tradition der Mensur, sondern beispielsweise auch im systematischen Einsatz von Alkohol zum Zwecke der „Erziehung“ sowie in der hierarchischen Durchstrukturierung der Verbindungen.
Darin tun sich die Corps ganz besonders hervor. Ziel ist es, politische und wirtschaftliche Spitzenpositionen mit karriere- und hierarchiebewussten Männern zu besetzen. Programmatisch hat das 1990 der CDU-Rechtsaußen und vorbestrafte Steuerbetrüger Manfred Kanther als Alter Herr des Corps Guestphalia et Suevoborussia Marburg formuliert: „Wir wollen auch weiterhin national gesinnte Menschen in alle führenden Berufe unserer Gesellschaft entsenden.“

Auch heute noch: Reaktionäre Seilschaften und nationalistischer Klüngel
Tatsächlich ist die Auseinandersetzung um die „Ariernachweise“ in der DB im wesentlichen ein Streit zwischen zwei verschiedenen Konzeptionen des völkischen Nationalismus. Gemeinsames Anliegen ist weiterhin das, was der frühere CDU-Innenminister Manfred Kanther als Alter Herr des Corps Guestphalia et Suevoborussia im Jahr 1990 so formulierte: "Wir wollen auch weiterhin national gesinnte Menschen in alle führenden Berufe unserer Gesellschaft entsenden."
Studentenverbindungen sind in den letzten Jahren vor allem durch die Nazi-Skandale in der Deutschen Burschenschaft (DB) aufgefallen, die zur Zeit ganz ernsthaft über Ariernachweise diskutiert und die Konzeption des deutschen Volkes als Blutsgemeinschaft propagiert.

Die Mehrheit der Studentenverbindungen – so auch die Corps des WSC – hat erkannt, dass solche Äußerungen zurzeit einem Posten an der Spitze der Gesellschaft (noch zumindest) eher hinderlich sind und übt sich nach außen hin in zaghaften Distanzierungen.

Die Mehrheit der Korporierten deshalb als „liberal“ oder gar „liberal-konservativ“ zu bezeichnen, ist ein Missverständnis. Bejubelt von der Verbindungsszene wurde der wegen seiner nichteuropäischen Herkunft vom Ausschluss bedrohte Mannheimer Burschenschafter Kai Ming Au, als er in einem Interview den Nazislogan herunterbetete, er sei stolz, Deutscher zu sein, und zusätzlich anfügte, er sei auch stolz, seinem Vaterland mit der Waffe in der Hand gedient zu haben. Diese nur geringfügig modernisierte Version des Dumpf-Nationalismus ist so recht nach dem Geschmack der studentischen Verbindungsbrüder. Erkennbar ist aber auch die Bestrebung, es sich mit der traditionellen Nazi-Version nicht endgültig zu verderben.

Enge Kontakte nach Rechtsaußen
So pflegen die Corps des WSC auch heute noch unverhohlen Kontakte zur äußersten Rechten. Die Corps Thuringia und Rheno-Nicaria in Heidelberg und Mannheim sind ganz selbstverständlich Mitglied im Heidelberger „Waffenring“, der sich HIG nennt (Heidelberger Interessengemeinschaft der schlagenden Verbindungen). Dort reden Sie beispielsweise die Mitglieder der offen faschistischen Burschenschaft Normannia mit ‚verehrte Waffenbrüder’ an, treffen sich zu Kommersen und fechten Partien mit ihnen. Eine glaubhafte Distanzierung sieht anders aus.

Vor wenigen Wochen ist Weinheim bundesweit in den Schlagzeilen gewesen, weil der Bundesparteitag der NPD, der sonst nirgendwo in Deutschland geduldet wurde, hier nahezu ungehindert stattfinden konnte.
Wenn sich die reaktionären, nationalistischen und frauenfeindlichen Männerbünde des WSC heute in der Öffentlichkeit als respektable Traditionsvereine zu präsentieren versuchen, dann ist es Zeit, ihnen die Suppe gründlich zu versalzen. In Weinheim ist kein Platz für ewiggestrige Männerbünde, Militaristen und Deutschnationale!

Den Corpsstudenten die Fackeln auspusten!
Nie mehr Faschismus! Nie mehr Krieg!

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Spannender als das hundertjährige Jubiläum der Wachenburg, fände ich es, zu erwähnen, dass der ganze Dachverband "Weinheimer Senioren Convent" dieses Jahr sein 150 jähriges Bestehen feiert...