Wachsende Speicherwut - Grün-Rot in Stuttgart und ihr neues Polizeigesetz

Erstveröffentlicht: 
04.12.2012

Kaum beachtet von der breiten Öffentlichkeit wurde in Baden-Württemberg unlängst das Polizeigesetz verschärft. Das Besondere an diesem Vorgang: Das Land wird von einer grün-roten Koalition regiert. Und bei der Abstimmung im Stuttgarter Landtag votierte die schwarz-gelbe Opposition einträchtig mit den Regierungsparteien.

 

Ohne großes Aufsehen wurde am 15. Oktober in Baden-Württemberg das Polizeigesetz geändert. Keine einzige Gegenstimme hatte es im baden-württembergischen Landtag gegen die Gesetzesreform gegeben. Diskussionen gab es lediglich um die Frage der Einführung von innerstädtischen Alkoholverboten. Die CDU hätte solche Verbote gerne in das Polizeigesetz aufgenommen, Jusos und Grüne Jugend hatten auf den jeweiligen Parteitagen allerdings dafür gesorgt, dass dieser Einschnitt nicht zustande kam.

 

Ein Urteil aus Thüringen

Doch dass man über die Gesetzesänderungen und polizeilichen Ermächtigungen, die das Gesetz ohnehin schon vorsieht, sehr wohl diskutieren muss, beweist auch ein aktuelles Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 21. November. Das Gericht entschied, dass Regelungen zur heimlichen Datenerhebung, die dem dortigen Gesetz 2008 hinzugefügt wurden, in Teilen verfassungswidrig seien. »Unzureichend sind die Befugnisse zu heimlichen Datenerhebungen geregelt, die der Verhütung von Straftaten dienen. Hier reicht es nicht aus, auf einen Katalog von Strafrechtsnormen zu verweisen. Der Charakter der Gefahrenabwehr als Rechtsgüterschutz verlangt insoweit, dass diese polizeilichen Befugnisse das geschützte Rechtsgut und den Grad seiner Gefährdung eindeutig erkennen lassen«, stellt das Gericht fest.

Auch in Baden-Württemberg beinhaltet das Polizeigesetz solche besonderen Mittel der Datenerhebung. Die polizeilichen Ermächtigungen in diesem Bereich wurden noch erweitert. Der Einsatz von verdeckten Ermittlern, deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist, wurde in diesem Zuge auf eine fragwürdige rechtliche Basis gestellt. Solche Einsätze von »Vertrauenspersonen« genannten PolizeiermittlerInnen im präventiv-polizeilichen Bereich können laut neuem Gesetz zukünftig auch alle Polizeipräsidenten sowie die Leiter der Polizeidirektionen und »besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes« veranlassen.

 

Das Gesetz ist nun auch an den europäischen Vertrag von Prüm und die diesbezügliche schwedische Initiative angepasst worden. Der Vertrag von Prüm sieht die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, vor. Nun soll geklärt sein, unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union übermittelt worden sind, verarbeitet werden dürfen. Diese Anpassung an europäische Vorgaben bedeutet einen leichteren Zugriff für Polizeibehörden in anderen europäischen Staaten auf in Baden-Württemberg gespeicherte Daten, wie zum Beispiel auf Fingerabdrücke.

 

Besorgte Datenschützer

Thilo Weichert, Landesdatenschutzbeauftragter aus Schleswig-Holstein, erklärte gegenüber dem in Baden-Württemberg beheimateten Radio Dreyeckland, dass sich momentan alle Landespolizeigesetze im Prozess der Anpassung an diese europäischen Richtlinien befinden. Er und andere Datenschutzbeauftragte befürchten ein sinkendes Datenschutzniveau. Denn rechtlich abgesichert wurde auch die langjährige Praxis, personenbezogene Daten, die von Polizeibehörden gespeichert werden, länger zu aufzubewahren, sofern neue polizeiliche Verfahren gegen die Person durchgeführt werden: Bis nicht die zuletzt gespeicherten Daten ihren Löschzeitpunkt erreicht haben, werden auch die vorher erfassten Daten nicht gelöscht.

 

Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) kündigte für den Fall der weiteren Verlagerung der Kommunikation in den virtuellen Raum übrigens an, die besonderen Mittel der Datenerhebung anzupassen. Mit anderen Worten: Das Gesetz könnte noch weiter verschärft werden.