Das letzte Aufgebot? NPD-Kundgebung in Leipzig fand keine Resonanz

Gewalttäter unter sich: Maik Scheffler und Alexander Kurth

Hintergrundbericht: Von einer “Deutschlandfahrt” mit ihrem “Flaggschiff” spricht die NPD, wenn sie mit einem Lkw einen Monat lang von Stadt zu Stadt tingelt und von der Laderampe aus Reden schwingt. Gestern machte die Rechtsaußen-Partei Halt in der Messestadt. Wie schon bei vorangegangenen Stopps ging ihr Auftritt im Protest unter. Ein genauerer Blick zeigt, dass die NPD noch viel ernstere Probleme hat.

 

Die NPD vermeldete im Anschluss an ihren Leipzig-Besuch, man habe in der City eine erfolgreiche Kundgebung “zwischen Bahnhofs-Arkaden und MDR-Gebäude” abgehalten. Tatsächlich war die Versammlung von beidem abgeschnitten und durch die ansonsten gesperrte Goethestraße auch von jedem Publikum getrennt, das nicht auf antifaschistischen Protest aus war. Daran beteiligten sich mehr als 400 Personen. Zur NPD gesellten sich nur etwa 30 Gesinnungsgenossen, darunter:

  • Redner: Holger Apfel, Udo Pastörs, Andreas Storr
  • Schutz: Andreas (Andy) Knape, Marcus Großmann, Nils Larisch, Maik Scheffler, Klaus Wartenfelser
  • Kamerateam: Thorsten Hiekisch, Ralf-Michael Gläßer
  • Fahnenträger: Maik Hasert, Uwe Bautze, Jens Gatter, Alexander Spogat
  • Sonstige: Detlef Appel, Jens Baur, Olaf Kretschmar, Alexander Kurth, Conelia (Conny) Reller, Paul und Jennifer Rzehaczek, Danny Schulz, Paul Terpitz, Klaus Ufer
  • abseits der Kundgebung: Keven Seitz, Denny Stellfeld, Kai Mose, Marcus Hölscher

Die Kundgebung war für 11 bis 14 Uhr im Namen der NPD angemeldet worden durch den stellvertretenden Landesvorsitzenden Maik Scheffler aus Delitzsch sowie Andy Knape, Mitglied des Bundesvorstandes. Ursprünglich sollte die Veranstaltung auf dem Augustusplatz stattfinden, war dann aber in die Seitenstraße verlegt worden – in unmittelbarer Nähe zu einem Mahnmal für deportierte Sinti und Roma. Die eigentliche Kundgebung dauerte mit ausdrücklicher Billigung des Ordnungsamtes dann knapp zwei Stunden und doppelt so lang wie geplant. Allerdings wurde die Abfahrt des Lkw zusätzlich durch DemonstrantInnen aufgehalten.

Vor Ort hielten Parteichef Holger Apfel, der sächsische Landtagsabgeordnete Andreas Storr sowie sein Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Vize-Bundeschef Udo Pastörs, ihre Reden. Eigentlich als Beitrag zur NPD-Kampagne gegen den Euro gedacht, kreisten ihre Ansprachen dann aber um ihr Brot-und-Butter-Thema, das “Ausländerproblem”. Das Kundgebungs-Publikum bestand zum großen Teil aus mitgebrachtem Personal, darunter die “Personenschützer” Nils Larisch und Marcus Großmann. Nur wenige Leipziger NPD-Mitglieder waren vor Ort, darunter der in Leipzig-Althen wohnhafte Stadtrat Klaus Ufer.

 

Bestellte Fahnenträger aus dem Umland


Zum Fahnenhalten wurden nordsächsische Neonazis wie der Eilenburger Alexander Spogat einbestellt, die politisch durch Maik Scheffler und den ebenfalls anwesenden Paul Rzehaczek angeleitet werden. Rezehaczek ist mittlerweile “Organisationsleiter” der sächsischen JN.

Sein Vater, der Eilenburger NPD-Stadtrat Kai Rzehaczek, ist mittlerweile rechtskräftig wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 1400 Euro verurteilt worden. Über seinen “Nordsachsen-Versand” – er gilt als Teil des “Freien Netzes” – hatte er 2010 das Album “Adolf Hitler lebt” der Band “Gigi und die braunen Stadtmusikanten” vertrieben. Bekannt wurde das Machwerk durch den darauf enthaltenen “Dönerkiller-Song”, der die Mordserie des “Nationalsozialistischen Untergrunds” (NSU) besingt.

 

 

Auffällig bei der gestrigen Kundgebung war das weitgehende Fehlen Leipziger Kameradschafter und hiesiger JN-Aktivisten, offenbar hat die Spaltung des “Freien Netzes” eine nachhaltige Wirkung. Statt des Nachwuchses erschienen ganz besondere Kaliber: Vor dem NPD-Lkw ließ sich die langjährig aktive Cornelia “Conny” Reller blicken. Die frühere “Blood & Honour”-Aktivistin hatte im März 2005 nahe des Leipziger Hauptbahnhofs die Neonazi- und Hooligan-Kneipe “Lady Liberty” eröffnet, die nach wenigen Monaten wieder schließen musste.

 

Vor Ort war auch Alexander Kurth, der in der Szene als “‘Prinzen’-Schläger” bekannt ist. Bis vor wenigen Wochen war er noch mehrjähriger Dauerbewohner der JVA Torgau. Kurth war in der Vergangenheit als Leipziger “Regionalverantwortlicher” des “Kampfbundes Deutscher Sozialisten” (KDS) aufgefallen, E-Mails signierte er mit “NSDAP/AO Leipzig”. Nach GAMMA-Informationen ist Kurth Mitglied der NPD.

 

Zwischen “Wortergreifung” und Handgreiflichkeit


Dutzende Städte hat die NPD mit ihrem Lkw angefahren, nennenswerten Zulauf bekam sie aber nirgends. Im Gegenteil war es Nazi-GegnerInnen erst am Vortag in Erfurt gelungen, den Wagen zu umringen und stundenlang zu blockieren. Nur eine kurze, improvisierte Kundgebung mit gerade einmal 15 “Kameraden” war dort möglich, zum Schluss wurde der sichtlich frustrierte Andreas Storr gegen die Polizei handgreiflich.

 

In Erfurt dabei war auch der Thüringer Landesvorsitzende und “Bundesorganisationsleiter” Patrick Wieschke – ein wegen eines Sprengstoffangriffs verurteilter ehemaliger Aktivist des “Thüringer Heimatschutzes”. Nach GAMMA-Informationen ist er in den laufenden Rechtsterrorismus-Ermittlungen gegen die NSU-Zelle zwar kein Beschuldigter, wurde aber zeitweise als Verdächtiger eingestuft. Übrigens genau wie “Gigi” alias Daniel Giese wegen möglichen Täterwissens in seinem “Dönerkiller”-Song. Wegen der Produktion des zugehörigen Albums ist wiederum gegen Wieschke ermittelt worden.

 

Die Außenwirkung ihrer bundesweiten Tour hatte sich die NPD sicher anders vorgestellt. In einem Mitgliederrundschreiben hatte die Partei noch vor einigen Wochen ein “beeindruckendes Ereignis” angekündigt: “Führende Mitglieder werden dort öffentlich das Wort ergreifen, um unser Volk wachzurütteln und vor dem Ausverkauf unseres Landes durch den Euro und die Selbstabschaffung durch Masseneinwanderung zu warnen.” Um überhaupt starten zu können, hatte Andreas Storr in seiner Funktion als Bundesschatzmeister sogar eine Spendensammlung gestartet.

 

Das neue alte Gesicht der Rechtsaußen-Partei


Das weite Desinteresse an der Aktionsreihe hat aber dazu geführt, dass die NPD über einige ihrer Mini-Kundgebungen gar nicht erst Bericht erstattet. Szenekundige Kommentatoren haben dagegen festgestellt, dass für den Zulauf von Gefolgsleuten, der hier nur mittels dutzender Kundgebungen erheischt werden kann, vor wenigen Jahren eine einzige gereicht habe. Tatsächlich war für den Halt in Leipzig denn auch weder durch den sächsischen Landes-, noch den Leipziger Kreisverband offen mobilisiert worden. Die Parteileute aus der Messestadt haben derzeit nicht einmal mehr eine Website.

 

Am kommenden Sonnabend soll die “Deutschlandfahrt” der NPD offiziell enden, beim “Pressefest” der “Deutschen Stimme” in Viereck bei Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern). Dort droht aber schon das nächste Debakel: Die Partei hat ihr Fest von drei auf einen Tag zusammengestrichen, kann keinen Zubringer zum nächsten Bahnhof einrichten und eine Halle auf dem Veranstaltungsgelände ist abgebrannt. Nur der Eintrittspreis bleibt mit 23,50 Euro gleich hoch. Der NPD-Verlag “Deutsche Stimme” als Veranstalter hat allerdings auch den Kartenverkauf vorzeitig eingestellt. Tickets kaufen kann man beispielsweise noch bei “PC Records” aus Chemnitz. Chef Yves Rahmel – er steht der JN nahe – wird beschuldigt, Produzent des “Gigi”-Albums “Adolf Hitler lebt” zu sein.

 

Haupt-”Act” des Pressefestes ist “Die Lunikoff-Verschwörung”. Dahinter verbirgt sich Michael Regener, Spitzname “Luni”, ehemals Kopf der als kriminelle Vereinigung eingestuften Band “Landser” (“Terroristen mit E-Gitarren”). Für die illegale Produktion von “Landser”-Tonträgern war Jan Botho Werner mitverantwortlich. Der Chemnitzer war Chef der sächsischen “Blood & Honour”-Sektion – für die NSU-Zelle soll er bei der Waffenbeschaffung geholfen haben.

 

Mit dem Kompagnon des NSU-Helfers feiert nun die NPD. Nach einem Monat Rundreise zeigt sich vor allem eins: Die “seriöse Radikalität”, die Apfel mit der Anti-Euro-Kampagne und der zugehörigen “Deutschlandfahrt” ausstrahlen will, enttarnt sich allerorten als der gewöhnliche Faschismus.

 

Schweres Fahrwasser für die NPD


Ohne, dass davon groß Notiz genommen wird, bewährt sich dabei gerade der neue “Ordnungsdienst” der Partei, der seit kurzem von Andy Knape geführt wird. Hinter der Neubesetzung steckt eine weitere interne Fraktionierung, die den Nationaldemokraten zusetzt:

 

Der ehemaliger Wehrsportler und bisherige “Ordnungsdienst”-Chef Manfred Börm, sagen Insider, habe sich klar gegen Apfel und dessen Vorstand gestellt. Und abgesehen von der Personalie Börm macht sich die Unzufriedenheit in den eigenen Reihen in einem sukzessiven Mitgliederschwund bemerkbar. Apfel hatte sich beim NPD-Bundesparteitag im November 2011 gegen den langjährigen Parteichef Udo Voigt durchgesetzt. Seit Jahresanfang führt Knape den “Ordnungsdienst”, die Mitgliederbasis wurde erst im Februar darüber informiert. Über die Hintergründe: kein Wort.

 

Bei der “Deutschlandfahrt” war Knape entsprechend oft zu sehen. Er ist außerdem stellvertretender Bundeschef der “Jungen Nationaldemokraten”. Abgesehen von seinem Parteiengagement gehört Knape neben dem ehemaligen “Blood & Honour”-Aktivisten Sascha Braumann und Andreas Biere, beide aus Magdeburg, zu den Initiatoren des dort jährlich zelebrierten “Gedenkmarsches”.

 

Vielleicht ist Knapes Rundfahrt am Sonnabend auch noch nicht vorbei. Die sächsische Landtagsfraktion plant noch eine zusätzliche “Sommertour” durch den Freistaat, die am 13. August starten wird. Gerade in ihrem “Kernland” macht die NPD in letzter Zeit eine miese Figur, Kritiker in der Partei machen dafür den umstrittenen Landesvorsitzenden Mario Löffler verantwortlich.

 

Zum “Sommerfest” der Sachsen-Fraktion am 14. Juli in Mutzschen waren gerade einmal 50 Personen erschienen, im Vorjahr waren es noch 350. Es scheint, als habe das “Flaggschiff” kaum mehr Wasser unterm Kiel.

 


Weitere Bilder sind bei “Indymedia linksunten” veröffentlicht worden. Hinweise auf bisher nicht namentlich identifizierte Teilnehmer der NPD-Kundgebung nimmt die GAMMA-Redaktion entgegen.