Verteidigen ist keine Pflicht

Erstveröffentlicht: 
13.09.2012

Linke Anwältin, rechtsextremer Klient? In Freiburg sorgt ein solcher Fall für heftige Diskussionen.

Sie habe »durchaus mit sich gerungen«, sagte Tina Gröbmayr der Süddeutschen Zeitung. Doch dann habe die junge Juristin aus Freiburg »ganz bewusst ja gesagt«. Denn schließlich habe »jeder Angeklagte das Recht auf Verteidigung, für jeden gilt die Unschuldsvermutung«. Der Klient des Mitglieds der »Kritischen Juristen« und der ehemaligen Sprecherin der »Grünen Alternative Freiburg« (GAF) ist nicht irgendwer. Die als Anwältin erst unlängst zugelassene Gröbmayr und der Pflichtverteidiger Ulf Köpcke haben den badischen Neonazi Florian Stech in erster Instanz vor einer Verurteilung zu mehreren Jahren Haft bewahrt.

 

Stech war am 1. Oktober 2011 auf einem Parkplatz nahe Freiburg mit seinem Auto in eine Gruppe Antifaschisten gerast und hatte einen 21jährigen dabei lebensgefährlich verletzt. Er hatte auf dem Parkplatz gewartet, um weitere Nazis zu einer Party der »Kameradschaft Südsturm Baden« zu lotsen. Fünf vermummte Antifaschisten waren auf Stechs Wagen zugelaufen. Der Rechtsextremist hätte über eine Ausfahrt flüchten können, stattdessen fuhr er auf die fünf Männer zu. Die Staatsanwaltschaft sah darin – anders als der wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestrafte Stech – keine Notwehr, sondern versuchten Totschlag.

 

Nur wenige Tage zuvor hatte Stech auf Facebook unter dem Pseudonym »Ragnar Strbjoern« Phantasien über Morde an Linken beschrieben: »Ich warte nur darauf, dass einer mal angreift, dann kann ich ihn endlich mal die Klinge fressen lassen. (…) Man stelle sich das mal bildlich vor, so ’ne Zecke greift an und du ziehst ’n Messer. (…) Würde ich rohe Gewalt ausüben wollen, würde ich mir ’ne AK47 zulegen und ins Linksautonome Zentrum Freiburg einmarschieren und dort ein Blutbad anrichten, aber leider bin ich dafür zu pazifistisch eingestellt.« Den Richtern reichten diese Einsichten in Stechs Gewaltphantasien nicht. Am 13. Juli sprach das Landgericht Freiburg ihn frei. Die Richterin Eva Kleine-Cosack sagte, es sei nicht zu widerlegen, dass er in Notwehr gehandelt habe, schließlich habe er sich innerhalb einer Sekunde entscheiden müssen. Den Eintrag bei Facebook tat die Richterin als nicht ernst zu nehmende Angeberei unter Gleichgesinnten ab. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein.

 

Gröbmayr war für eine Stellungnahme gegenüber der Jungle World kurzfristig nicht erreichbar. Sie wird wegen ihres freiwilligen Hilfsmandats unter anderem von der GAF scharf kritisiert. Vor allem aber Antifaschisten fehlt jedes Verständnis für ihr Engagement. »Ob jeder Mensch ein Recht auf Verteidigung hat, steht überhaupt nicht zur Debatte«, sagt eine Sprecherin der Autonomen Antifa Freiburg (AAF) der Jungle World. Darum gehe es auch nicht. »Stech hatte doch längst einen Pflichtverteidiger.« Gröbmayr habe sich freiwillig angeboten, Stechs eigentlichem Anwalt zu helfen. Dabei habe sie auch »aktive Pressearbeit für einen überzeugten Nazi übernommen«, sagt die Sprecherin der AAF.

 

Tatsächlich sagte Gröbmayr gegenüber einer Lokalzeitung, Stech sei »nicht die Neonazigröße, für die ihn einige in Freiburgs linker Szene halten«. Damit hat sie nach Ansicht der AAF versucht, ihn zu »verharmlosen und zu entlasten«. Gröbmayr habe die ganze Angelegenheit »zu ihrem beruflichen Vorteil genutzt, indem sie sich als aufrechte Demokratin und verfolgte Unschuld inszeniert«, sagt die Sprecherin der AAF. Daher sei sie zur »persona non grata in der linken Szene und im KTS«, einem autonomen Zentrum in Freiburg, erklärt worden.

 

Auch die Zusammenarbeit mit dem Freiburger Arbeitskreis Kritischer Juristen, dessen Mitglied Gröbmayr weiterhin ist, sei aufgekündigt worden. Der ehemalige Sprecher des Bundesarbeitskreises Kritischer Juristen, Erkan Zünbül, kann dies nachvollziehen. »Stech hat sich als aktiver Nazi einer linken Anwältin bedient, um sich als geläutert darzustellen. Das war Teil seiner Verteidigungsstrategie, und Tina Gröbmayr hat ihre Position als Teil eines Bündnisses kritischer Juristen dazu hergegeben, dies möglich zu machen«, sagt er.