„Leiharbeit – Selbstausbeutung – Niedriglohn: solidarische Alternativen und Methoden der Gegenwehr”

  Der Rosa Luxemburg Club Speyer lädt zu seiner zweiten Veranstaltung mit Holger Marcks (FAU Berlin), Torsten Bewernitz (FAU Münsterland) und Alexander Ullrich (MdB,DIE LINKE, sowie Geschäftsführer der IG Metall RLP ) ein. 

 

Im Jahr 2010 arbeitete in Deutschland knapp jeder Vierte im Niedriglohnbereich mit einem Stundenlohn unter 9,15 Euro. Gerade die ansteigende Zahl von Zeit- und Leiharbeitsverhältnissen, sowie Aufstocker_Innen, welche trotz einem Arbeitsverhältnis auf Unterstützungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch angewiesen sind, beweist welche enormen Risse die Gesellschaft durchziehen und zu unausweichlichen Konflikten führen.

 

Da ist zum einen die Selbstausbeutung von Arbeitnehmer_Innen, Scheinselbständigen und Selbständigen zu nennen, die sich Ihrer Lage durchaus bewusst sind, jedoch die Arbeit nicht als Mittel zum Zweck auffassen, sondern sie in den Mittelpunkt des Lebens stellen. Überstunden, Mehrarbeit werden bereitwillig abgeleistet und es wird nicht mehr hinterfragt wo die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit liegt. Diese Grenzen sind zum Beispiel durch Heimarbeitsplätze oder kurzzeitige zu bearbeitenden Lohnaufträge verwischt. Die „digitale Boheme“ von Berlin-Mitte benötigt einen Teil Ihrer Lebenszeit um Ihre Netzwerke zu pflegen, die Ihnen ihr Auskommen und ihre Aufträge sichert. Oftmals heißt es „meine Arbeit macht mir Spaß“, auch wenn dies nur eine Selbstsuggestion ist, um die eigene Perspektivlosigkeit zu überspielen. Als Resultat dieser Entwicklung folgt häufig der Zusammenbruch, der Burnout , oder gar der Karōshi (das japanische Wort für Tod durch Überarbeitung).

 

Zum anderen ist es Tatsache, dass 910 000 (Stand: 08/2011) – also knapp 2% aller Erwerbstätigen als Leiharbeiter bewusst von der der Teilhabe und der wirtschaftlichen Grundlage ausgeschlossen werden und dass jeder Arbeitslose, sich notfalls durch Sanktionen der ARGEn in das „Heer der austauschbaren Reservearmee des Kapitals“ eingliedern muss.

Dank des latent, in unserer neoliberal geprägten Sozialstruktur vorhandenen Klassismus, Rassismus und Sexismus wird die Arbeitslosigkeit stigmatisiert und regelrecht kriminalisiert. Das hat auch mit einem über die Medien eingeleiteten moralischen Wandel in unserer Gesellschaft zu tun, die mit der Einführung von Hartz 1 bis 4 einherging.

In dem von unseren Referenten verfassten Buch „Knecht zweier Herren- Zur Abschaffung der Leiharbeit“ von Holger Marcks (FAU Berlin) und Torsten Bewernitz (FAU Münsterland) geben die Autoren einen Überblick über die Geschichte und Entwicklung der Leiharbeit in der Bundesrepublik, von den damals noch als gesellschaftlich unsittlich empfundenen Anfängen bis hin zur Normalisierung unter sozialdemokratischer Führung. Nach der Buchvorstellung möchten wir bei einer Diskussion an der auch Alexander Ullrich (MdB,DIE LINKE, sowie Geschäftsführer der IG Metall RLP ) teilnimmt, über Methoden der solidarischen Organisation am Arbeitsplatz und deren Bedeutung in dem sich noch steigernden sozialen Konflikt unterhalten.

Es soll nicht einfach erläutert werden, was man nach geltendem Arbeitsrecht möglich ist – stattdessen wird ein politisches Gesamtkonzept umrissen, dessen zentrales Element eine solidarische Perspektive ist, die über den Arbeitsplatz hinaus reicht.

So wurde zum Beispiel im Mai 2010 eine Streikwelle bei Zuliefererbetrieben von Honda in China von gerade einmal 2 Arbeiter initiiert, die innerhalb ihrer Organisation basisdemokratisch gewählt wurden, um ein einfaches Flugblatt zu verfassen. Dieses Flugblatt stieß auf sehr breite Zustimmung und veranlasste Teile der Belegschaft zu einem Streik. Bei der Zuspitzung dieses Arbeitskampfes standen am Ende 1800 Wanderarbeiter_Innen im Ausstand,die Ihre Forderungen komplett durchsetzen konnten. Selbstverständlich haben diese Wanderarbeiter_Innen zuvor eine Form der Organisierung ohne die staatlichen chinesischen Gewerkschaften gefunden und eine eigene Infrastruktur selbstständig aufgebaut.

In Deutschland sind erstaunlich wenig Prekäre gewerkschaftlich organisiert. Lange haben die DGB Gewerkschaften auch schlicht eine reine Klientelpolitik Ihrer Mitglieder_Innen betrieben. So war die Angst das Prekäre die Löhne nach unten drücken größer, als eine Solidarisierung der Stammbelegschaft mit Leih- und Zeitarbeiter_Innen zu fördern. Die hohe Altersstruktur der DGB Gewerkschaften und die Unfähigkeit jüngere Arbeitnehmer_Innen zu organisieren führen zur Suche nach neuen Organisationsformen. Auch der fehlende Internationalismus, die schlichte Größe sowie die fehlenden gesellschaftspolitischen Interventionen lassen die DGB Gewerkschaften „alt“ aussehen. Liegt die Zukunft in einer anderen Form der gewerkschaftlichen Organisation wie sie zum Beispiel die FAU praktiziert?

Auf einen interessanten Abend und eine angeregte Diskussionsrunde freuen wir uns.

 

Website: http://rosalu-speyer.de/