Knastbeamten-Fest in Bruchsal

thomas meyer falk

Sportliche Betätigung hat hinter wie vor den Gefängnismauern einen hohen Stellenwert; heute soll einmal von den Knastbeamten die Rede sein, von Gefangenen allenfalls mittelbar. Denn am 01. Juli 2011 findet in Bruchsal und Umgebung das „52. Landessportfest“ der Vollzugsbediensteten aus ganz Baden-Württemberg statt. In einer knapp 80-seitigen Broschüre (in den diversen Grußworten recht mutig sogar „Festschrift“ genannt) feiert man sich selbst und informiert die TeilnehmerInnen über das sportliche Programm.

 

Die Grußworte


Nicht weniger als sieben Grußwort-SchreiberInnen fanden sich; vom Justizminister über die Oberbürgermeisterin und einen Ortsbürgermeister bis hin zu Gewerkschaftsvertretern von ver.di und BSBD (Bund der Strafvollzugsbediensteten). Der Minister grüßt alle TeilnehmerInnen und meint, der „sportliche Wettkampf stärkt (…) mental“. Auch Anstaltsleiter Thomas Müller (manchen noch aus der Affäre um die Rezitation eines Boehse-Onkelz Liedtextes bekannt) darf sich äußern, sichert allen Gästen eine „herzliche Atmosphäre“ sowie gute „badische Gastfreundschaft“ zu. Das Landessportfest biete, so Müller, „Gelegenheit, für einen Tag den Belastungen des beruflichen Alltags zu entrinnen“.


Sportliches Programm


Insgesamt in 12 Disziplinen üben sich die teilnehmenden Vollzugsbediensteten. Von Fußball bis Volleyball, von Tennis bis Kegeln, aber auch im Tauziehen und Schwimmen will man sich messen. Für die Geistesgrößen wird Schach und Schießen geboten; für die finanzielle Elite ein 18-Loch Golfturnier.
Wer am Schießwettbewerb teilnehmen möchte (hier sind bislang 170 TeilnehmerInnen gemeldet), darf mit einer „Heckler und Koch P10“ Pistole auf ein „statisches Ziel“ feuern; freilich ist ihm gem. Ziffer 11 der in der Broschüre abgedruckten Vorschriften für das Schießen „der Konsum von Alkohol oder sonstigen berauschenden Mitteln vor und während des Schießens“ untersagt und würde widrigenfalls „automatisch zur Disqualifikation“ führen. In welchem Zustand würden wohl die Schützinnen und Schützen erscheinen, gäbe es diese Anweisung nicht!?


Rahmenprogramm


Neben einem gemeinsamen Frühstück ab 7.30 Uhr und den von 8.00 Uhr bis circa 17.00 Uhr dauernden Wettbewerben soll dann ab 18.00 Uhr in der Waldseehalle in Forst (bei Bruchsal) die „Abendveranstaltung“ stattfinden, einschließlich Verlesung der Grußworte, Siegerehrung und des gewiss fulminanten musikalischen Programms der „Südtiroler Alpenamigos“.


Wie wurde die Festschrift finanziert


Offenkundig konnten die Veranstalter zahlreiche Vertreter der Wirtschaft dazu bewegen, halb- oder ganzseitige Werbeanzeigen zu schalten in besagter „Festschrift“. Neben Firmen wie Enforcer, die Beamte mit, laut Inserat, „Tactical Handschellen – in hochwertiger Qualität und Verarbeitung“ zu 49,00 Euro, „Schnitthemmenden Handschuhen“ (39,90 Euro) und anderem mehr ausstatten, inserieren Firmen wie Geggus GmbH, die zahlreiche Arbeiten in die Anstalt vergeben, welche dort dann von den Gefangenen zu verrichten sind, oder Apotheken, die den Gefängnisarzt und die Inhaftierten beliefern, z.B. die Stern-Apotheke (eine kritische Würdigung dieser Apotheke findet sich unter http://de.indymedia.org/2011/02/301534.shtml). Auch der unter Inhaftierten berüchtigte Knastkaufmann, die Firma Massak Logistik GmbH (kritisch zu Massak vgl. http://de.indymedia.org/2010/05/280395.shtml) schaltete eine Werbeanzeige. Nicht fehlen durfte die Firma Telio (http://www.telio.de), auch sie genießt innerhalb der Gefangenenschaft, wie Massak, einen ganz „speziellen“ Ruf, denn sie versorgt tausende Gefangene mit Telefonie und lässt sich dies teuer, sehr teuer von diesen bezahlen.
Daneben gab es 14 Sponsoren, u.a. die örtliche Sparkasse, eine Metzgerei, eine Buchhandlung, die die Festivität direkt unterstützen und dafür einen besonderen Dank erfuhren.

Weshalb zähle ich dies alles so detailliert auf? Die genannten und weitere Firmen erzielen (zumindest teilweise) hohe Umsätze mit der Arbeit, Arbeitsleistung oder dem Geld von Gefangenen! Zugespitzt kann also festgestellt werden, dass die Inhaftierten mit ihrem Geld, ihrer Arbeitsleistung diese sogenannte „Festschrift“ mittelbar mitfinanzierten, letztlich sogar das Beamtensportfest. Betroffene Gefangene sehen darin einen gewissen Zynismus.
Schließlich bezahlen sie Broschüre, Rahmenprogramm und vergnügliche sportliche Aktivitäten derjenigen, die sie einsperren, auf diese Weise teilweise mit. Und es geht noch „besser“!


Wer produzierte die „Festschrift“


Ausweislich des Impressums wurden „Gestaltung, Layout, Satz, Druck“ von der Druckerei der JVA Bruchsal, die Bindung der Broschüre von der Buchbinderei der Anstalt erledigt; um es verständlicher zu formulieren: die Inhaftierten, die in den Bereichen Mediengestaltung (zuständig für Gestaltung, Layout und Satz, also bis zur Fertigung der Druckplatten), Druckerei (Druck der Seiten) und Buchbinderei (alles schön zusammenkleben) tätig sind, mussten die Broschüre produzieren. Nicht Wenige sind nach eigenem Bekunden richtig stolz darauf (über ethische Bedenken in diesem Zusammenhang schrieb ich an anderer Stelle).


Zwischenergebnis


Gefangene produzierten die von ihnen indirekt mitfinanzierte Broschüre für ein Beamtenfest, welches die Inhaftierten gleichfalls teilweise finanzieren, wenn auch nicht unmittelbar, sondern über ihre Arbeitsleistung und den Gewinn bzw. Umsatz der Sponsoren und Werbepartner generieren.


Der 1. Juli 2011


Während sich die aus dem ganzen „Ländle“ anreisenden Bediensteten nebst deren Familien an jenem Freitag sportlich betätigen, den „Alpenamigos“ versonnen lauschen (auch auf Kosten der Gefangenen), dürfen die Inhaftierten der JVA Bruchsal keine Besuche empfangen, wie sonst an Werktagen üblich, denn die Besuchsabteilung hat an diesem Tag, so informiert ein Aushang „aus organisatorischen Gründen“ geschlossen; gleichfalls die gesamten Arbeitsbetriebe. Wer also auf das Einkommen aus Knastarbeit angewiesen ist, verliert einen Arbeitstag und das entsprechende Einkommen. Freizeitveranstaltungen fallen genauso aus.

Alles zum Wohle der JVA-Beschäftigten, die an diesem Tag die „Gelegenheit zur geselligen Begegnung und interessanten Gesprächen mit Kollegen und deren Familien aus dem ganzen Land“ (Grußwort von Ministerialdirigent Ulrich F.) nutzen möchten, einem „tollen Tag“ entgegen fiebern, „geprägt von sportlichen Leistungen und einer freundschaftlichen Atmosphäre“ (Grußwort BSBD-Gewerkschafter Alexander S.). Wobei die „sportliche Betätigung verbunden mit Kameradschaft“, so das Grußwort von Thomas F. (ver.di-Landesbezirksfachgruppe Justiz und Justizvollzug), ein geeignetes Mittel sei, „um den Anforderungen des schweren Dienstes gewachsen zu sein“, welchen die Strafvollzugsbediensteten zu verrichten hätten.



Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA-Z. 3113
Schönbornstraße 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://freedomforthomas.wordpress.com

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Die "Thomas Meyer-Falk" Texte sind immer wieder angenehm zu lesen und machen auf bestimmte Missstände im Gefängnis aufmerksam.