Frist für Kommando Rhino läuft ab

Die Besetzer machen die Schotten dicht: das Gelände auf dem M1-Grundstück in Vauban
Erstveröffentlicht: 
28.07.2011

Letzte Bemühungen um einen Alternativstandort für die Wagenburg auf dem Eingangsgelände zum Stadtteil Vauban
Von unserer Redakteurin Simone Lutz
Kommando Rhino

Etwa 35 Wagen stehen seit zwei Jahren auf dem sogenannten M1-Gelände. Erst, um für eine Bürgerbeteiligung bei der Bebauung des Areals zu demonstrieren, dann, in einer taktischen Kehrtwende, um politisch Druck für mehr Wagenplätze in Freiburg zu machen. Das "Kunst-, Kultur- und Wagenplatzkollektiv" hat sich in dieser Zeit bemüht, im Stadtteil und darüber hinaus Akzeptanz für die alternative Wohnform zu schaffen: mit Tagen der offenen Tür, regelmäßigen Veranstaltungen wie dem Mittwochskino, Demonstrationen. Es gab zudem Bemühungen, ein privates Grundstück in Freiburg als Standort zu finden, vergeblich. Für die Besetzerinnen und Besetzer steht aber auch die Stadt Freiburg in der Pflicht, Platz für alternative Lebensformen zu schaffen. Ihr Argument: Es gebe immer mehr Menschen, die in Wagen leben wollten. Verlässliche Zahlen dazu gibt es allerdings nicht.

Die Linie der Stadt

In Freiburg existieren drei Wagenburgen auf städtischen Grundstücken (Eselwinkel, Biohum, Schattenparker) sowie andere auf privaten Flächen (SUSI, Ölmühle). Seit 1987 gibt es immer wieder Versuche von Wagenburgen, sich in Freiburg niederzulassen, immer wieder kommt es zu Räumungen. 1996 beschloss der Gemeinderat, keine weiteren Wagenburgen auf städtischen Flächen zuzulassen. Das ist für die Stadtverwaltung die Basis aller Verhandlungen. Ein Arbeitskreis Wagenburgen, der nach der Räumung der Wagenburg Schattenparker 2005/2006 eine grundsätzliche Lösung des Problems in Angriff nehmen sollte, kam über all die Jahre nicht zustande.

In den vergangenen zwei Jahren gab es mehrere Gespräche zwischen Kommando Rhino und der persönlichen Referentin des Oberbürgermeisters, Annette Schubert. Diese fragte auch einige private Grundstücksbesitzer nach einem Grundstück an, ebenfalls erfolglos. "Wenn die Rhinos ein privates Grundstück finden, geht uns das nichts an" , so Schubert. Der Vorschlag der Stadtverwaltung, fünf oder sechs Rhino-Wagen sollten zu den Schattenparkern ziehen, wurde von beiden Wagenburggruppen abgelehnt. "Wir lassen uns nicht auf einen erkämpften Freiraum abschieben" , so ein Besetzer von Kommando Rhino.

Kompromissbereit zeigte sich die Stadtverwaltung im Mai, als es um Probebohrungen für den geplanten Baubeginn ging: Für 20 000 Euro ließ sie eine dafür notwendige Trafostation auf dem Gelände versetzen. Erst danach hat die Stadtverwaltung den Besetzern bis zum 31. Juli das Ultimatum gestellt.

Der Gemeinderat

Im Gemeinderat gibt es keine politische Mehrheit, um den Beschluss von 1996 zu ändern. Bei der jüngsten Sitzung am Dienstag kam nicht einmal die erforderliche Stimmenzahl von zwölf zusammen, um eine Diskussion über Kommando Rhino auf die Tagesordnung zu setzen. Lediglich Stadträte der Unabhängigen Listen, der Grünen Alternative Freiburg sowie Nikolaus von Gayling (FDP) plädieren für eine konzilianteren Umgang mit der Wagenburg. In den anderen Gemeinderatsfraktionen gibt es eher grundsätzliche Überlegungen: Wenn eine weitere Wagenburg einen Standort in Freiburg findet, könnte das Wagenburgen aus ganz Deutschland animieren, hierher zu kommen und Flächen einzufordern.

Alternativstandorte

Nikolaus von Gayling, FDP-Stadtrat und Grundstücksbesitzer im Freiburger Osten, traf sich vergangene Woche mit Vertretern von Kommando Rhino. Gemeinsam besichtigten sie Grundstücke aus dem Gaylingschen Besitz, die als Standorte in Betracht kommen könnten. "Ich sehe das sehr nüchtern" , so Gayling. "Ichhabe keine ideologischen oder politischen Vorbehalte gegen die Personen. Aber an Recht und Gesetz müssen sie sich halten." Auf das Grundstück "Sieben Jauchert" in Kappel (siehe Grafik) hätte man sich einigen können. Doch das Rathaus hat Nein gesagt: Diese Fläche liege im Landschaftsschutzgebiet und sei außerdem als Siedlungszäsur (eine Art Freifläche) im Regionalplan eingetragen. In der Abwägung von Naturschutzinteressen und den Interessen von Kommando Rhino könne die Stadtverwaltung die Umwidmung in eine experimentelle Wohnfläche nicht befürworten. Außerdem wolle der Gemeinderat keine weiteren Wagenburg-Stellplätze. Auch eine Zwischennutzung — bis ein geeigneter Standort gefunden wäre — auf dem Gelände des Kappler Knoten lehnt die Stadtverwaltung ab.

Gaylings Einschätzung: "Wenn die wollte, könnte sie." Die Rhinos seien das Opfer restriktiver Stadtpolitik. Andererseits habe sich die Gruppe in den vergangenen zwei Jahren nicht gerade intensiv um einen Platz gekümmert und mache allein mit der Abschließung eines Pachtvertrags einen überforderten Eindruck. Dennoch meint Gayling: "Ich sehe das noch nicht als gescheitert." Er habe noch private Flächen außerhalb der Freiburger Gemarkung, die in Frage kommen könnten, wo, will er nicht sagen. Aber: "Ich bin in Kontakt mit den Rhinos."

Im Stadtteil Vauban

Während der zwei Jahre, die die Wagenburg im Stadtteil lebt, gab es erstaunlich wenig Reibungspunkte. Die Klagen über offene Feuer und Rauch an Abenden oder Lärmbelästigung hielten sich in Grenzen. Allerdings gibt es unterschiedliche Meinungen zum politischen Anspruch der Wagenburg, ein Grundstück für alternative Lebensformen gestellt zu bekommen. Während die einen sich an die Anfänge des Modellstadtteils erinnert fühlen (auch hier standen Wagenburgen) und die Forderung befürworten, ärgern sich andere darüber, dass die Wagenburg anders als andere eine bevorzugte Behandlung bei der Grundstücksvergabe erwartet. Bewohnerin Kitty Weis hatte sich öffentlich dazu geäußert: "Die spielen sich wie die Gutsherren auf — dabei stehen sie unberechtigt da." In den letzten Wochen gründete sich ein Runder Tisch, der deeskalierend wirken und eine Räumung verhindern will. Mit dabei auch die evangelischen und katholischen Seelsorger des Viertels, Martin Auffahrt und Michael Hartmann, die von ihren Dekanen unterstützt werden (pikantes Detail am Rande: Als am Samstag vorletzter Woche das Haus Goethestraße 2 in der Wiehre besetzt wurde, um einen alternativen Freiraum zu schaffen, ließ die Besitzerin, die evangelische "Stiftung Pflege Schönau" , sofort von der Polizei räumen).

Das Ende der Frist

Für das Wochenende hat Kommando Rhino die Szene für ein "Jubiläumsfestival" mobilisiert: zwei Jahre Wagenburg auf dem M1-Gelände und Abschied von Vauban. Im Internet kursieren Aufrufe auf "Selbstverteidigungsaktionen bei Polizeiangriffen" . Inzwischen treffen immer mehr Wagen aus ganz Deutschland in Vauban ein. Freiwillig gehen wollen die Rhinos nicht: "Wir wissen ja nicht, wohin." Falls sie geräumt würden, würden auch die Wagen beschlagnahmt — das war schon bei den Schattenparkern so, die laut Gerichtsurteil 24 000 Euro zahlen sollten für die Beschlagnahmung und Verwahrung ihrer Wohnfahrzeuge. Die Einschätzung, ob es mit einem Alternativgrundstück im Freiburger Osten — auch außerhalb der Gemarkung — noch klappt, sind unterschiedlich. Einer sagt: "Die Gespräche lassen sich gut an" , ein anderer: "Wir brauchen ein Grundstück in Freiburg, in der Nähe des öffentlichen Nahverkehrs." Wie es bei einer abzusehenden Räumung läuft, weiß niemand: "Klar ist, dass wir nicht gehen. Klar ist aber auch, dass wir keine Gewalt anwenden werden." Die Polizei hält sich auf Anfrage bedeckt. Pressesprecher Ulrich Brecht: "Die Polizei bereitet sich auf das Wochenende vor, mit ihrer umfassenden Erfahrung von alternativen Veranstaltungen.