Eingesperrt trotz Alibis

Erstveröffentlicht: 
05.11.2011

Landtag streitet über Fall des Politaktivisten Jörg Bergstedt

 

Opposition will wissen, ob Ministerpräsident Volker Bouffier 2006 an einer rechtswidrigen Polizeiaktion beteiligt war

 

Mehr als fünf Jahre nach seiner rechtswidrigen Inhaftierung hat der Fall des Gießener Politaktivisten Jörg Bergstedt für erregte Diskussionen im Landtag gesorgt. Innenminister Boris Rhein (CDU) räumte am Donnerstag vor dem Innenausschuss in Wiesbaden ein, dass es wenige Tage vor der Polizeiaktion gegen Bergstedt in Gießen ein Treffen der höchsten Polizeikräfte des Landes im Innenministerium gegeben habe. Dabei sei es aber generell um die "politisch motivierten Propaganda-Taten" in Gießen und den Schutz des dort wohnenden Innenministers Volker Bouffier (CDU) gegangen. Dieser ist seit vergangenem Jahr Regierungschef.

 

Bei der Polizeibesprechung im Innenministerium wurde nach Angaben Rheins auch der Einsatz eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK) in Gießen beschlossen. Fünf Tage später - am 14. Mai 2006 - kam es nahe von Bouffiers Anwaltskanzlei sowie an Gerichtsgebäuden erneut zu Farbschmierereien und Sachbeschädigungen. Der dem anarchistischen Spektrum zugerechnete Bergstedt wurde dann von der Polizei in Sicherungsgewahrsam genommen - insgesamt vier Tage lang. Zur Tatzeit war der heute 47-Jährige aber von Polizeibeamten observiert und beim Federballspielen beobachtet worden.

 

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt erklärte dann im Jahr 2007 die Polizeiaktion für rechtswidrig. Die Strafanzeigen Bergstedts gegen die Polizei wurden zwar abgewiesen, der Vorgang beschäftigt aber immer noch die Justiz. Unter Hinweis auf neu aufgetauchte Akten vermutet nun die Opposition, dass Bouffier die Polizeiaktion gegen den unliebsamen Aktivisten in seiner Heimatstadt selbst gesteuert habe.

 

Dazu äußerte sich Innenminister Boris Rhein am Donnerstag nicht. Er wollte auch nicht zur Frage Stellung nehmen, ob sein Amtsvorgänger Bouffier beim damaligen Polizeitreffen in seinem Ministerium dabei war. Die Akten in dem weiter vor Gericht anhängigen Fall lägen nur teilweise vor, sagte der Innenminister auf bohrende Fragen von SPD, Grünen und der Linken. Rhein wies auch Vorwürfe zurück, das damalige Spitzentreffen im Innenministerium dem Landtag bisher verschwiegen zu haben. Der Staatsanwaltschaft Wiesbaden, die sich mit dem Fall Bergstedt ebenfalls beschäftigt hat, sei die Besprechung seit drei Jahren bekannt.