Anatomie der Gewalt

Anatomie der Gewalt - Die Bibel und ihre „späten“ Funktionäre
Erstveröffentlicht: 
01.11.2012

Die Bibel und ihre „späten“ Funktionäre

mehr oder weniger zufällige Anmerkungen...


Abermillionen Menschen sind fest davon überzeugt die Bibel sei Gottes Wort. Die dokumentierte Wahrheit sieht anders aus: Unterschiedliche, heute meist unbekannte Autoren haben die Bibeltexte geschrieben und was der späteren Priesterschaft nicht mehr gefiel, wurde eliminiert oder immer wieder zurechtgetextet. Noch heute werden Veränderungen und Anpassungen vorgenommen.

Bei der Bibel handelt es sich um zusammenhanglose Schriften, die von Hunderten anonymer Autoren, Herausgebern und Kopisten verfasst, umgearbeitet, übersetzt, verfälscht und »verbessert« wurden, von Personen die wir nicht kennen, die sich meist auch untereinander nicht kannten und deren Lebenszeiten sich über neun Jahrhunderte erstrecken. Bibeltreue Gläubige zitieren für ihre Ausgrenzungen, Völkermordabsichten und ähnlich „Böses“ Gottes Wille, in Form entsprechender Bibelstellen und werfen Kritikern andererseits gerne vor, die Bibel doch nicht allzu wörtlich zu nehmen und sprechen von Symbolik und Gleichnis. Je nach Motivation, Mehrheitslage und Taktik werden also Gegenpole besetzt.

Die Bibel wurde und wird verändert, so dass sie mitunter gemäßigter und weniger grausam erscheint. Um eine konkrete Vorstellung zu bekommen, wie Bibeln verfälscht wurden, hier zwei Beispiele. Aus Verbrennen in Ziegelöfen wird Fronarbeit an Ziegelöfen…aus mehr als 50.000 Toten werden 70 Tote…

"Aber das Volk drinnen führte er heraus und legte sie unter eiserne Sägen und Zacken und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen. So tat er allen Städten der Kinder Ammon. Da kehrte David und alles Volk wieder gen Jerusalem." (Lutherbibel von 1912; 2. Samuel 12,31)

"Aber das Volk darin führte er heraus und stellte sie als Fronarbeiter an die Sägen, die eisernen Pickel und an die eisernen Äxte und ließ sie an den Ziegelöfen arbeiten. So tat er mit allen Städten der Ammoniter. Danach kehrten David und das ganze Kriegsvolk nach Jerusalem zurück." (Lutherbibel von 1984; 2. Samuel 12,31)

"… Und er schlug des Volks fünfzigtausend und siebzig Mann. …"

(Lutherbibel von 1912; 1. Samuel 6,19)

"… Und der HERR schlug unter ihnen siebzig Mann. …"

(Lutherbibel von 1984; 1. Samuel 6,19)

Herzstück der modernen Christenheit ist das Neue Testament, eine Sammlung von Texten, Briefen und Sprüchesammlungen, die die Leidensgeschichte Jesu beschreiben. Die ersten Christen waren noch dem jüdischen Denken verhaftet und lasen hauptsächlich das Alte Testament. Immer mehr tauschten sie Briefe, Sprüchesammlungen und Evangelien untereinander aus, die in den Gemeinden vorgelesen wurden. Aber nach und nach wurde der Ruf nach einem eigenen Lehrbuch, nach einem neuen Wort Gottes, immer lauter. Marcion aus Pontus stellte im Jahr 144 nach Christus seinen Glaubensgenossen seine persönliche Version einer Bibel vor. Er ignorierte das gesamte Alte Testament und die meisten der unter den damaligen Christen kursierenden heiligen Schriften. Übrig blieben ein sehr verkürztes und verändertes Lukasevangelium und zehn ebenfalls redigierte Paulusbriefe. Aber die Theologen waren über diese Bibelfassung wenig erfreut und schlossen Marcion verärgert aus der Kirche aus. Ende des 2. Jahrhunderts begann man immer mehr, angeführt von Bischof Theophilus von Antiochien, von der Heiligkeit der Evangelien und der Paulusbriefe zu sprechen. Der Druck, ein Buch zu haben, um die Kirche überhaupt konstituieren zu können, wuchs weiter. Erst Ende des 4. Jahrhunderts wurde nach mehreren Synoden in Rom und Karthago jener Kanon des Neuen Testaments bestimmt, den wir mehr oder weniger noch heute kennen. Bischof Papias von Hierapolis (70-130) in Phrygien hielt um das Jahr 110 nicht einmal die uns heute bekannten Evangelien für heilig genug, während Kirchenvater Justin lieber das Alte Testament zur Erbauung bemühte. Kirchenvater Irenäus (130-200) und Clemens Alexandrinus (†215) stellten ebenfalls Bibelversionen zusammen, die aber unter heftigen Diskussionen immer wieder verworfen, ergänzt und verändert wurden. Um das Jahr 170 stellte der syrische Apologet Titian aus den vier Evangelien ein einziges zusammen und nannte es Evangelienharmonie ("Diatessaron"). Noch immer war man offen für Ergänzungen aus nichtkanonischen Überlieferungen. Später schrieb auch Bischof Theophilus von Antiochien eine Evangelienharmonie, konnte sich aber damit nicht durchsetzen. Trotz dieses ewigen Hin und Hers erklärt die päpstliche Bibelkommission noch heute, jedes Wort der Bibel sei unfehlbar. Im Jahr 367 wies der Kirchenvater Athanasius (295-373), Bischof von Alexandria, in einem Brief darauf hin, dass die 27 Bücher des Kanons nun endgültig feststünden. Er nannte sie "Quellen des Heils, auf das sich der Dürstende an ihnen mehr als genug erlabe." Die Synode von Laodicea machte die Auswahl der Bücher schließlich offiziell und das Neue Testament war mehr oder weniger geboren. Nirgendwo auf der Welt ist übrigens das Original eines biblischen Evangeliums erhalten. Es gibt nur Abschriften von Abschriften von Abschriften. Die beiden ältesten Kopien des Neuen Testaments stammen aus dem 4. Jahrhundert. Eine liegt im Vatikan, die andere im Britischen Museum in London. Im Letzten sind noch apokryphe Texte enthalten, welche die Kirche heute als gefälscht oder unsinnig betrachtet.



Die Bibel wird gern als ein Buch gerühmt, das gottgegeben die Welt bewegt und widerstandslos die Herzen der Menschen feurig entfacht haben soll; diesem Wort Gottes sei der Erfolg des Christentums zu verdanken. Bedenken wir aber, dass es fast 400 Jahre gedauert hat, bis die biblischen Geschichten zum Buch der Christen zusammengefasst wurden und weitere Jahrhunderte vergingen, in denen es inhaltlich immer wieder berichtigt und verändert worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt hat also noch niemand eine Bibel gelesen und trotzdem wurde das Christentum um das Jahr 400 per Gesetz zur Staatsreligion erklärt. Trotzdem konnte weitere 1000 Jahre kaum jemand diese Bibel lesen. Sie war in Latein geschrieben und nur wenigen Gelehrten zugänglich. Sie haben daraus dem einfachen Volk jene Texte vorgelesen, die ihnen und ihren Vorhaben gerade passten. Das Buch wurde immer wieder von Hand kopiert, hatte den vergleich- baren Wert eines heutigen Einfamilienhauses und war nur hohen Kirchenführern zugänglich. Ein Dorfpfarrer jener Zeit konnte in der Regel nämlich kaum lesen.

Mitte des 15. Jahrhunderts (1452) wurde schließlich eine erste Bibel mit beweglichen Lettern gedruckt und endlich war das Buch auch für einfache Bürger zu erwerben. Aber noch immer konnten in Europa nur ganz wenige Menschen lesen, schon gar nicht in Latein. Wieder verstrichen 100 Jahre (1534) bis erste Bibeln in landesüblichen Sprachen erschienen, übrigens gegen den erbitterten Widerstand des Klerus. Viele Autoren haben für Bibel- Übersetzungen mit ihrem Leben bezahlt, sind nach grausamer Folter auf dem Scheiterhaufen gestorben, nur weil sie das Wort Gottes dem einfachen Volk zugänglich machen wollten. Die Geistlichkeit sträubte sich mit allen Mitteln dagegen. Doch trotz klerikalem Widerstand begannen immer mehr gebildete Menschen, das Buch der Bücher zu studieren. Erstmals konnten Frauen und Männer selber nachlesen, was da über tausend Jahre vorgetragen wurde und was für menschenverachtende und unsinnige Texte dieses Buch enthält. Zu jener Zeit entzündete ein kleiner Funke das Feuer der Aufklärung und in gemächlichen Schritten befreite sich eine wachsende Volksschicht von der Macht der Adeligen und der Geistlichkeit, aber auch von den Inhalten der Bibel. Gegen immensen Druck von Kirche und Staat entfernten sich Frauen und Männer von biblischen Aussagen und tun das bis zum heutigen Tag.



Der „liebende“ Gott der Bibel ist ein Befürworter der Todesstrafe, oder waren es nicht viel mehr die Bibelschreiber? In zahllosen Gesetzen schreibt «er» klar und deutlich den Tod als einzige Strafe vor. Es fällt auf, dass sich fast alle todeswürdigen Vergehen um die falsche Ausübung der Ehrerbietung zu Gott, um den Umgang mit anderen Göttern und um sexuelle Belange drehen. Es folgen wenige Beispiele aus einer Vielzahl von Todesurteilen:

(1. Mose 17,14): "Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden." (2.Mose 21,15): "Wer Vater oder Mutter schlägt, der soll des Todes sterben." (2. Mos/Ex. 22,17) "Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen." (2. Mose 31,15): "Wer eine Arbeit tut am Sabbattag, soll des Todes sterben." (3. Mose 17,8-9): "Wer aus dem Hause Israel (…) ein Brandopfer oder Schlachtopfer darbringt und bringt es nicht vor die Tür der Stiftshütte, um es dem Herrn zu opfern, der wird ausgerottet." (3. Mose 20,2): "Wer unter den Israeliten oder den Fremdlingen in Israel eins seiner Kinder dem Moloch (Ein fremder Gott) gibt, der soll des Todes sterben." (3. Mose 20,13): "Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so (…) sollen beide des Todes sterben." (3. Mose 20,15): "Wenn jemand bei einem Tiere liegt, der soll des Todes sterben." (3. Mose 20,18): "Wenn ein Mann bei einer Frau liegt zur Zeit ihrer Tage, (…) so sollen beide aus ihrem Volk ausgerottet werden." (3. Mose 24,16): "Wer des Herrn Namen lästert, der soll des Todes sterben."

Fundamentalisten nehmen alle Texte der Bibel wörtlich, halten sie für von Gott gegeben, irrtumsfrei und unveränderlich. Ihre aggressive Anhängerschaft wird wieder größer. Die Speerspitze aller Fundamentalisten sind die Kreationisten, die Bibeltexte so wörtlich nehmen, dass sie die Evolutionslehre für eine Irrelehre halten. Nach ihrer Ansicht wurden Welt und Universum in sechs Tagen erschaffen. In den USA sind die fundamentalistischen Kirchen so stark, dass sie das öffentliche Denken und die Politik stark beeinflussen. In mehr als 30 Bundesstaaten gibt es juristische und politische Bemühungen gegen die Darstellung der Evolutionslehre von Charles Darwin an Schulen. Der Einfluss der Fundamentalisten nimmt in allen Weltreligionen zu und auch unter den Christen ist eine Rückkehr zu einer möglichst wortgetreuen Auffassung der heiligen Schriften zu beobachten. Besonders in den USA richten schätzungsweise sechzig Millionen fundamentalistische Wähler ihr Handeln nach den biblischen Geboten, unterstützt von über zweihundert religiösen Fernseh- und über tausend Radiostationen. Dort kann man mit Sorge beobachten, mit welch schamloser Demagogie selbst ernannte Evangelisten breiteste Volksmassen gegen "Gottlose" und "Liberale" aggressiv emotionalisieren.




Wie hätte sich Wissenschaft und Forschung entwickelt, wenn es keine Bibel gegeben hätte? Die Frage ist überaus brisant, denn von Anfang an wurde jedes Hinterfragen der Welt von den Bibelverkündern im Keim erstickt, wenn es nicht dem Wohl des Glaubens diente. Als die Kirche zu ihrem Siegeszug antrat, erwachten im Einfluss der hellenistischen und römischen Kulturen erste Ansätze von Wissenschaft. Man wusste damals in gelehrten Kreisen bereits von der Kugelgestalt der Erde. Eratosthenes (276-195 v. Chr.) errechnete den Umfang der Erde weitaus genauer als lange nach ihm Christoph Kolumbus. Aber die christlichen Offenbarer beharrten darauf, alles Wissen allein und wahrhaftig zu besitzen. Erkenntnis außerhalb der Bibel war überflüssig, geradezu undenkbar. Was hätte sich alles entwickeln können, hätte man dem Forscherdrang von Anfang an freien Lauf gelassen? Die Heilkunst war vor der Zeitrechnung hauptsächlich in Ägypten und Griechenland recht fortgeschritten. Erziehung und Bildung hatten einen hohen Stand erreicht. Mehr als 40 Tempel waren allein Asklepios gewidmet, dessen Heilstätten gut besucht waren. Die Medizin war erwacht und schien voranzuschreiten, aber das Christentum fürchtete die Konkurrenz des Wissens und verketzerte und bekämpfte sie. "Die Kranken sollen lieber zum Gebet als zum Arzt gehen", war die überlieferte Ansicht der Geistlichkeit. Die Hauptursache aller Krankheiten und körperlicher Gebrechen wurde im Ungehorsam gegen Gott gefunden. Warnte nicht der Herr seine Menschen unmissverständlich, sollten sie ihm (3. Mose 26,14) "nicht gehorchen“, würde er sie mit Krankheit strafen? (3. Mose 26,16)"Ich will euch heimsuchen mit Schrecken, mit Auszehrung und Fieber." Das Sezieren von Leichen und der Gebrauch natürlicher Heilmittel galten als Teufelswerk. Im Jahr 1543 fertigte der Mediziner Andreas Vesalius eine durch systematisches Sezieren erstellte anatomische Studie an, die er von seinem Freund Stephan von Kalkar naturgetreu hatte illustrieren lassen. Die Bilder zeigten den menschlichen Körper, seine Nerven, seine Muskeln und Knochen mit erstaunlicher Präzision. Was die Theologen daran besonders entrüstete, war die Erkenntnis, dass Mann und Frau die gleiche Anzahl Rippen besitzen. Hatte Gott nicht Adam eine Rippe genommen, um Eva zu erschaffen? Also müssten Männer doch eine Rippe weniger haben. Entrüstung überall. Die Liste der von Theologen verfolgten und verhöhnten Forscher ist lang. Charles Darwin, selber ein ehemaliger Theologe, wurde noch im 19. Jahrhundert aufs Widerwärtigste beschimpft und bedroht. Bis heute erscheinen religiöse Schriften, die seine Evolutionstheorie vehement bestreiten. Wissenschaft und Experiment wurden bis zur Renaissance durch Bibel und Dogma rücksichtslos geahndet. Erst die Französische Revolution eröffnete den langen Prozess der Aufklärung und nahm der Kirche ganz langsam ihre Macht über das Denken.



Der biblische Judenhass

 

Die Bibel lässt keine Zweifel daran, was sie von ihren „religiösen Widersachern“, den Juden, hält. Schlechte Menschen wirft sie mit Juden und Heiden zusammen in einen Topf (Röm 2,9): "Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die Böses tun, zuerst der Juden und ebenso der Griechen." In Paulus' ältestem Brief, dem Thessalonicherbrief, lesen wir (1. Thess 2,14-16): "Die (Juden) haben den Herrn Jesus getötet und die Propheten und haben uns verfolgt und gefallen Gott nicht und sind allen Menschen feind. Und um das Maß ihrer Sünden allewege voll zu machen, wehren sie uns, den Heiden zu predigen zu ihrem Heil. Aber der Zorn Gottes ist schon in vollem Maß über sie gekommen."Weiter wetterte Paulus (Titus 1,10-11): "Denn es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer, besonders die aus den Juden, denen man das Maul stopfen muss, weil sie ganze Häuser verwirren und lehren." (Alle diese Zeilen stehen im Neuen Testament, dem angeblichen Standardwerk der „Nächstenliebe“.) Als sich die frühen Christen immer mehr von den bekehrungsunwilligen Juden entfernten, ernannten sie sich selber zum auserwählten Volk, entrissen den Juden das Alte Testament und gebrauchten es als Waffe gegen sie. Man unterstellte ihnen, sie verstünden nichts von ihrer eigenen Schrift und Kirchenvater Justin (100-165) schrieb herablassend: "Wenn sie darin lesen, verstehen sie ihren Sinn nicht." Paulus behauptete, das Alte Testament könne ohnehin nur verstehen, wer den Geist Christi erkenne (2. Kor 3,14): "Aber ihre (der Israeliten) Sinne wurden verstockt. Denn bis auf den heutigen Tag bleibt diese Decke unaufgedeckt über dem Alten Testament, wenn sie es lesen, weil sie nur in Christus abgetan wird." Wenn die Juden also in ihrem Buch Mose lesen, "hängt die Decke vor ihrem Herzen", sie haben sozusagen ein Brett vor dem Kopf. Papst Johannes Paul II äußerte dazu in einem Apostolischen Schreiben (1994): "Der Heilsplan des Alten Testaments ist im wesentlichen darauf ausgerichtet, das Kommen Christi, des Erlösers des Alls, und seines messianischen Reiches vorzubereiten und anzukündigen." Was wohl Juden von dieser Anmaßung halten? Kirchengründer Paulus beschimpfte die Juden (Röm 2,17-29) aufs Übelste und warf ihnen vor, zu stehlen und zu ehebrechen. "Du (Jude) predigst, man solle nicht stehlen, und du stiehlst?", lästerte er. "Du rühmst dich des Gesetzes, und schändest Gott." Der Antijudaismus war in den Bibelversen des Neuen Testaments geboren, wuchs heran zum Antisemitismus und fand einen Höhepunkt in den Konzentrationslagern des „Dritten Reiches“. Der Theologe Hans Küng kommt zu dem Schluss, "der Nationalsozialismus wäre unmöglich gewesen, ohne den jahrhundertealten Antisemitismus der christlichen Kirchen."

Das Johannesevangelium, das judenfeindlichste Evangelium der Bibel, beschwert sich wortgewaltig über die "Kinder Abrahams", die Jesu Lehren nicht annehmen wollten (Joh 8, 44-45): "Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüste wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit."

Im Johannesevangelium tauchen die Juden immer wieder als Jesus' Gegner auf, die ihm nach dem Leben trachten (Joh 10,31): "Da hoben die Juden abermals Steine auf, um ihn (Jesus) zu steinigen."

Apostel Paulus schrieb unmissverständlich, wen er für die Mörder seines Herrn hielt (1. Thess 2,15): "Die haben den Herrn Jesus getötet und die Propheten und haben uns verfolgt und gefallen Gott nicht und sind allen Menschen feind."

(Röm 2,21-22) "Du (Jude) lehrst nun andere, und lehrst dich selber nicht? Du predigst, man solle nicht stehlen, und du stiehlst? Du sprichst, man solle nicht ehebrechen, und du brichst die Ehe? Du verabscheust die Götzen, und beraubst ihre Tempel?"

(Apg 2,23) "Diesen Mann (Jesus), der durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr (Juden) durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht."

(Apg 3,15): "Den Fürsten des Lebens (Jesus) habt ihr (Juden) getötet."

(Apg 5,30): "Der Gott unsrer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr (Juden) an das Holz gehängt und getötet habt."

Die Liste der Schandtaten, die im Namen der Bibel und des Glaubens gegen Juden begangen wurden, ist endlos, obwohl Jesus selbst ein (Lk 2,21) beschnittener und in der
(Mt 13,54) Synagoge betender Jude gewesen war.

Martin Luther wetterte in Schmähschriften hemmungslos gegen Juden: "Ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist's um diese Juden, so diese 1.400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen." Luther rief lange vor Hitler zum Verbrennen von Synagogen auf: "Erstens soll man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecken und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufen." Der Philosoph Karl Jaspers urteilte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges über Luthers Judenschrift: "Da steht das ganze Programm der Hitler-Zeit schon!"



Christentum und Nationalsozialismus

Es war die katholische Zentrumspartei, die Hitler an die Macht brachte, die nur unter der Bedingung dem Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 zustimmte, dass Hitler das Reichskonkordat mit dem Vatikan abschließt, was am 20. Juli 1933 "ordnungsgemäß" geschah.

Papst Pius XI. waren ideologische Differenzen mit dem Faschismus weniger wichtig als konkrete politische Interessen. Und die Nazis zerschlugen nicht nur die Organisationen der dem Papst verhassten sozialistischen Arbeiterbewegung, sie erfüllten auch seinen Wunsch nach einem Konkordat. Diese "feierliche Übereinkunft" in der Form eines Staatsvertrages wurde am 20.Juli 1933 unterzeichnet und sicherte der katholischen Kirche eine Reihe von Privilegien, vor allem im Bildungsbereich. Für das "Dritte Reich" bedeutete das Abkommen das Ende der außenpolitischen Isolation, ein enormer Prestigegewinn. Über die Ziele der Nationalsozialisten konnte schon damals keine Unklarheit mehr herrschen, die Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Bereiche hatte längst begonnen, tausende von Oppositionellen waren bereits verhaftet. Durch den Abschluss des Reichskonkordates signalisierte der Vatikan seine Bereitschaft, die Abschaffung von Demokratie und Menschenrechten zu akzeptieren, sofern dies zur Verwirklichung seiner strategischen Interessen notwendig erschien. Das Objekt der päpstlichen Begierde lag in der Sowjetunion: die russisch-orthodoxe Kirche unter den Einfluß Roms zu bringen, war ein alter Wunsch der katholischen Oberhirten. Dazu musste freilich vorher das "gottlose" bolschewistische Regime beseitigt werden; darin trafen sich das katholische Interesse und die nazistischen Pläne einer Ostexpansion, die der Verhandlungsführer des Vatikans, Eugenio Pacelli, der über zehn Jahre als päpstlicher Nuntius in Deutschland gewirkt hatte, bestens kannte. Und da absehbar war, daß dies nicht so ohne weiteres mit friedlichen Mitteln zu erreichen sein würde, waren in einem geheimen Zusatzprotokoll zum Reichskonkordat Regelungen über den Status der Geistlichen für den Fall der Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht und der Mobilmachung angefügt. Den Solidaritätserklärungen der Bischöfe folgten bald Taten; auf allen Ebenen unterstützten der höhere katholische Klerus und die Mehrzahl der katholischen Verbandsfunktionäre die nationalsozialistische Politik der Gleichschaltung. Der politische Arm der Katholizismus, die Zentrumspartei, löste sich Anfang Juli selbst auf.



Wer gegen die verbrecherische Politik der Nationalsozialisten Widerstand leistete, konnte - selbst wenn er im kirchlichen Dienst stand - hingegen nicht auf ihre Unterstützung rechnen. "Wir lehnen jede staatsfeindliche Handlung oder Haltung von Mitgliedern strengstens ab" hieß es in einer Denkschrift der Bischofskonferenz von 1935; wer "regierungsfeindliche Strömungen" in die katholischen Vereine leiten wolle, müsse "unnachsichtlich" aus diesen entfernt werden (Karlheinz Deschner, Kirche und Faschismus, Rastatt 1993, S. 80f.). Der Generalvikar des Militärbischofs, Georg Werthmann, konkretisierte, was dies etwa für katholische Kriegsdienstverweigerer heißen sollte: "ausgemerzt und um einen Kopf kürzer gemacht"( Karlheinz Deschner, Opus Diaboli, Reinbek 1987, S. 83.), lautete seine Forderung, der die nationalsozialistische Justiz nur allzu gerne nachkam. Als der Diözesanpriester Max Josef Metzger wegen eines (nie veröffentlichten) Manifestes für ein neues Deutschland vor dem Volksgerichtshof wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" angeklagt wurde, setzte sich der Freiburger Erzbischof Conrad Gröber keineswegs für ihn ein, sondern teilte Roland Freisler unterwürfig sein Bedauern über Metzgers "Verbrechen" mit (Der Brief des Bischofs Gröber ist eines der erschreckendsten Dokumente dafür, wie die katholische Kirche Laien und Priester, die Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime leisteten, im Stich ließen; in voller Länge abgedruckt in Christen und Nationalsozialisten, hrsg. von Georg Denzler und Volker Fabricius, Frankfurt 1993, S. 206).  Max Josef Metzger wurde am 14.Oktober 1943 zum Tode verurteilt und 8 Monate später hingerichtet.

Während des Krieges mahnten die Bischöfe ihre «Schäfchen» in Predigten und Hirtenbriefen immer wieder zu "treuer Pflichterfüllung" (Gemeinsamer Hirtenbrief vom 26.6.1941). Die Teilnahme am faschistischen Raubzug hieß "Pflicht vor Gott“, der Überfall auf Polen hatte den Zweck, "das Vaterland zu schirmen und unter Einsatz des Lebens einen Frieden der Freiheit und Gerechtigkeit für unser Volk zu erkämpfen". Erst später, als die militärische Niederlage des faschistischen Deutschlands immer wahrscheinlicher wurde, nahmen die Beifallsbekundungen von der Kanzel ab. Nach Kriegsende wurde dann die Geschichte umgeschrieben: aus Kollaboration mit dem Hitlerregime wurde Kirchenkampf gegen die Nazis, aus Lobeshymnen Protest, aus Bischöfen, die nie ein KZ oder Gefängnis von innen gesehen hatten, Widerstandskämpfer. "Umgeschrieben" durchaus im wörtlichen Sinne, denn die frühen Sammlungen kirchlicher Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus enthalten viele hitlerfreundliche Texte nicht, dafür aber eine ganze Reihe von "leicht korrigierten" Hirtenbriefen und Denkschriften (Karlheinz Deschner, Kirche und Faschismus, Rastatt 1993, S. 122). Im April 1946 initiierte Kardinal Faulhaber eine Umfrage, die den "starken und fast ausnahmslosen Widerstand der katholischen Geistlichen" belegen sollte (Quelle: Christen und Nationalsozialisten, hrsg. von Georg Denzler und Volker Fabricius, Frankfurt 1993, S. 221). Einer solchen Organisation konnte freilich die Mitwirkung beim Aufbau der Bundesrepublik nicht verwehrt werden. Das Reichskonkordat, bis heute das einzige noch gültige außenpolitische Abkommen aus der Nazizeit, bot dafür eine gute Grundlage. Die Begründung für die reibungslose Kehrtwende von Kollaborateuren Hitlers zu aufrechten Demokraten hatte der Erzbischof von Breslau, Adolf Bertram, bereits 1933 gegeben: "Wiederum hat sich gezeigt, daß unsere Kirche an kein politisches System, an keine weltliche Regierungsform, an keine Parteienkonstellation gebunden ist. Die Kirche hat höhere Ziele..." (Karlheinz Deschner, Kirche und Faschismus, Rastatt 1993, S. 64).

Adolf Hitler interessierte sich in seiner Wiener Zeit vor allem für die "Rassen-Theorien" des ebenfalls in Wien lebenden Lanz von Liebenfels, der genau das germanische und antisemitische Gedankengut für das 20. Jahrhundert aufbereitete, das Hitler später propagierte. In Wien las Hitler die Zeitschrift "Ostara" des Lanz von Liebenfels, der einen Männer-Freundeskreis pflegte, dem auch der Dramatiker Fritz von Herzmanovsky-Orlando angehörte. Das "Rassen-Programm der NSDAP hat seinen Ursprung in Wien bei Lanz von Liebenfels; den so genannten "Rassenwertigkeitsindex" mit der Punktevergabe für Augen, Nase, Haare, Haut etc. gab es schon damals bei Lanz von Liebenfels. Frauen wurden vom "Neuen Templerorden" als Sklavinnen des Mannes betrachtet, und Lanz von Liebenfels sagte: "Behandle das Weib stets als das, was es ist: als erwachsenes Kind." Während die Ahnen von Karl Maria Wiligut vom Papst als "satanische Sippschaft" gebrandmarkt waren, war Lanz von Liebenfels Mönch in der Zisterzienserabtei "Heiligenkreuz" im Wienerwald. Zur Jahrhundertwende legte der Wiener Philosoph Otto Weininger mit seinem Buch "Geschlecht und Charakter" (1903) einen "philosophisch-ideologischen" und der christlichsoziale Politiker Karl Lueger (Wiener Bürgermeister von 1897 bis 1910) einen demagogisch-agitatorischen Grundstein für den Antisemitismus des 20. Jahrhunderts. Der religiöse Totenkult, der pompös im Dritten Reich betrieben wurde, das ganze mittelalterlich-kreuzritterhafte Getue und das ersatzreligiöse ideologische System spricht eine klare und eindeutige Sprache und ist unter dem Aspekt des religiösen Wahns zu fassen.

Von den insgesamt etwa 100 Attentaten auf Hitler ist kein einziges geglückt; das Umfeld Hitlers sprach von "Vorsehung". Hitler steigerte sich dabei in einen solchen Fanatismus, dass er noch 1945 auf die Erfüllung der "Vorsehung" setzte. Hier ist von einem religiösen Fanatismus zu sprechen, der Hitler Antrieb und Motor war, seine Pläne ohne jede Rücksicht umzusetzen. Hitler war katholisch bis zum Tod, glaubte an die "Vorsehung" und war ein religiöser Fanatiker. Nach dem "Endsieg" sollte Adolf Hitler als "Erlöser" zu Musik aus dem Bühnenweihfestspiel Parsifal von Richard Wagner unter einer von Albert Speer entworfenen von Säulen getragenen Kuppel in hellstem Licht erscheinen. Die Welt werde in zwei Hälften aufgeteilt, in eine West- und eine Ost-Hälfte, die eine bekomme der eine, die andere der andere Enkel von Richard Wagner. Die beiden Enkel von Richard Wagner hatten ein gutes Verhältnis zum Führer und nannten ihn "Onkel Wolf". Adolf Hitler war Mitglied der katholischen Kirche und zahlte bis an sein Lebensende Kirchensteuer. Der junge Hitler stand unter dem Einfluss der Christlichsozialen Partei Österreichs; die Judenverfolgung verstand er als Fortsetzung des "Werkes der Kirche". Am Tag des Ermächtigungsgesetzes erklärte Hitler in seiner Regierungserklärung: "Das Christentum ist das unerschütterliche Fundament des sittlichen und moralischen Lebens unseres Volkes." Der Nationalsozialismus war an sich eine christlich-religionsfreundliche Diktatur und die weit überwiegende Mehrheit des Klerus bestand aus Nazis und Opportunisten wie Kardinal Theodor Innitzer, der sich 1938 öffentlich für den Anschluss Österreichs an das Dritte Reich aussprach. Die evangelische Kirche biederte sich genauso an die Nazis an wie die katholische Kirche. Nach dem 2. Weltkrieg und dem Holocaust betrieb die katholische Kirche Fluchthilfe für Naziverbrecher und Massenmörder wie auch das Rote Kreuz und der US-Geheimdienst. Unter dem Begriff "Klosterrouten" versteht man Fluchtrouten von Nazi-Verbrechern und Massenmördern aufgrund der aktiven Beteiligung hochrangiger Vertreter der katholischen Kirche am gelingen der Flucht. Die Fluchtrouten führten über Italien nach Südamerika und dort hauptsächlich nach Argentinien, aber auch in den Nahen Osten. Über diese Routen gelang es nach dem 2. Weltkrieg einer großen Zahl von NS-Tätern und Faschisten, einer gerichtlichen Anklage und Bestrafung zu entgehen. Später bürgerte sich für diese Fluchtrouten der Begriff "Rattenlinien" ein. Der Vatikan leistete entscheidende Fluchhilfe für Nazi-Verbrecher, die nach dem Ende des 2. Weltkriegs einen sicheren Zufluchtsort erreichen wollten; für die katholische Kirche stand dabei der Kampf gegen den "atheistischen Kommunismus" ebenso im Vordergrund wie "christliche Nächstenliebe" und gleichsam der "Missionierungsauftrag", lateinamerikanische Länder mit Menschen zu infiltrieren, die antikommunistisch und prokatholisch eingestellt sind. Durch das Zusammenspiel zwischen dem Vatikan und der Organisation "ODESSA" (Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen) wurde die "Klosterroute" zwischen Österreich, Italien und faschistischen Staaten Südamerikas aufgebaut. Bereits 1943 bereitete der kroatische Franziskaner-Priester Krunoslav Draganović zusammen mit dem österreichischen Titularbischof, katholischen Theologen und Rektor des deutschen Priesterkollegs "Santa Maria dell'Anima" Alois Hudal Fluchtrouten vor; viele Nationalsozialisten ehrten Draganović mit dem Namen "Goldener Priester". Am 25. Juli 1943 berichtete der deutsche Botschafter am "Heiligen Stuhl" Ernst von Weizsäcker dem Auswärtigen Amt in Berlin, dass sich das "Vatikanische Staatssekretariat" für Angehörige der Familie Mussolinis und anderer Faschisten einsetzt. Papst Pius XII., der zum Holocaust schwieg, und sein enger Mitarbeiter Giovanni Montini (später Papst Paul VI. von 1963 bis 1978) statteten Bischof Alois Hudal, Träger des "Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP", der eine Symbiose von Katholizismus und Nationalsozialismus propagierte, mit weit reichenden Kompetenzen aus, die es ihm ermöglichten, die Ausschleusung von Nazi-Verbrechern zu organisieren. Bischof Alois Hudal fühlte sich verpflichtet, sein gesamtes "wohltätiges Werk" hauptsächlich früheren Nationalsozialisten und Faschisten zu widmen, besonders den "so genannten Kriegsverbrechern" - wie sich Hudal ausdrückte. Der katholische Priester Krunoslav Draganović war als "Umsiedlungs-Beamter für die Deportationen von Juden und Serben verantwortlich und agierte als Sekretär der kroatischen Nationalkirche im Kloster "Istituto San Girolamo degli Illirici" in der Via Tomacelli nahe des Vatikans, das vom Vatikan als kroatische Sektion der "Päpstlichen Hilfskommission" PCA anerkannt wurde. Beinahe die gesamte Führungsriege des Ustascha-Staates wurde von hier nach Argentinien geschleust, unter anderen auch Ante Pavelić; der Massenmörder SS-Hauptsturmführer Klaus Barbie - der "Schlächter von Lyon"- bekam vom Kloster "San Girolamo" ein Visum nach Bolivien, zuvor wurde der Nazi-Verbrecher vom US-amerikanischen Geheimdienst CIC als "antikommunistischer Experte" rekrutiert. Bis 1962 war Krunoslav Draganović für den CIC tätig und arbeitete auch für den britischen als auch den jugoslawischen und den sowjetischen Geheimdienst. Bischof Alois Hudal aus Österreich stellte Nazi-Verbrecher so dar, als seien sie politisch Verfolgte, die persönlich ganz schuldlos nur die ausführenden Organe der Befehle ihnen übergeordneter Stellen gewesen wären. Darüber hinaus betonte Alois Hudal immer wieder den Nutzen der SS-Männer als erfahrene Kämpfer gegen den "antichristlichen Bolschewismus". Alois Hudal starb 1963 in Rom; in seinen Memoiren schreibt er von einer Verbindung von Christentum, Nationalismus und Sozialismus bei einem klaren Antikommunismus, womit er die christliche Soziallehre definierte.



Bischof Alois Hudal besorgte den flüchtigen Nazis Ausweiskarten, die das "Österreichische Bureau" in Rom ausstellte. Die flüchtenden Nazi-Verbrecher und Massenmörder erhielten die Unterstützung von päpstlichen Hilfsstellen, welche die neue und falsche Identität der Nazi-Flüchtlinge beglaubigten und die Visa beschafften, während das italienische Rote Kreuz für die Organisation der Pässe zuständig war. Weiters unterstützt wurden die Nazi-Verbrecher auch von der Caritas, vom Erzbischof von Genua Giuseppe Siri, dem Priester Edoardo Dömöter, der 1950 Adolf Eichmanns Antrag auf einen Rote-Kreuz-Pass unterzeichnete, und vom deutschen Verein "Stille Hilfe", der von hochrangigen Repräsentanten der katholischen und der evangelischen Kirche unterstützt wurde. In manchen Fällen wurden die Nationalsozialisten über gefälschte Papiere als "Überlebende von Konzentrationslagern" ausgegeben. Namentlich hatten die Nazi-Massenmörder SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann aus Österreich, "Todesengel" SS-Hauptsturmführer Josef Mengele, SS-Hauptsturmführer Erich Priebke, SS-Oberscharführer Josef Schwammberger, der "Schlächter von Riga" Eduard Roschmann aus Österreich und Franz Stangl, der als Kommandant der Vernichtungslager von Treblinka und Sobibor den Tod von 400.000 Menschen zu verantworten hatte, ihre Flucht und somit ihr Entgehen der Gerichtsbarkeit dem österreichischen Bischof Alois Hudal zu verdanken, der dies als "karitative Nächstenliebe" bezeichnete. Neben Adolf Eichmann, Josef Mengele, Walther Rauff und Erich Priebke wurde auch hunderten weniger bekannten Nazi-Verbrechern - hauptsächlich aus der SS - zur Flucht verholfen. Auch der österreichische Massenmörder SS-Hauptsturmführer Alois Brunner erhielt "prominente" Fluchthilfe und landete sicher im Nahen Osten. Mitte der 80er Jahre gab Brunner Interviews - 1985 für die Zeitschrift "Bunte", 1987 für einen "Krone"-Journalisten -, jeder, der es wissen wollte, wusste, wo er sich in Syrien unter dem Namen "Georg Fischer" aufhält. Die österreichischen Behörden wussten auch, dass Alois Brunner in Briefkontakt mit seinem in Österreich lebenden Neffen steht und haben so gut wie nichts unternommen, den bei Briefbomben-Attentaten ein Auge und Finger verloren gehabten Alois Brunner zu fassen. Stattdessen erhielt Alois Brunners Ehefrau als Hinterbliebene eines Vermissten Witwenrente. Alois Brunner konnte in den 80er Jahren in Syrien einem Journalisten mitteilen, dass man ihm dankbar sein sollte, dass er Wien "judenfrei" gemacht habe. Und während man in der Republik Österreich als Naziverbrecher unbehelligt Karriere machen konnte, ließ man Simon Wiesenthal mit seinen Anliegen abblitzen, im Regen stehen und beschimpfen. 2007 gab es von der Republik Österreich erstmals eine Ergreiferprämie für SS-Hauptsturmführer Alois Brunner und den ebenfalls aus Österreich stammenden SS-Arzt im Konzentrationslager Mauthausen Aribert Heim in der Höhe von je 50.000 Euro. Beide wären 2007 über 90 Jahre alt gewesen, und es mehrten sich schon vorher die Hinweise, dass beide längst tot sind. Der österreichische Massenmörder SS-Oberscharführer Gustav Wagner, der "Henker von Sobibor", war in der NS-Tötungsanstalt Hartheim bei Linz und im Vernichtungslager Sobibor tätig, wo er "Selektionen an der Rampe" durchführte und über Leben oder Tod von 250.000 Menschen entschied. Mit Hilfe des Vatikans flüchtete Gustav Wagner auf der Rattenlinie zunächst nach Syrien und danach nach Brasilien. Der französische Nazi-Kollaborateur und Verbrecher Paul Touvier - während der deutschen Besatzung stellvertretender Kommandant der pronazistischen Miliz in Lyon - wurde zunächst auf Druck des Vatikans begnadigt. Später wurde er in Abwesenheit zum Tod verurteilt und entkam aufgrund eines Geschäfts mit dem Vatikan, weil sich Touvier bereit erklärt hatte, die gesamten Geldmittel der Miliz dem Vatikan zu übergeben - die Milizgelder stammten aus Plünderungen jüdischen Eigentums. Dem Erzbischof Iwan Butschko gelang mit persönlicher Fürsprache von Pius XII. die Freilassung einer Division der ukrainischen Waffen-SS, und die SSler konnten in verschiedene Länder ausreisen.

In dem Buch "Unholy Trinity" führen Aarons und Loftus Aussagen von Geistlichen an, nach deren Angaben Papst Pius XII. direkt Anweisung für die Organisation der "Rattenlinie" gab. Auf einem Foto ist Giovanni Montini, der spätere Papst Paul VI., bei einem Besuch in der kroatischen Nationalkirche zu sehen, als sich dort zahlreiche kroatische Faschisten aufhalten. Papst Pius XII. setzte sich nachweislich persönlich bei den Alliierten für die von Krunoslav Draganović protegierten kroatischen Kriegsverbrecher ein, um sie vor der Auslieferung an Jugoslawien zu retten, und er attestierte den Ustascha-Generälen Vladimir Kren und Ante Moskov "standhaft für die Anwendung humanitärer Prinzipien eingetreten zu sein". Pius XII. setzte sich weiters für zum Tod verurteilte Massenmörder ein, wie Otto Ohlendorf, der als Führer der Einsatzgruppe D die Ermordung von 90.000 Juden befahl, und Oswald Pohl, der als Chef des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes für die Verwaltung der Konzentrationslager verantwortlich war. Alfredo Ildefonso Schuster, Erzbischof von Mailand, war vom Faschismus schwer begeistert und unterstützte Mussolinis Eroberungskrieg gegen das Kaiserreich Äthiopien; später bemühte er sich sehr, aber vergeblich, das Leben von Diktator Mussolini zu retten. Zusammen mit seinem Sekretär Monseñor Giuseppe Bicchierai stand Erzbischof Alfredo Ildefonso Schuster zu Kriegsende in Kontakt mit dem Nazi-Massenmörder Walther Rauff, um ihm Tipps zu geben, wie der "Bolschewismus" zu stoppen sei. 1996 wurde Erzbischof Schuster, Großoffizier des Ritterordens "vom Heiligen Grab zu Jerusalem", von Johannes Paul II. selig gesprochen. Dem Nazi-Verbrecher Walther Rauff gelang die Flucht nach Südamerika, wo er 1984 in Chile starb, zuvor arbeitete er noch ab 1958 für den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND).

Im Mai 1945, nach dem Tod von Adolf Hitler, forderte Kardinal Adolf Bertram die Priester seiner Diözese auf, ein feierliches Requiem im Gedenken an den Führer zu halten - in den 90er Jahren wurden die Gebeine von Kardinal Adolf Bertram im Breslauer Dom feierlich beigesetzt. Das katholische Irland sandte anlässlich des Tods von Adolf Hitler einen Kondolenzbrief an Deutschland.