Veröffentlichung brisanter Akten: Die miesen Tricks der NPD

Erstveröffentlicht: 
21.02.2013

Von Christina Hebel und Johannes Korge

 

Es ist ein kalt kalkulierter PR-Stunt. Die NPD veröffentlicht vertrauliche Akten zum drohenden Verbotsverfahren - und spottet über die angeblich lächerlichen Vorwürfe. Bei ihrer Basis profilieren sich die Rechten damit als provokante Macher. Die Taktik kommt an.

 

Hamburg - Frank Franz hatte offensichtlich großen Spaß, als er den Eintrag auf der Internetseite der NPD verfasste. Von einem "schlechten Faschings - oder vorgezogenen Aprilscherz" schreibt der Pressesprecher der rechtsradikalen Partei, amüsiert sich über den "vollgekritzelten Zellulosehaufen". Was Franz da so viel Freude bereitet, sind 136 Seiten aus einem vertraulichen Papier, das eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Verbotsverfahren gegen die Partei verfasst hat. Am Dienstag machte die NPD den Bericht auf ihrer Internetseite öffentlich.

 

Die Taktik der Rechten ist klar: Sie wollen sich nicht länger in die Ecke drängen lassen, sondern selbst in die Offensive gehen. Der verunsicherten Basis vermitteln, dass die NPD selbst das Heft in der Hand hält. Genüsslich zerpflückt die Partei in dem Eintrag auf ihrer Seite dann auch Fallbeispiele, die sie aus dem 136-Seiten-Papier gefischt hat. Alle vollkommen haltlos, so der Tenor der Rechten.

 

"Was die NPD hier macht, ist eindeutig ein PR-Stunt", sagt Julian Barlen vom Anti-Nazi-Netzwerk Endstation Rechts. "Die Führung will ein grelles Licht auf das Verfahren werfen, Stärke und Initiative beweisen. Nichts wäre für die NPD gefährlicher, als den Anhängern jetzt den Eindruck eines sinkenden Schiffs zu vermitteln."

 

Ähnlich schätzt Alexander Häusler die Situation ein. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsschwerpunkts Rechtsextremismus an der Fachhochschule Düsseldorf verfolgt er die Taktik der Partei genau: "Die NPD versucht, mit dem Verbotsverfahren offensiv umzugehen - immer mit der Hoffnung, dass es am Ende doch nicht kommt. Dabei versucht die Partei, sich einerseits durch solch provozierende Schritte als Opfer darzustellen, andererseits will sie nach innen und außen zeigen, dass sie sich nicht einschüchtern lässt."

 

Die NPD lässt sich also auch diese Gelegenheit nicht nehmen, das Verbotsverfahren lächerlich zu machen. Eben jene Stoßrichtung hatten die Funktionäre bereits bei ihrer Pressekonferenz Anfang Dezember in Pampow deutlich gemacht. Die Aktion fand zeitgleich zum Treffen der Innenminister der Länder statt - auf dem sich diese für eine Aufnahme des Verbotsverfahrens aussprachen.

 

Damals stellte sich Parteivize Udo Pastörs breit lächelnd vor die Mikrofone und bezeichnete die Beweise der Verfassungsbehörden als "lächerlich". In der Materialsammlung sei die Rede davon, dass seine Partei ausländerfeindlich und Euro-feindlich sei, das reiche niemals für ein Verbot. "Dünn, sehr dünn" sei das alles. Nun folgt also das nächste Kapitel.

 

Immer neue Schachzüge der Rechten


Zudem werden es sich die Rechtsextremen nicht nehmen lassen, Spitzel und Provokateure, wie die NPD die V-Männer nennt, zu geeigneter Zeit zu enttarnen, um die Beweise der Verfassungsorgane ad absurdum zu führen. Denn das erste Verbotsverfahren war genau an dieser Frage 2003 gescheitert.

 

Als Berater greift Parteichef Apfel auch auf seinen Vorgänger Udo Voigt zurück, den er aus dem Amt putschte. Es ist eine ungewöhnliche Allianz, denn Voigt hält wenig vom Kurs der radikalen Seriosität seines Nachfolgers.

 

Gleichzeitig hat sich die Partei geschickt juristisch aufgestellt. Seit Monaten haben sich die Rechtsextremen auf das Verbotsverfahren vorbereitet, sie sind im November selbst nach Karlsruhe gezogen. Apfel will sich vom Bundesverfassungsgericht bescheinigen lassen, dass seine Partei nicht verfassungsfeindlich ist. Schon damals war es ein geschickter Schachzug der Partei. Öffentlichkeitswirksam ging sie zum Angriff über. Karlsruhe hat den Antrag damals nicht sofort abgewiesen.

 

Konkrete Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens erwarten die Experten kaum. Die NPD habe nun zwar "mehr Zeit, die Akten zu studieren", so Julian Barlen von Endstation Rechts. Die meisten Fakten seien aber ohnehin vorher bekannt gewesen. Wichtiger sei in jedem Fall das Signal an die Basis.

 

Beck warnt vor Hysterie


Zur Ruhe mahnt auch Volker Beck, Parlamentsgeschäftsführer der Grünen: "Ich verstehe die mediale Aufregung nicht", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Die NPD hat erstens nur eine Zusammenfassung veröffentlicht. Zweitens fand sich diese bereits Tage zuvor auf einer linken Website zum Download. Drittens hat es keinen Einfluss darauf, ob die Beweise die hohen Hürden des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Verfassungsgericht nehmen können oder nicht." Der Fall des NPD-Verbots könnte letztlich sogar bei den europäischen Richtern in Straßburg landen.

 

Beck spielt mit dem zweiten Punkt auf ein weiteres Detail der NPD-Propaganda an: die Geheimniskrämerei um die Herkunft der Akten. Sprecher Frank Franz teilte SPIEGEL ONLINE mit, die Beweise seien per E-Mail in der Parteizentrale eingegangen. "Woher sie stammen, wissen wir nicht. Natürlich hoffen wir, dass uns aus dieser oder anderen Quellen weiteres Material zukommen wird."

 

Ganz so mysteriös und konspirativ könnte es bei der Datenbeschaffung durch die NPD jedoch gar nicht zugegangen sein. Das linke Internetportal indymedia hat die Akten bereits am vergangenen Montag - also einen Tag vor der NPD - ins Netz gestellt. Der Verdacht liegt also nahe, dass die Rechten einfach im linken Lager abgeschrieben - und dann den anonymen Informanten dazugedichtet haben.

 

Dass die aggressive Taktik zumindest bei den eigenen Anhängern bestens ankommt, belegen die Kommentare unter dem Eintrag auf der NPD-Seite. "Angriff ist die beste Verteidigung. Herzlichen Glückwunsch NPD", schreibt User Deutschtreuer. Das sieht Nutzer Heimatfreund genauso: "Nun steht es 1:0 für die NPD! Jetzt nachlegen und das 2:0 machen…"