Offener Brief der Campbewohner in Schwäbisch Gmünd: 02.10.2012

Refugees Welcome

Im ganzen Bundesgebiet erheben sich derzeit Flüchtlinge in Asylunterkünften um auf ihre unzumutbare Situation aufmerksam zu machen. Zentrale Aktion dieses Aufbegehrens ist der Marsch, den Flüchtlinge aus dem ganzen Bundesgebiet, uA. Aus Schwäbisch Gmünd begleiten → siehe www.thevoice.org.

Wir Flüchtlinge in Schwäbisch Gmünd haben uns entschlossen hier ein Camp zu errichten um auf die schreckliche Situation der Asylbewerber in Schwäbisch Gmünd und ganz Deutschland aufmerksam zu machen.

 

Zum Einen sehen wir uns zu dieser Aktion gezwungen durch: die Polizei in Schwäbisch Gmünd, die Staatsanwaltschaft, das Verwaltungsgericht Stuttgart und das Amtsgerichts in Schwäbisch Gmünd im Falle des Flüchtlings LAMIN KETERA.

Er wurde fälschlicherweise durch die Ermittlungsbehörden beschuldigt. Noch bevor ein Urteil über ihn gesprochen wurde, kommunizierten das Amtsgericht in Gmünd sowie das Verwaltungsgericht Stuttgart seine Abschiebung. Hier wurde durch das Amtsgericht suggeriert, Lamin Ketera sei ein Drogenhändler und müsse abgeschoben werden. Sein Verfahren lief noch. Hier sollte schlechte und fehlerhafte Ermittlung der Polizei vertuscht werden.

 

Wir als Flüchtlinge haben mittlerweile ein Gespür dafür, wie solche Dinge laufen.

Der ganze Skandal hat uns Schmerzen verursacht und uns in ein Trauma versetzt, dass Flüchtlinge in Schwäbisch Gmünd nicht länger sicher sind.

 

Unser Aufruf ist folgender: wenn Lamin Ketera wirklich ein Drogenhändler war, warum erlaubt man ihm keinen Strafprozess, in welchem man ihn im Falle der Schuld verurteilen und inhaftieren könnte? Lamin musste sich dreimal pro Woche melden und hat dies stets eingehalten. Nun wurde er abgeschoben. Ein Ermittlungsfehler sollte vertuscht und die Fortsetzung des Verfahrens eingestellt werden.

Wir fordern die Stadt Schwäbisch Gmünd auf, sich den Fall Lamin Ketera anzuschauen. Wir Flüchtlinge wollen Teil dieser Gemeinschaft sein. Wir können durch unsere Sicht auf die Dinge die Geschichte besser erzählen. Wir kennen die Wahrheit und werden damit weitermachen, sie zu erzählen.

 

Wir haben diese Art Propaganda gegen uns satt. Wir wissen, dass Artikel 1 des Grundgesetzes scheinbar nicht für uns Flüchtlinge in Schwäbisch Gmünd gilt. In Schwäbisch Gmünd haben Flüchtlinge nicht das Recht zu arbeiten, haben kein Recht auf eine normale Schule, keine Freiheit auf Bewegung, nicht einmal das Recht auf eine gerechte Justiz, kein Recht auf Integration, selbst wenn wir uns integrieren wollen. Die Polizei schürt die Propaganda, die unser Bild in der Stadt zerstören soll. Hier und heute sagen wir Nein zu allen weiteren Formen der Verfolgung in Schwäbisch Gmünd.

 

Wir denken, dass es an der Zeit ist, dass sich die Bürger von Schwäbisch Gmünd fragen sollten, warum 120 Polizisten mit Polizeihunden in das Asylheim kommen nur um sechs Person festzunehmen. In einem Heim wo mehr als 200 Flüchtlinge leben. Ist es das, wofür die Bürger Steuern zahlen?

 

Wir fordern zudem die sofortige Schließung des Lagers auf dem Hardt. Das Gebäude ist marode und unsicher, an vielen Stellen schimmelt es. Das Leitungswasser ist stark verdreckt und die Brandschutzvorrichtungen sind unzureichend. Allgemeine Hygienestandards sind nicht erfüllt.

 

Es gibt viele Baustellen auf dem Gelände, die nicht richtig abgesichert sind. Dies ist ein hohes Risiko für die Kinder, sich beim Spielen auf dem Hof zu verletzen.

 

Die Lagerverwaltung ist auch ein großes Problem für uns, da sie z.B. dem Landrat sagt, dass es keine Probleme im Lager gibt. So lenkt sie von den vorhandenen Probleme ab. Die Wohnsituation der Asylbewerber verschlechtert sich immer mehr, wenn die Probleme nicht angesprochen und verbessert werden.

Zudem haben im letzten Monat zwei junge Männer im Flüchtlingslager in Schwäbisch Gmünd versucht, sich das Leben zu nehmen, weil sie so erschöpft seien vom unmenschlichen Lagerleben auf engstem Raum mit viel zu vielen Menschen. Sie waren immer wieder rassistischem Verhalten durch Ausländerbehörde und Polizei ausgesetzt. Die Ausländerbehörde in Schwäbisch Gmünd nutzt das Regierungspräsidium als Vorwand für ihr Verhalten. So wurden Briefe verschickt im Namen des Regierungspräsidium, die nie vom Regierungspräsidium so ausgestellt wurden.

Außerdem mussten sie in der ständiger Angst abgeschoben zu werden leben. Das Lagerleben gleicht immer mehr das einem Gefängnis, außerhalb dessen Mauern keinerlei soziale Bindungen sind. So Alleingelassen, in dieser verzweifelten Situation ist diesen jungen Menschen als letzter Ausweg nur die Selbsttötung in den Sinn gekommen.

Leider sind dies keine Einzelfälle, was uns zuletzt der Selbstmord von Samir Hashemi am 4.
September in Kirchheim in der Nähe von Stuttgart ins Gedächtnis gerufen hat. Dass viele
Asylsuchende unter Depressionen und Traumata leiden und oft Selbstmordgedanken haben, ist vielen Behörden und Heimleitungen bekannt. Dennoch werden keine konkreten Maßnahmen ergriffen. Noch viel schlimmer: Der Druck, der immer weiter aufgebaut wird, treibt sie oft in den Selbstmord. Die Atmosphäre der Angst und absoluten Verzweiflung werden systematisch erzeugt
und die bittere Konsequenz daraus billigend in Kauf genommen.

Nach dem Selbstmord von Mohammad Rahsepar Anfang des Jahres und den darauf folgenden
monatelangen Straßenprotesten haben Flüchtlinge am 8. September den Protestmarsch nach Berlin
begonnen, um eben diese menschenverachtende Behandlung durch den deutschen Staat und
Degradierung zu Menschen zweiter Klasse zu bekämpfen. Durch den Selbstmord und die folgenden Proteste hatte sich die Situation der Asylbewerber stark verbessert.

In Leverkusen wurde festgestellt dass es für das Land billiger ist Asylbewerber in normale Wohnungen unterzubringen, als sie in Lager zu stecken. Dieser Weg fördert auch ungemein die Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft.

Außerdem wollen wir nicht mehr dem Staat auf der Tasche liegen. Wir fordern unser Recht arbeiten zu dürfen, um unseren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und unabhängig vom Staat zu sein.

Und so sagen wir: Wir seid nicht allein! Wir nehmen diese Situation nicht einfach hin! Wir wehren
uns, schließt euch uns an und lasst uns gemeinsam unsere Rechte als Menschen erkämpfen!

Ein weiterer Angriffspunkt sind die detaillierten Fragen der Flüchtlingspolitik. So steht einmal mehr das „Hinweisblatt“ zur Debatte. Mit diesem Flüchtlinge seit zwei Monaten bei der Duldungsverlängerungen auf der Ausländerbehörde jedes Mal an drohende Abschiebung und Abschiebehaft erinnert werden, gleichzeitig verbunden mit einer Aufforderung, sich per Unterschrift für oder gegen eine so genannte „freiwillige Ausreise“ zu entscheiden.

Auf Nachfrage bestätigte Manfred Garhöfer, Präsident der zuständigen Abteilung 8 des Regierungspräsidiums Karlsruhe, dass die Flüchtlinge dieses Schreiben lediglich zur Kenntnis nehmen, nicht aber, wie durch die Gestaltung des Blattes sowie durch die Praxis von Ausländerbehörden suggeriert, unterzeichnen müssten.

Es ist Tatsache, dass mehrere Ausländerbehörden derzeit dennoch Flüchtlinge benachteiligen, die das Blatt nicht unterzeichnen, zum Beispiel durch Zurückhalten von dem Duldungsausweis oder der Arbeitserlaubnis.

Wir fordern eine klare Anweisung des Regierungspräsidiums an alle Ausländerbehörden des Landes.

Auf Nachfrage kam der lang erwartete neue Erlass der Regierung zu Abschiebungen in den Kosovo zur Sprache. Es gäbe, so Garhöfer, seit August einen neuen Erlass, der die bisher geltende Regelung von April diesen Jahres insbesondere in Bezug auf die Prüfung der „Verwurzelung“ der Betroffenen konkretisiere.

[vgl. PM: Delegation von Flüchtlingen und Flüchtlingsorganisationen im Regierungspräsidium Karlsruhe, Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung]



Menschenrechte sind kein Privileg. Menschenrechte sind die Basis unserer Grundrechte!



Deshalb fordern wir:

 

 

1. Aufklärung des Straf- und Abschiebeverfahrens um Lamin Ketera!

 

2. Schließung der Gemeinschaftsunterkunft auf dem Hardt!

 

3. Keine Abschiebungen mehr!

 

4. Keine Polizeiwillkür mehr!

 

5. Arbeitserlaubnis für alle Flüchtlinge

 

6. Ausreichende medizinische Versorgung ohne Selbstkosten!

 

7. Recht auf Sprachunterricht ohne Selbstkosten!

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