Augen rechts, dann Augen links

Erstveröffentlicht: 
13.03.2012

Göppingen. Nach mehreren Neonazi-Aufmärschen will sich der Gemeinderat bei einer aktuellen Stunde mit dem Rechtsradikalismus, aber auch mit dem dem Linksextremismus befassen. Von EberhardWein

 

Erst sollte es eine aktuelle Stunde über rechtsradikale Aktivitäten in Göppingen sein. Jetzt wird sich der Gemeinderat am kommenden Donnerstag um 17 Uhr auch ganz allgemein dem politischen Extremismus in der Stadt widmen.

 

In einem gemeinsamen Antrag fordern CDU, FDP/FW, Freie Wähler-VuB und die Bürgerallianz (BAG) einen „Bericht über sämtliche extremistische Strömungen in Göppingen“ an. Einen aktuellen Anlass, das Augenmerk auch auf die linke Seite des politischen Spektrums zu lenken, gibt es in Göppingen allerdings nicht. „Von den Zahlen gibt es nicht viel her“, sagt der Polizeisprecher Rudi Bauer. Ihm sei eine Fixierung auf den Rechtsradikalismus aber einfach zu eingleisig, erklärt der BAG-Stadtrat Emil Frick, der als Initiator desAntrags gilt. „Für mich ist ein rechter Idiot genauso schlimm wie ein linker Idiot.“

 

Fricks früherer Parteifreund und Nachfolger als SPD-Fraktionschef, Armin Roos, reagiert mit Spott. „Ich weiß nicht, was es da zu berichten gibt.“ Denn während Rechtsradikale zuletzt immerwieder in der Stadt plakatierten und mit Aufmärschen, Provokationen und unverhohlenen Drohungen gegen Andersdenkende auf sich aufmerksam machten, ist auf derGegenseite Gleiches nicht zu erkennen. Er habe nichts dagegen, den Fokus zu erweitern, sagt der Grünen-Fraktionschef Christof Weber, dessen Fraktion die aktuelle Stunde zum Rechtsradikalismus zusammen mit der SPD beantragt hat. Man solle aber vor allemdahin schauen, wo sich die Probleme entwickelt hätten, sagt Weber.

 

Möglicherweise handle es sich bei FricksAntrag auch einfach um eine Retourkutsche, mutmaßt Roos: diesmal nicht gegen die SPD, sondern gegen die Grünen und natürlich gegen den Linken-Stadtrat Christian Stähle. Tatsächlich hat Frick die Grünen auf dem Kieker. Jüngst machte er die Grünen sogar dafür verantwortlich, dass er ständig geblitztwerde.Und der Linke Stähle ist für Frick sowieso ein rotes Tuch. Stähle sehe im Rechtsradikalismus die größte Gefahr, dabei sei das, was er betreibe, reiner Psychoterror, erklärt Frick.


„Er stiehlt mir mit seinen expansiven Wortbeiträgen die Zeit.“ Andere sehen es weniger verbissen. „Ich bin gespannt, was uns berichtet wird“, sagt Joachim Hülscher (Freie Wähler). Es gebe auch Antifa-Aktivisten in Göppingen, die möglicherweise gewaltbereit seien, sagt der CDU-Fraktionschef Felix Gerber. Deshalb sei es sinnvoll, sich auch hiermit zu beschäftigen. Ähnlich sieht es der FDP/FWFraktionschef Rolf Daferner. Allerdings solle das klare Zeichen gegen Rechts im Vordergrund stehen.

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Aktuelle Stunde.

 

Während andere Städte ein deutliches Zeichen gegen Rechts setzen, wird in Göppingen wieder einmal nur gestritten.

 

Von Eberhard Wein

 

Im Esslinger Kulturzentrum Dieselstraße wird heute eine Initiative namens Courage ins Leben gerufen. Der Schirmherr dieses „Bündnisses gegen Rechtsextremismus“ ist der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger (SPD). Auch in Göppingen hätte sich OBGuidoTill an die Spitze einer ähnlichen Bewegung stellen und so ein klares Zeichen gegen Rechts setzen können. Er tat es nicht, was vor dem Hintergrund der jüngsten Naziaufmärsche in der Stadt bedauerlich ist. Jetzt droht das Thema endgültig im Göppinger Meinungsstreit zerrieben zu werden.Der bürgerliche Block,wie sich die unheilige Allianz aus CDU, FDP/FW, Freien Wählern-VuB und Bürgerallianz (BAG) selbst nennt,will sich in einer eigens anberaumten aktuellen Stunde am kommenden Donnerstag im Gemeinderat nicht nur mit den rechten Umtrieben, sondern mit sämtlichen extremistischen Strömungen in der Stadt befassen. Nun ist gegen eine ausgewogene Information  Gremiums nichts einzuwenden. Doch es stellt sich die Frage, was der Göppinger Revierleiter Konrad Aichinger, der sein Referat über den Rechtsextremismus im Kreis erweitern muss, eigentlich berichten soll.Aber darumgeht es  wohl auch nicht. Sie wollen vor allem dem Linken-Stadtrat Christian Stähle, der selbst schon zum Ziel rechtsextremer Attacken geworden ist, eins auswischen und ihn ins Abseits stellen. Es ist schade, dass dies auf Kosten eines klaren Signals gegen Rechts geht. Und es sagt viel über die politische Kultur imGemeinderat aus, in dem das politische Gockelgehabe längst extreme Züge angenommen hat.