Magdeburg: Nazi-Aufmarsch soll Geschichte werden

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Erstveröffentlicht: 
06.01.2012

Am 12. Januar werden wieder weit über 1.000 Neonazis in Magdeburg ihre geschichtsrevisionistische Ideologie auf die Straße tragen. Damit etabliert sich der Aufmarsch weiter als „Ersatz-Dresden“. Bisher gilt Magdeburg als sichere Alternative für die Neonazis, Proteste wie in Dresden gibt es bisher nicht.

 

Von Redaktion Publikative.org.

 

Die geschichtsrevisionistischen Demonstrationen gehören zu den wichtigsten Großveranstaltungen der rechtsextremen Szene in Deutschland. Ende der 1990er Jahre entdeckten Neonazis deutschlandweit das öffentliche „Trauern“ für sich. Seitdem gewannen besonders Demonstrationen zur Verherrlichung von NS-Größen und „Trauermärsche“ für die Toten der alliierten Bombenangriffe erheblich an Bedeutung. Besonders der jährliche Aufmarsch tausender Neonazis in Dresden war für die Szene zentral – sogar europaweit. Doch die Blockaden der Nazigegner führten in den letzten Jahre zum stetigen Bedeutungsverlust des Aufmarsches und nicht zuletzt zu hoher Frustration innerhalb der extremen Rechten. So wurde eines der wichtigsten neonazistischen Events durch zivilgesellschaftliches Engagement Geschichte. Immer mehr Neonazis wichen nach Magdeburg aus und die Teilnehmerzahlen stiegen allmählich an. Doch das Ausweichen aus Dresden zeigt auch, dass innerhalb der Szene bisher kaum Strategien und Konzepte gegen zivilgesellschaftliche Massenproteste existieren. So sind das Ausweichen und Wegbleiben eben durchaus als „Kapitulation“ zu verstehen. Anders in Magdeburg: Hier sind die Proteste deutlich geringer, hier besteht nicht die Gefahr blockiert zu werden, hier kann man in Ruhe marschieren. 2010 stieg die Teilnehmerzahl auf 1.000 an und konnten sich in den folgenden beiden Jahren bei rund 1.200 stabilisieren. Damit wurde der geschichtsrevisionistische Aufmarsch in Magdeburg über die Jahre einer der größten und wichtigsten deutschlandweit, wenn er auch nicht die Bedeutung von Dresden hat.

 

Magdeburg 2013: NPD, wo bist du?

 

Am 12. Januar wollen Neonazis wieder ihren „Trauermarsch“ in Magdeburg durchführen. Verantwortlich für die Organisation ist das NPD-Bundesvorstandsmitglied und Vorsitzende der Jungen Nationaldemokraten, Andy Knape. Doch trotz Knapes hoher NPD-Posten hält sich die Partei bei der Organisation und dem Bewerben des „Trauermarsches“ auffällig zurück. Bereits in den vergangenen Jahren trat die NPD hier kaum in Erscheinung. Besonders mit dem Druck des kommenden Verbotsverfahrens dürfte dies kaum im Interesse der Partei liegen. Stattdessen organisiert die sächsische NPD parallel zum Aufmarsch ihren Landesparteitag und zeigt damit ein wenig kooperatives Verhalten. Auch auf der Rednerliste sucht man vergeblich nach rechtsextremer Prominenz. Neben Knape wird Maik Müller, Organisator der Naziaufmärsche in Dresden, sprechen. Seit Jahren sind beide Initiativen eng miteinander verbunden. Doch Müller war in den letzten Jahren für seine Vorbereitungen in Dresden auch in den eigenen Reihen hart in die Kritik geraten. Ein weiterer Redner aus Magdeburg und ein Neonazi aus Bayern komplettieren das wenig bedeutsame Ensemble. Auch hier zeigt sich, dass der Veranstaltung in Magdeburg innerhalb der Szene deutlich weniger Bedeutung zugemessen wird als Dresden.

 

Auf nach Magdeburg

 

Dennoch braucht die Szene nach zahlreichen Organisationsverboten und dem anstehenden NPD-Verbotsverfahren gerade in diesem Jahr ein Erfolgserlebnis, um die eigenen Kameraden zu motivieren: Daher ist für den 12. Januar mit bis zu 1.500 teilnehmenden Neonazis zu rechnen. Im gleichen Maße, wie der Aufmarsch an Bedeutung gewonnen hat, würden auch erfolgreiche Blockaden zur Frustration führen. Wenn nach Dresden auch Magdeburg zur „No-Go-Area“ für den geschichtsrevisionistische Neonaziaufmärsche werden würde, wären die beiden größten Veranstaltungen dieser Art faktisch passé. Dies dürfte neben dem politischen Willen vor Ort nicht zuletzt davon abhängen, wie viele Menschen sich den Neonazis auch in Magdeburg in den Weg stellen.

 

Publikative.org wird ab Freitag von der Vorab-Demo bis Samstag ausführlich über den Neonaziaufmarsch berichten.