Die Frau ist bloss ein soziales Schmerzmittel

femmes

Übersetzung des Aufrufs zum „Neuen feministischen Manifest 1.0“ beizutragen, geschrieben von den italienischen GenossInnen von Femminismo a Sud. Es handelt sich um ein anti-sexistisches Kollektiv, zu dem sich Feministinnen und Deserteure des Patriarchats zusammengeschlossen haben, um eine Informations- und Analysearbeit zu betreiben, die vom Antifaschismus bis zu Genderfragen geht, vor allem durch die Realisierung des Heftes „Bollettino di guerra“ (Kriegsbulletin), das Fälle männlicher Gewalt sammelt.

 

Denkt unsere Gesellschaft wie ein Konzentrationslager. Es war eine offensichtliche Organisation, ohne jegliche „virtuelle Welt“ um sie zu verbergen. Es gab einige Individuen, ganz wenige, die sich an einem Produktionssystem bereicherten, das auf vier Elementen aufgebaut war:

 

Die Überwachung, und somit die Kontrolle, um jegliche eventuelle Form sozialer Rebellion und jegliche Forderungen für die Freiheit und gegen die Sklaverei zu verwalten. Und somit Soldaten, Militärs, Polizeien.


Die Arbeiter, alle Sklaven, aber voneinander getrennt durch ein System Preis/Strafe/Denunziation, dessen Ziel die Aufrechterhaltung der „Bedürfnisse“ und dem Notfall war. Wenn du Hunger hast, isst du, was dir gegeben wird und revoltierst nicht. Wenn du Kapo, Aufseher, Anführer wirst, kannst du etwas mehr essen. Und vor allem isst du etwas mehr weil du die Bedingungen aufrecht erhältst, damit die Sklaverei weiter existieren kann.

 

Die Frauen, betrachtet als Schmerzmittel, als Medikament, als Beruhigungsmittel. In den Konzentrationslagern wurden die deportierten Frauen als Prostituierte zur Verfügung gestellt. Nicht nur für die Deutschen, sondern auch für die deportierten Männer. Denn seit eh und je ist die Frau das Element, dessen Zweck es ist, die Arbeiter „aufzumuntern“, welche die Aufgabe haben, die Produktion am Laufen zu erhalten, die eine ganz geringe Anzahl von Leuten bereichern wird.

 

Die Reproduktion. Also die totale Aneignung der Körper der Frauen und der Männer. Also sind die Subversiven die Schwulen, die Lesben, die Transsexuellen oder diejenigen Frauen und Männer, die Selbstbestimmung und das Recht, sich nicht fortzupflanzen einfordern. Die Fortpflanzung unterstützt die Kontinuität der Produktion, indem sie selbst zur „Produktion“ wird.


Diejenigen, welche die Produktion verlangsamen oder anhalten, werden von der Gesellschaft verhaftet, genauso wie diejenigen, die die industrielle Produktion verlangsamen von den Unternehmen gefeuert werden. In diesem Sinne haben die Kämpfe aller Menschen, Frauen und Männer, die sich der Produktionskette entziehen, ein einziges gemeinsames Ziel: die Freiheit!


Es handelt sich nicht um ein banales Argument.


Der Kampf verfährt nach verschiedenen Perspektiven und unter verschiedenen Gesichtspunkten. Und für jeder und jedem davon gibt es einen Verdienst seitens der Menschen, die ihn führen. Es ist fundamental, gegen immer invasivere Sicherheitssysteme zu kämpfen, die konstant unser Privatleben vergewaltigen und uns in Überwachte verwandelt, die dem Willen derjenigen nicht mehr entgegen wirken können, welche alle Reichtümer und Ressourcen der Welt monopolisieren, um die anderen krepieren zu lassen.

 

Es ist fundamental gegen die hierarchische Trennung der Individuen zu kämpfen. Gegen wen auch immer, der behauptet, die Macht zu haben, andere zu kontrollieren, zu überwachen, deren Schicksal zu bestimmen.

 

Es ist fundamental für die Frauen und die Männer, eine freie Sexualität und eine freie Wahl, Eltern zu werden, zu fordern. Es ist fundamental gegen die „Naturalisierungen“ sozialer Konstrukte zu kämpfen, die speziell dafür erfunden wurden, um Formen von Kontrolle und Sklaverei zu determinieren. Es ist fundamental, dafür zu kämpfen, dass Frauen mehr sind als soziale „Schmerz-“ oder „Beruhigungsmittel“.

 

Die Frauen sind kein Prozac für frustrierte und häufig gewalttätige Männer. Genau wie Kinder kein Prozac für Pädophile sind.

 

Frauen und Kinder sind menschliche Wesen, die das Recht haben, zu wählen, zu denken, zu sprechen, zu leben, zu atmen und sich aus der scheusslichen Form der Sklaverei zu erheben, in welcher sie immer gefangen waren und es leider immer noch sind.

 

Denkt aufmerksam darüber nach:

 

Es ist kein Zufall, dass die Frauen dazu gebraucht werden, alle zu unterhalten. Natürlich gibt es Mächtige, die sie in ihren Villen beherbergen, aber man gewährt sie auch den Arbeitern, dem Fernsehen. Denn jeder Monarch, der diesem Namen würdig ist, teilt immer seine Mahlzeit mit den Ärmsten. Es ist kein Zufall, dass die Unterhaltung, das neue Opium des Volkes wie Tocqueville sagte, immer auch voller Frauenärsche und Titten oder Bilder von erotisierten Kindern ist.

 

Es ist kein Zufall, dass der Verkauf eines Produktes immer von einer Werbung begleitet wird, wo mit dem beworbenen Produkt der Körper einer schönen Frau angeboten wird. Der Frauenkörper ist, wie das schon andere gesagt haben, funktionell für Phallokratie.

 

Der Kampf, ihn dieser Funktion zu entwenden, zu welcher die Männer ihn bestimmen wollen, ist ein überaus berechtigter Kampf, der viel Aufmerksamkeit und Respekt verdient.

 

Kämpfen, damit die Frauen arbeiten können, ohne als dekorative Accessoires betrachtet zu werden ist ein überaus berechtigter Kampf. Kämpfen, damit die Frauen wegen ihrem Körper nicht mehr dafür gebraucht werden, den Mythos der Aufgabe der Frauen zu konstruieren ist ein mehr als berechtigter Kampf.

 

Aber was geschieht mit den Frauen, die gegen dieses System rebellieren? Die Reaktionen sehen wir schon in den „Familien“, auf den Strassen, überall.

 

Wenn du die Männer dazu erziehst, die Frauen als Medikament wahrzunehmen, werden diese gleichen Männer das Gefühl haben, dass man ihnen ein „Recht“ verwehrt hat, wenn eine Frau sich weigert, ihre Rolle als „Pflegerin“ zu spielen.

 

Was ist Gewalt gegen Frauen innerhalb dieses allgemeinen Rahmens?

 

Sie ist nichts anderes als ein Kontrollsystem, das auf mehreren Ebenen agiert und den Frauen eine auferlegte Rolle aufhalst. Hatten sie Mitleid mit den deportierten Frauen, diese Männer, selber deportiert, die sie im Konzentrationslager vergewaltigten? Hatten sie Mitleid, die schwarzen Sklaven Alabamas, als sie die schwarzen Sklavinnen vergewaltigten, die ebenfalls dorthin deportiert worden waren?

 

Die Frauen erdulden seit eh und je ein doppeltes Unterdrückungssystem. Sie werden zuerst als Belustigung für die Mächtigen betrachtet, und danach als Abfall für die Arbeiter und die anderen Sklaven der Produktion. Ein solches Wirtschaftssystem wird nie für einen Wohlstand optieren, der die Rechte der Frauen respektiert, schlichtweg weil es das Monopol der Rohstoffe und Reichtümer der Welt hat und nicht will, dass die Frauen frei sind.

 

 

Die Männer, ohne die Frauen, um sie zu „unterhalten“, gingen vielleicht nicht in den Krieg, arbeiteten vielleicht nicht mit gleich viel Energie für einen solch geringen Lohn. Wie sie übrigens auch von der Moral der „Familie“, für die man alles tun muss, getrieben arbeiten. Und die Männer, wenn sie die Anwesenheit der Frauen, um sie zu unterhalten und zu trösten nicht geniessen können, dann bestrafen sie sie. Sie töten, belästigen, vergewaltigen, massakrieren, verstossen sie und, am Schluss, lassen sie sie ohne einen Cent, nicht einmal eine Bezahlung für die geleistete Arbeit.

 

Warum nimmt man Frauen, die rebelliert haben, die Kinder weg? Weil jede geschiedene Frau gegen die ihr auferlegte Rolle rebelliert hat und sie aus diesem Grunde bestraft wird, denn Kinder, die in einer Atmosphäre der Autonomie mit einer, zumindest teilweise, vom System, das sie unterdrückte, befreiten Frau gross werden sind Kinder die sich als „Personen“ wahrnehmen. Sie sind dazu erzogen worden, sich als menschliche Wesen wahrzunehmen und sie sind potenzielle Feinde der Produktion.

 

Jede autoritäre Regierung, die sich auf das Monopol der Reichtümer, die Sorge um die Verteilung der Ressourcen stützt, versucht immer die Gefahr der schrecklichen subversiven Wirkung derjenigen, die sich dem Willen der Phallokratie und ihrer kleinen und grossen Chefs nicht beugen, zu vermeiden.

 

Deshalb werden die Frauen zum idealen Feind jeglichen Autoritarismus' auf jeder Ebene und auf durch und durch transversale Art und Weise.

 

Deshalb spricht man heute wieder vom „autoritären“ Männlichen, vom Chef-Vater, vom pater familias, von Disziplin, von flexibler Arbeit, von subjektiven Verträgen, vom Ende des Streikrechts, von der Banalisierung der Forderungen der Arbeiter und Arbeiterinnen. Aber man spricht auch von Ausländern, die ohne zu klagen in den Fabriken arbeiten und Lebensassistentinnen, die die Pflegearbeit leisten, um die Lücke zu füllen, die die Frauen hinterlassen haben, die vor diesen Aufgaben geflüchtet sind.

 

Deshalb spricht man wieder vom einzigen Meister [AdÜ: die Bologna-Reform der Schulen und der Universitäten sieht einen einzigen Lehrer für die Kinder der Primarschule vor], von der überwachten Schule, von Schulprogrammen getrennt nach Gender, von Moralisierung der Sitten junger Mädchen. Und einmal mehr die Vereinnahmung des Mythos' des starken, autoritären und glaubwürdigen Männlichen. Und diese Figur ist nicht nur der kleine Übergangsdiktator, von dem mehr oder weniger alle sprechen, sondern auch das Modell, das ihm nachfolgen wird.

 

Die Frauenkämpfe sind Teil dieser Kontexte. Sie werden nicht vom Zufall bestimmt. Wir agieren nicht gegen einen einzigen Feind. Die Frauen kämpfen gegen das grösste Machtsystem der Welt. Gegen ein Unterdrückungssystem, das jedes Mittel anwendet, um uns zu massakrieren.

 

Deshalb ist es fundamental, zu berücksichtigen, was jeder von uns, jeder von euch – Frauen, Männer, Schwule, Transsexuelle, Lesben, Ausländer und Ausländerinnen, die ihr auch für Gleichheit und Freiheit in einem uns erstickenden Unterdrückungssystem kämpft – zu diesem Kampf beitragen kann.

 

Übersetzt aus dem Französischen von Le Réveil

 

Originalversion

 

Französische Version

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"... Also die totale Aneignung der Körper der Frauen und der Männer. Also sind die Subversiven die Schwulen, die Lesben, die Transsexuellen oder diejenigen Frauen und Männer, die Selbstbestimmung und das Recht, sich nicht fortzupflanzen einfordern. Die Fortpflanzung unterstützt die Kontinuität der Produktion, indem sie selbst zur „Produktion“ wird.


Diejenigen, welche die Produktion verlangsamen oder anhalten, werden von der Gesellschaft verhaftet, genauso wie diejenigen, die die industrielle Produktion verlangsamen von den Unternehmen gefeuert werden. In diesem Sinne haben die Kämpfe aller Menschen, Frauen und Männer, die sich der Produktionskette entziehen, ein einziges gemeinsames Ziel: die Freiheit!..."

 

Ähem, weil Männer Männer lieben und Frauen frauen lieben, sprich schwul oder lesbisch sind, sind sie subversiv? So ein Quatsch!

Eine sexuelle Neigung reicht aus subversiv zu sein? Wie vereinfachend gedacht. Wie falsch.

Weil man keine Kinder kriegt, hat, will, entzieht man sich einer gewollten Reproduktion und will die Freiheit? Quatsch!

 

Schon nach einem Drittel des Textes werde ich müde ihn weiterzulesen. Es erscheint wie eine erneute Suche nach einem revolutionären Subjekt und ist  doch Nichts weiter als identitäre Sinnstiftung.

Ganz old school ziehe ich da den 20 Jahre alten Text von Klaus Viehmann und GenossInnen vor: Drei zu eins!

Der hat zwar auch seine Schwächen. Ist aber als Grundlage einer Gesellschaftkritik brauchbarer als dieses Papier.

 

Drei zu Eins!

haha, und ihr nennt euch antisexisten: "vor allem durch die Realisierung des Heftes „Bollettino di guerra“ (Kriegsbulletin), das Fälle männlicher Gewalt sammelt."

wer ist jetzt der scheiß sexist???

Im Versuch deine Frage mal ernst zu nehmen und zu beantworten: der Scheißsexist bist du, wenn du noch nicht kapiert hast, dass im Patriarchat Gewalt gegen Frauen (und gegen Kinder) ein Herrschaftsinstrument ist. Das heißt nicht, dass es nicht auch "Frauen" gibt, die Gewalt ausüben, oder "Männer", die von Gewalt betroffen sind. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass mann frau etwas antut, ist in dieser Gesellschaft eben wesentlich größer als andersherum. Nicht, weil "Männer" von Natur aus gewalttätig wären, sondern weil sie dazu erzogen werden (es Teil der männlichen Sozialisation ist). Denk mal darüber nach.