Zweite Stellungnahme zu Hausdurchsuchung bei der Antifa Oranienburg

Antifa Oranienburg

Vor etwa vier Wochen durchsuchten Polizeikräfte aus Berlin und Brandenburg die Wohnräume von Mitgliedern der Antifa Oranienburg. In dieser zweiten Stellungnahme wollen wir uns bei den vielen Menschen und Gruppen bedanken, die sich solidarisch zeigten und wollen näher auf den Umgang von Polizeikräften mit der Antifa Oranienburg eingehen.

Wir möchten uns bedanken bei der Linkspartei Oberhavel und der Linkspartei Oranienburg, dem Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg, der Sozialistischen Jugend Falken Brandenburg, dem Hennigsdorfer Ratschlag, dem Zeppi 25 aus Potsdam, den Street Pirates Prenzlau, dem flämischen Blogger Klaus Pollmann, dem DGB Brandenburg/Havel, dem Infoportal Wilmersdorf-Charlottenburg und den vielen Einzelpersonen die uns in den letzten Tagen geschrieben haben.

Näher beleuchten möchten und müssen wir in dieser zweiten Stellungnahme allerdings das falsche Spiel der Sicherheitsbehörden.

Vorab weisen wir die Behauptung zurück, dass Mitglieder unserer Gruppe den Brandenburger Sicherheitsbehörden „bereits wegen verschiedener Delikte bekannt gewesen“ seien. Selbst wenn Personen wegen „verschiedener Delikte“ bekannt seien, stellt sich dabei die Frage, ob deshalb eine Hausdurchsuchung durchgeführt werden muss, um an Informationen zu gelangen, die den Sicherheitsbehörden in Oranienburg bereits seit mehreren Jahren bekannt sein müssten.

Beginnen wir mit dem ersten Aufeinandertreffen der MEGA (Mobile Einsatzgruppe gegen Ausländerfeindlichkeit) mit der Antifa Oranienburg. Es war bei einem Treffen des lokalen Forums gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg. Dort war im Jahr 2009 kurzzeitig der Laden am Speicher Thema. Wir erklärten, dass es sich um einen Neonaziladen handelt, der aktiv als Treffpunkt genutzt wird. Offen wollte der anwesende MEGA-Bulle nicht auf Nachfragen der Bürger*innen reagieren. Nach der Sitzung versuchten sich die Cops in einem Anquatschversuch anzubiedern, in dem sie verlauten ließen, wir hätten mit der Information recht und die Existenz des Ladens wäre ihnen schon seit vier Jahren bekannt. Gleichzeitig boten sie einen weiteren Informationsaustausch an, den wir jedoch „dankend“ ablehnten. Ab diesem Moment war die MEGA auch für andere Teile des Forums nicht mehr allmächtig, sondern hinterfragbar, und langsam wurden wir und nicht mehr die Sicherheitsbehörden als erstes angefragt, wenn es um das Thema Neonazismus ging.

Leider ist es nicht unüblich, dass die Brandenburger Sicherheitsbehörden oftmals an Bürgerbündnissen in Brandenburg teilnehmen. Monatlich waren verschiedene MEGA-Mitarbeiter bei Treffen des Forums dabei und zapften dort Erkenntnisse – auch von uns – zu aktuellen Aktivitäten der Neonazis ab. Uns bereitete dies von Anfang an Unbehangen. Dabei nahmen die Bürger*innen fälschlicherweise an, dass sie ihrerseits Informationen erhalten würden – sie wurden bis zum Ende getäuscht. Recht früh machten wir dabei Druck, dass die MEGA wegen solchen Verhaltens auszuschließen sei.

Ebenfalls im Jahr 2009 gab es einen weiteren Kracher der lokalen Staatsschützer*innen. Wir meldeten eine Demonstration anlässlich des Antirassismustages durch Oranienburg an. Dabei entbrannte eine Debatte um das Demomotto, da es staatlichen Rassismus kritisierte. Die Polizeibehörde überlegte zwischenzeitlich, unsere Demo nicht zuzulassen, versuchte uns dann mit Auflagen klein zu kriegen – das Verwaltungsgericht Potsdam ließ die Auflagen allerdings z.T. streichen. Gleichzeitig wurde in der Stadt ein Horrorszenario gezeichnet: Wenn „die“ Antifa kommt, mit all ihren Hausbesetzerfreund*innen, würden Mülltonnen brennen und Autos umgeworfen werden. In einer öffentlichen und beworbenen Sitzung des Forums sollten wir also unser Demokonzept erklären und verteidigen. Was wir nicht wussten, aber die anwesenden MEGA-Bullen schon, war die Anwesenheit eines wichtigen lokalen Neonazis. So ließen sie ihn in der Veranstaltung solange sitzen, bis wir unser gesamtes Konzept den anwesenden Bürgern*innen zur Beruhigung darlegten, statt von Anfang an einen ihnen bekannten Neonazi auszuschließen. Fernab davon, dass der Neonazi unser Konzept in Erfahrung bringen konnte (in Bezug auf eine zeitgleiche Neonazidemo), so konnte er auch Informationen zur personellen Zusammensetzung des Forums sammeln. Könnte es sein, dass womöglich die entsprechenden MEGA-Bullen bei Anti-Antifa-Aktivitäten halfen?

2010 mussten die MEGA eine heftige Niederlage einstecken. Die Bullen ließen in einer unserer Veranstaltungen wieder Neonazis sitzen, die wir nicht kannten. Obwohl ihnen durch Mitglieder des Forums klar gesagt wurde, dass sie dafür zu sorgen haben, dass Neonazis nicht rein gelassen werden sollen, ließen sie dies zu. Getoppt wurde dies nur noch durch die Untätigkeit bei einem Angriffsversuch durch den Berliner Neonazi David Gudra, den Oranienburger Phillip Badzong und einen anderen Neonazi. Zuvor wurden die Beamten angehalten, auf das städtische Objekt zu achten, da es zu Pöbeleien gegen Linke an dem Abend in der Nähe des Objektes kam – und genau in dem Moment, als der Angriff geschah, waren die Beamten nicht da – obwohl ihr Fahrzeug in Sichtweite stand. Die Neonazis entfernten sich zu einem Auto und konnten so fliehen, ohne dass es möglich war, ihner habhaft zu werden. Zwar befand sich das Fahrzeug der MEGA in der Nähe, doch die Herren sagten aus, sie seien „nur kurz“ beim Dönerladen gewesen.

Bereits vorher, im Februar, fielen die Beamten negativ auf, da sie Mitglieder unserer Gruppe einer Personenkontrolle unterzogen, um an die Adressen und Namen der Mitglieder zu kommen – zu diesem Zeitpunkt saß man sich noch monatlich am Tisch des Forums gegenüber. Dies wurde beendet nach ihrer Aktion zu unserer Infoveranstaltung. Einstimmig beschloss das Forum, dass die MEGA nichts mehr auf einem Treffen des Forums zu suchen habe.

Nun waren die MEGA ohne Quelle und konnten nur von unseren Veröffentlichungen zerren. Dass ihnen das nicht reicht, zeigen zwei Beispiele, ebenfalls aus dem Jahr 2010. Allein dadurch drängt sich der Verdacht auf, dass die Hausdurchsuchung ein weiterer Versuch war, an unsere Informationen und Quellen zu gelangen. In unserer Chronik fand sich ein Eintrag vom 03.04.2010 mit dem Quellenhinweis „Anwohnerin“. Dabei ging es um einen Hitlergruß gepaart mit den Worten „Heil Hitler“. Recherchearbeit – und das muss man an sich gerade Sicherheitsbehörden eigentlich nicht erklären – lebt auch davon, dass Quellen geschützt werden. Dies scheint in Oranienburg egal zu sein. Sofort am 12.04.2010 wollte der Beamte, der auch die Hausdurchsuchung leitete, eine Auskunft von blogsport.de zu den Verbindungsdaten, Namen, IP-Adressen, etc. wegen der Ermittlungen wegen Verstoßes gegen §86a. Ziel der Abfrage war das Ermitteln des Admins unserer Seite. Sie wurden von blogsport.de freundlich auf unsere E-Mailadresse verwiesen.

Hierbei ist erneut anzumerken, dass ein solches Vorgehen nicht nachvollziehbar ist, wenn eben jene Personen eh schon bekannt sind. So sprach ein Mitglied der MEGA nach dem Vorfall unserer Infoveranstaltung ein Mitglied mit den Worten an: „Mir gefällt nicht , was du auf deine Seite schreibst – darüber müssen wir noch mal reden.“ Das Auskunftsersuchen bei blogsport.de brachte nichts. So bekam besagtes Mitglied eine Vorladung zugesandt, auch hier relativ schnell bereits am 31.05.2010. Die Vorladung wurde unter „sonstige“ Person geführt, mit dem Tathintergrund der Ermittlungen wegen Verstoß gegen § 86a sowie Verleumdung und üble Nachrede. Auf diese Vorladung wurde, wie üblich, nicht reagiert. In den aktuellen Ermittlungsakten zählt dies mit, da die Personen auf Vorladungen nicht reagieren würden.

Dass wir der MEGA die kompletten Kompetenzen im Kampf gegen Neonazis entzogen haben, zeigte sich daran, dass sich Journalist*innen und auch die Kommune eher an uns wanden. So zum Beispiel, als wir gemeinsam mit der Stadt und dem Kreis dafür sorgten, dass das Nationale Jugendzentrum in Oranienburg freiwillig die Segel strich. Dem voraus ging eine Anfrage seitens der MEGA an das Forum, doch mehr Recherchen zu machen, da sie nichts herausfinden würden. Dies ist, wie wir inzwischen wissen, eine komplette Falschmeldung. So fand in der ersten Hälfte des Jahres 2011 mindestens fünf Neonazikonzertedort statt, bei denen es auch zu so genannten Gefährder-Ansprachen kam. Das Forum, die Stadt, allgemein die Öffentlichkeit wurden darüber nicht informiert. Wir erhielten dabei Informationen von Anwohner*innen, die immer wieder von Veranstaltungen berichteten, und von Insidern die uns mit Tipps halfen. Festzuhalten ist hierbei, dass sich sieben Jahre lang ein Neonaziladen unter den Augen der Sicherheitsbehörden zu einem überregionalen Treff- und Veranstaltungsort aufbauen konnte und erst Zivilgesellschaft und ihren Partnern geplättet wurde, obwohl es unter anderem diverse Hinweise gab, dass dort z.B. Veranstaltungen der HDJ statt fanden - auch nach dem Verbot dieser.

Nun zum aktuellen Fall. Seit März 2011 wird gegen uns ermittelt. Erst im Januar 2012 wurde der Beschluss vom Gericht angefertigt und pünktlich zum 01.02.2012 ausgeführt. Dass dabei derselbe Cop in der Wohnung der Genoss*innen stand, der diese schon einmal zu Aussagen unserer Quellen zwingen wollte, dass er unterstützt wurde von einem Beamten, der an Forumsitzungen teilnahm, unterstützt von Berliner Beamten, die innerhalb des politisch-linken Spektrums ebenfalls nicht unbekannt sind, lassen nur einen Entschluss zu. Handelt es sich hierbei unter Umständen nicht um eine Hausdurchsuchung wegen einer lächerlichen Ermittlung, die – wenn überhaupt – nur zu einer Geldstrafe führen kann, sondern eher um eine Aneignung unsere Quellen? Wurde dabei ein Versuch unternommen uns in unserer Arbeit zu behindern und uns zu einer Zusammenarbeit mit den Cops zu zwingen?

Aus den Ermittlungsakten wird klar, dass Personen der Antifa Oranienburg der Polizei bekannt waren u.a. durch Vorstellung eben der betreffenden Broschüre. Auch sind den Cops Pseudonyme bekannt, die in seltenen Fällen genutzt wurden, und sie konnten diese klar realen Personen zuordnen. Unter anderem durch „szenekundige Beamte“, welche im Jahr 2009 noch im Forum aussagten, sie würden nur gegen „Rechtsextreme“ eingesetzt werden. Während der Ermittlungen setzte das LKA Brandenburg eine E-Mail ein, welche von einem Extra eingerichteten GMX-Account an uns verschickt wurde. Ziel war es, eine Antwortmail zu initiieren, und so an eine mögliche IP-Adresse zu kommen. Doch wozu ein solcher Aufwand, wenn derjenige bekannt ist, der die entsprechende Broschüre vorgestellt hat? Ziel war es hier eher, unter Umständen mehr Personen zuordnen zu können, denn auch hier tappen die Schlapphüte im Dunkeln und können der Antifa Oranienburg nur die Personen zuordnen, welche die Hausdurchsuchung erleiden mussten.

Aufgrund des gezielten Engagements seit 2010 durch den leitenden Beamten gehen wir nicht nur von einem klar politisch motivierten Prozess aus. Besteht eventuell eine Existenzangst der ansässigen MEGAs? Denn die Umstrukturierung der Polizeikräfte bedeutet Arbeitsverlust, besonders beim polizeilichen Staatsschutz, wenn er nicht Vorweisen kann, dass er notwendig ist. Aus diesem Grund versucht man uns als Bauernopfer zu nutzen, um die eigene sinnlose Existenz rechtfertigen zu können.

Festzuhalten ist: Der Staatsschutz bzw. seine Beamten, haben jahrelang das Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg genutzt und dieses sowie seine Mitglieder den Recherchen und Attacken von Neonazis ausgesetzt. Sie ließen über Jahre ein nationales Jugendzentrum entstehen und können kaum bis keine eigenen Ergebnisse im Kampf gegen Neonazismus vorweisen (Was der einzige Grund für ihre Existenz ist!). Seit mehr als zwei Jahren versuchen sie – teilweise erfolgreich – die örtliche Antifa auszuleuchten.

Dies nehmen wir so nicht hin. Seit fast vier Jahren leisten wir konstant Arbeit gegen Neonazis in Oberhavel, decken Strukturen auf und haben uns so Anerkennung innerhalb der Aktiven in Oberhavel erarbeitet. Dabei haben wir nicht auf die Klischeebilder eines marodierenden schwarzen Blocks gesetzt, der Nachts die Neonazis durch die Straßen jagt – sondern wie haben versucht, gemeinsam mit den wenigen aktiven Bürger*innen zu agieren.

Wir werden uns nicht kriminalisieren lassen – wir danken jetzt schon den Aktivist*innen, die uns ihre Solidarität ausdrücken und Unverständnis zeigen für das Agieren der MEGA und der anderen Behörden. Das einzige, was die Sicherheitsbehörden mit dieser Hausdurchsuchung und Kriminalisierung der lokalen Antifastruktur erreichen, ist, dass sie den Neonazis ein erhöhtes Selbstbewusstsein und Schutz geben und unsere Arbeit erschweren.

Wir danken daher den Sicherheitsbehörden, speziell der MEGA, dass sie den aktiven Bürger*innen zeigen: MEGA sind keine Freunde und keine Helfer.