Roma in Freiburg: Unklar, wie viele gehen sollen

Erstveröffentlicht: 
25.02.2013

Stadtverwaltung verschickt Briefe an Flüchtlinge / Roma-Familie aus Kosovo droht Abschiebung.

Wie viele der rund 900 Freiburger Roma sind von Abschiebung bedroht? Die Behörden geben auf diese BZ-Anfrage keine Antwort. Fest steht: Einige Roma-Flüchtlinge haben Briefe von der Ausländerbehörde bekommen, die zur "freiwilligen Ausreise" oder zum Stellen eines Asylantrags auffordern. Auch die fünfköpfige Familie Kovaci, die in der Unterkunft Hammerschmiedstraße lebt, soll "freiwillig" ausreisen, sonst droht ihr die Abschiebung. Doch die Kovacis wollen bleiben. Und sie haben Unterstützer.

 

Vor ein paar Tagen haben Tariel und Linda (beide 12) erfahren, dass ihre Freundinnen Begzada (13) und Hajrija (10) und ihr Bruder Alija (10) Freiburg verlassen sollen. Tariel und Linda verstehen das nicht. Sie kennen Begzada und Hajrija vom Theaterspielen bei "Trafka muravka", dem Verein für interkulturelles Theater. Unter der Leitung von Monika Hermann haben rund 30 Kinder und Jugendliche – darunter acht Roma-Kinder – das Roma-Märchen "Kalo" einstudiert und schon oft aufgeführt. Alle bei "Trafka muravka" waren erschrocken, als sich herumsprach, dass die Kovacis nicht hier bleiben sollen, erzählt Monika Hermann. Eine Reihe von Eltern und Kindern hat Protest-Mails und Briefe an Stadträte und Politiker geschrieben. Am Freitagnachmittag haben sie sich getroffen, um zu überlegen, was sie für die Kovacis tun können.

Als Erstes begleiteten sie die Familie zu einem Anwalt. Die Kovacis leben seit sieben Monaten in Freiburg. Davor lag eine der für viele Roma typischen Odysseen, erzählt Fetah Kovaci: Vom Kosovo aus flohen sie nach Serbien, ein paar Jahre später weiter nach Österreich, wo sie nach drei Jahren ausgewiesen wurden. Weil sie auf dem Weg nach Österreich durch Ungarn gekommen waren und Ungarn als – allerdings asyl- und menschenrechtlich höchst umstrittenes – "sicheres Drittland" gilt, sollen sie nun dorthin abgeschoben werden. Mitte Februar kam der Brief, der sie zur "freiwilligen Ausreise" aufforderte und eine Frist von zwei Wochen setzte. Fast hätten die Kovacis am Freitag unterschrieben, dass sie freiwillig ausreisen. Sie hatten Angst, sonst sofort von der Polizei abgeholt zu werden, sagen sie. Dennoch haben sie nicht unterschrieben.

Die Kovacis sind kein Einzelfall: Die Ausländerbehörde verschickte in den vergangenen Wochen immer wieder ähnliche Briefe. Etliche Roma wurden zudem aufgefordert, einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu stellen. Asylanträge von Roma werden in der Regel abgelehnt, danach drohen Abschiebungen. Die meisten Roma lebten bisher geduldet und ohne je ins Asylverfahren eingetreten zu sein in Freiburg.

Wie viele Briefe wurden verschickt? Die städtische Pressesprecherin Edith Lamersdorf verweist auf das für Abschiebungen zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe: Die Ausländerbehörde handle ausschließlich in dessen Auftrag, daher liege dort die Auskunftspflicht. Doch auch das Regierungspräsidium nennt keine Zahlen. Es werde keine Statistik geführt, und alle Akten durchzuschauen, sei zu aufwendig, sagt Joachim Fischer, der stellvertretende Leiter der Pressestelle. Diejenigen, die viel mit Roma zu tun haben, gehen davon aus, dass in den kommenden Wochen und Monaten vielen die Abschiebung drohen wird. Das gelte speziell, wenn der "Winterabschiebestopp" ins Kosovo ab dem 20. März zu Ende ist, glauben die Anwältin Angela Furmaniak und Walter Schlecht von der "Aktion Bleiberecht". Für die Kovacis gilt diese Frist nicht, da sie nach Ungarn geschickt werden sollen. Dort aber, warnte der UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, mehrmals, würden Flüchtlinge inhaftiert, misshandelt und ohne Prüfung ihrer Asylanträge abgeschoben.