SZENEN WIE IM BÜRGERKRIEG - Hafenstraße: Hier spricht ein ehemaliger Hausbesetzer!

Solid.Hafen 1987
Erstveröffentlicht: 
08.11.2012

Im November 1987 stand Hamburg kopf: Um die Hafenstraße wurden nachts Barrikaden errichtet, bürgerkriegsähnliche Zustände drohten. Volker G. (48), heute Familienvater, Bautechniker und Hostel-Betreiber auf St. Pauli, war damals einer der Hausbesetzer. Erstmals schildert ein Ex-Bewohner die Ereignisse aus seiner Sicht – ein subjektives Interview.


Plötzlich standen Laster und Container quer über die Hafenstraße, Feuer brannten. Wieso hat die Polizei das zugelassen?
Volker G.: Die waren völlig überrascht. Wir haben ja sogar Zugmaschinen von der Englandfähre kurzgeschlossen und hochgefahren. Und über ein paar Ecken hatten wir acht große Schuttcontainer geordert – angeblich für den Abbau der Befestigungen an den Häusern ...

 

Was heißt „befestigt“?
Wir hatten rund 30 Stahltüren eingebaut, die Fenster im ersten Stock verbarrikadiert und verschweißt, die Treppenhäuser versperrt und die Dächer mit Nato-Draht gegen Angriffe aus der Luft gesichert. Die wichtigste Befestigung waren aber wir selber. Wir hätten die Häuser aktiv verteidigt.


Heute ist das kaum vorstellbar. Wie kam es zu dieser Situation?
Dafür muss man die 1,5 Jahre vorher präsent haben. Ich bin 1986 mit meiner WG geräumt worden – trotz Mietvertrag. „Tabula rasa“ hieß die Aktion behördenintern. Die haben unsere Möbel und Klamotten einfach aus den Fenstern geworfen, alles war Schrott. Polizisten haben damals sogar Katzenbabys totgetreten. Bewohner mit Kindern sind danach gegangen. Das war nicht mehr witzig.


Wie sah das Besetzer-Leben aus?
Zeitweise gab es keinen Strom, selbst viele Öfen hatte die Polizei zerstört. Und 1986 war ein richtig kalter Winter. Damals gab es hier alle zwei Wochen, immer dienstags, einen großen Polizeieinsatz, um bereits geräumte Wohnungen erneut zu räumen. Es war eine extrem zermürbende Situation. Hoffnungslosigkeit und Endzeitstimmung machten sich breit – aber auch grimmige Entschlossenheit.


Wer ordnete die Räumungen an?
Formal die SAGA, wir waren ja deren „Mieter“.

Was war der Wendepunkt?
Ende 1986 organisierte ein breites Bündnis eine große Demo. Das war für viele ein Wendepunkt: Bis dahin wurde jede Demo eingekesselt wie ein Gefangenentransport, nie kamen wir bis zu den Häusern. Unsere Ansage war: Das machen wir nicht mehr mit. Und plötzlich waren da 13.000, auch aus Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, die gesagt haben: Die Straße gehört uns – Hafen bleibt!


Mit Erfolg?
Ja, unter anderem weil unser schwarzer Block aus 4000 Leuten bestand, die Hälfte davon mit Helmen. Zusammen haben wir das Polizeispalier aufgebrochen. Danach dachten wir: Okay, da geht noch was.