Russische Nazi-Organisation DPNI endgültig verboten

DPNI

Am gestrigen 9. August wurde das Verbot der xenophoben Organisation und Sammlungsbewegung Dvizhenie Protiv nelegal'noi Immigrazii (DPNI) durch das Moskauer Landgerichts aus dem April diesen Jahres [1] vom Obersten Gericht der Russischen Föderation endgültig bestätigt. Nach dem Verbot der militanten Naziorganisation Slavjanskij Sojuz [2] mit dem Großmaul Dmitrij Demushkin an der Spitze, die als Slavjanskaja Sila neugegründet wurde, wurde mit der DPNI die größte und aktivste nationalistische Organisation und Sammlungsbewegung als „extremistisch“ verboten, die das gesamte nationalistische Spektrum von Monarchist_innen über klerikale Fundamentalist_innen bis zu militanten Nazis integrieren konnte. Somit tritt das Verbot in Kraft und verbietet jede Betätigung der Mitglieder_innen der DPNI und ihrer Symphatisant_innen innerhalb der Organisationsstrukturen.

 

Nach der Entscheidung des Obersten Gerichts erklärte laut Interfax [3] Vladimir Ermolaev, einer der Führer der Organisation, das Ende der DPNI. Außerdem rief er dazu auf, daß „neue Kräfte, neue Ideen neue Projekte und Organisationen“ initiiert werden sollen. Auf der Seite der Organisation werden die Pläne konkretisiert. In einem Artikel wird eine „innernationale Konsolidierung“ gefordert. Aus diesem Grund sollen „regionale Gruppen, Klubs und Organisationen“ gegründet werden. Außerdem wird empfohlen sich vermehrt finanziell und kulturell in der russischen Zivilgesellschaft zu engagieren. Das Ziel wird wie folgt umrissen:

 

„Unsere Aufgabe ist es eine reale Macht auf der Straße zu werden, unmittelbarer am Russischen Volk zu sein. Unsere Aufgabe ist Einigkeit zu zeigen und eine Alternative anzubieten! Die russische Alternative!“

 

Trotz der Anwesenheit von Unterstützer_innen der DPNI, die zu einer Soli-Kundgebung vor das Gericht gekommen waren, und der Beteiligung anderer nationalistischer Organisationen äußerten sich offizielle DPNI Füher_innen nicht öffentlich zu neuen Plänen. Von einem vereinigten Bündnis der nationalen Kräfte war bis auf Erklärungen von Demushkin nicht die Rede. So scheiterte das Bemühen des neugegründeten Bündnis „Russkie“ (Russen) [4] des ehemaligen DPNI-Führer Aleksandr Belov (Potkin) und Demushkin für eine nationale Einheitsbewegung erneut.

 

Aleksandr Baranovskij von der Nazi-Gefangenenorganisation „Russkij Verdikt“ (RV), der bei fast allen Prozessen unter Beteiligung von Nazis anwesend ist, brachte die Entscheidung laut Interfax in einer Pressekonferenz mit den fremdenfeindlichen Pogromen im Dezember 2010 auf dem Moskauer Manegeplatz und in anderen russischen Städten sowie der Verurteilungen im Mordprozess um die Tötung von Stanislav Markelov und Anastasja Baburova [5] in Zusammenhang. Die Beschuldigten Nikita Tichonov, ein militanter Nazi, langjähriger Redakteur des nationalistischen Magazins „Ruskij Obraz“, Gründungsmitglied der gleichnamigen Organisation und in den russischen Blood & Honour Strukturen vernetzt, sowie die vermeintliche „Menschenrechtlerin“ Evegenija Chasis wurden trotz einer massiven und aufwendigen Kampagne von RV zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Außerdem führten die Ereignisse auf dem Manegeplatz nicht zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit xenophoben Tendenzen in der russischen Gesellschaft, sondern zu einer verstärkten Propagierung eines staatsbürgerlichen Nationalismus durch die regierenden politischen Akteure, der an eine „nationale Einheit“ jenseits ethnischer Ausgrenzungen appelliert, wobei Menschen aus den Kaukasischen Regionen weiter als „unrussisch“ und „nichtslawisch“ ausgeschlossen werden.

 

Mit dem Verbot ist das spektrenübergreifendes Projekt DPNI endgültig gestorben. Es ist allerdings zu befürchten, daß die Protagonist_innen und Strukturen regional weiter existieren werden. Die Gefahr, die von nationalistischen und (neo-) nationalsozialistischen Gruppen ausgeht, ist durch das Verbot nicht geschmälert worden. Militante Nazis prügeln und töten weiter. Terroristische Zellen agieren unabhängig von legalen Strukturen, sind aber zumindest finanziell von Symphatisant_innen auch in der DPNI abhängig und deshalb womöglich trotzdem eingeschränkt. Nicht vergessen werden darf aber, daß schon nach dem Verbot der größten Nazi-Organisation Russkoje Nazional'noe Edinstvo (RNE) mit paramilitarischen und zum Teil terroristischen Gruppen zwar die Bewegung zerplitterte sich jedoch in neuen Organisationen wie dem Slavjanskij Sojuz von Demushkin und der DPNI schnell wieder sammeln konnte.

 

Die DPNI darf mit dieser Entscheidung nicht mehr öffentlich auftreten. Offizielle Anmeldungen von Kundgebungen und Demonstrationen sind nicht mehr möglich. Damit könnte die Durchführung des sogenannten landesweiten „Russischen Marsches“, an dessen Organisation die DPNI und der Slavjanskij Sojuz maßgeblich beteiligt sind und waren, am 4. November massiv gefährdet sein und womöglich erstmals seit 2005 nicht stattfinden. Oder die Bewegung „Russkij Obraz“ und ihre Verbindungen sowohl zu Autonomen Nationalist_innen, Freien Nazis, klerikalen Nationalist_innen und zu kremlnahen Organisationen übernimmt die Organisation. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber, daß die staatsloyalen Jugendorganisationen nun konkurrenzlos staatlich geförderte „Russische Märsche“ veranstalten können.

 

 

[1] siehe http://linksunten.indymedia.org/de/node/37501

[2] siehe http://linksunten.indymedia.org/de/node/33955

[3] siehe http://www.interfax.ru/politics/txt.asp?id=202828

[4] siehe http://linksunten.indymedia.org/de/node/38002

[5] zum Mord an Markelov und den Täter_innen siehe http://aka.blogsport.de/2009/11/27/die-moerder-von-markelov-und-baburova

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Es ist sicherlich ein sehr wichtige Schritt für Russland. Dennoch ist es ein Tropfen auf dem heißen Stein. Verbote von Organisationen bringen auf jeden Fall viel in Arbeit gegen Rechts ( zumal es sich hier um eine der Größten Orgs geht ). Es muss aber parallel dazu Zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rasissmus und Rechtsextremismus gestärkt und unterstüzt werden. Abgesehen davon geht es im Fall von Russland um einen komplexen Problemklumpen, welcher sehr viele verschiedene Faseten aufweist. Es bedarf einer gut konzepierten Strategie. Die gibt es jedoch nicht. Man darf sich aber nicht resegniert in die Ecke setzen-man muss dran bleiben!